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Schule

Wortheld*innen fördern

Warum schnelles Handeln bei einer Lese-Rechtschreib-Störung entscheidend ist und wie Lehrkräfte sowie Eltern die Kinder gezielt unterstützen können.

Foto: IMAGO

Spätestens seit der PISA-Studie 2018 ist bekannt, dass die Grundfertigkeiten im Lesen, Schreiben und Rechnen bei vielen jungen Menschen nicht ausreichend ausgeprägt sind, trotz Schulbesuch. Oft liegen diesen Defiziten Teilleistungsstörungen zugrunde. Im schulischen Alltag ist es für Lehrkräfte jedoch aufgrund der personellen Gegebenheiten kaum möglich, diesen Kindern und Jugendlichen individuell gerecht zu werden. Modellprojekte zeigen, dass die Einbindung von Lerntherapie in das Schulsystem positive Effekte hat. Dennoch findet diese therapeutische Unterstützung derzeit vorwiegend außerhalb der Schule statt.

 

Hinweise auf LRS frühzeitig deuten

 

Umso wichtiger ist es, dass Lehrkräfte die Merkmale einer Lese-Rechtschreib-Störung (LRS) kennen und typische Anzeichen richtig deuten können. Je früher eine Verdachtsdiagnose gestellt wird, desto schneller kann ein Kind die geeignete Förderung erhalten. Zudem bietet ein grundlegendes Wissen über LRS die Möglichkeit, gezielte Übungen in den Unterricht zu integrieren, um betroffene Schüler*innen zu unterstützen.

Eine Lese-Rechtschreib-Störung, oft auch als Legasthenie bezeichnet, betrifft viele Kinder und Jugendliche und äußert sich in erheblichen Schwierigkeiten beim Erlernen des Lesens und Schreibens. Diese Fähigkeiten sind jedoch grundlegend für den schulischen und späteren beruflichen Erfolg. Für Kinder ist das Erlernen von Lesen und Schreiben ein komplexer Prozess des »Entschlüsselns« eines neuen, anfangs rätselhaften Codes aus Buchstaben und Symbolen. Kinder mit einer LRS haben jedoch erhebliche Schwierigkeiten, diesen Code in der gewohnten Weise zu erfassen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert LRS als eine spezifische Lernstörung, die nicht auf mangelnde Beschulung, geringere Intelligenz oder neurologische Beeinträchtigungen zurückzuführen ist.

 

Phänomene erkennen

 

Typische Anzeichen für eine LRS beim Lesen sind unter anderem ein stockendes und lautierendes Lesen, bei dem Kinder oft hängen bleiben, Buchstaben wiederholen oder die Zeile verlieren. Häufig werden Wörter falsch gelesen oder geraten, da das Lesen für die Betroffenen sehr mühsam ist. Das Lesen erfolgt meist langsam, wodurch das Leseverständnis leidet. Auch beim Schreiben gibt es deutliche Hinweise auf eine LRS. Viele Kinder vertauschen oder lassen Buchstaben aus, insbesondere wenn es sich um optisch ähnliche Buchstaben wie »b« und »d« handelt. Die Rechtschreibung ist oft fehlerhaft, unregelmäßig und inkonsistent. Selbst beim Abschreiben von Texten treten zahlreiche Fehler auf.

Neben diesen direkten Symptomen gibt es auch indirekte Anzeichen, die auf eine LRS hindeuten können. Dazu gehören Schulangst, Vermeidungsverhalten oder psychosomatische Beschwerden wie Kopf- und Bauchschmerzen. Manche Kinder entwickeln zudem Kompensationsstrategien, beispielsweise das Auswendiglernen von Texten, um Misserfolge zu kaschieren. Eine frühzeitige Erkennung und gezielte Unterstützung sind essenziell, um den betroffenen Kindern langfristig zu helfen.

 

Gezielte Unterstützung ermöglichen

 

Für Fachkräfte in Schulen bedeutet dies, dass bereits das Wahrnehmen der Problematik ein entscheidender Schritt ist. Ein Gespräch mit den Eltern über die Möglichkeit einer LRS-Testung, etwa durch eine*n Kinder- und Jugendpsychotherapeut*in, bildet die Grundlage für eine gezielte Förderung. Diese kann in Form von Nachhilfe oder einer spezialisierten Lerntherapie erfolgen. Liegt eine diagnostizierte LRS vor, sollte zeitnah ein geeigneter Nachteilsausgleich mit den Eltern und dem Kind besprochen und gewährt werden.

Falls Eltern oder Lehrkräfte den Verdacht auf eine LRS haben, kann ein erster Selbsttest von zu Hause aus eine Orientierung geben. Während Nachhilfe darauf abzielt, schulische Lücken zu schließen und den aktuellen Schulstoff zu festigen, verfolgt die Lerntherapie einen tiefergehenden Ansatz. Lerntherapeut*innen arbeiten gezielt mit Kindern, die nicht nur Schwierigkeiten im aktuellen Schulstoff haben, sondern grundlegende Defizite in Bereichen wie Lesen, Schreiben oder Rechnen aufweisen. Ihr Ziel ist es, die betroffenen Kinder ganzheitlich zu fördern und ihnen Strategien an die Hand zu geben, um ihre individuellen Lernhürden zu überwinden.

 

»b« oder »d«?

Bei Buchstaben, die beim Schreiben häufig verwechselt werden, ist es hilfreich, sich zunächst einen der beiden Buchstaben als »Lieblingsbuchstaben« auszusuchen. Sucht Wörter, in denen er möglichst oft vorkommt, findet alle Lieblingsbuchstaben in einer Geschichte, zeichnet ihn, knetet ihn … So lässt sich dieser Buchstabe für das Kind leichter von seinem »Bruder« unterscheiden.

 

Lesegitter

Eine Übung zum sinnentnehmenden Lesen: Das Kind bekommt ein Leserätsel und soll die entsprechenden Texte ganz genau lesen und inhaltlich erfassen, um herauszufinden, wo zum Beispiel die Tiere oder Objekte (um die es in den Texten geht) auf einer Art Spielfeld (das eigentliche Lesegitter) hingehören. Dort werden sie dann in der richtigen Reihenfolge oder Anordnung abgelegt, bis sich das Spielfeld ganz gefüllt hat.

 

Texte visualisieren

Beim Überfliegen von Texten wird bei dieser Übung auf Schlüsselworte geachtet. Anschließend wird überlegt, ob es sich um einen Ablauf-Text handelt, oder um eine andere Textart. Passende Visualisierungen, die bereits vorliegen, werden nun mit den Schlüsselworten entsprechend verbunden und visualisiert. Die Visualisierungen sind eine tolle LRS-Übung und für Kinder mit Sprech- und Sprachproblemen oft ein guter Weg, um Textinhalte buchstäblich zu »sehen«. Reihenfolge oder Anordnung abgelegt, bis sich das Spielfeld ganz gefüllt hat.

 

Silben Stadt-Land-Fluss

Wörter in Silben teilen zu können, bildet eine wichtige Grundlage für das Erlernen von Rechtschreibstrategien und ist auch beim Lesen hilfreich. Bei dieser Übung sucht ihr zu einem festgelegten Anfangsbuchstaben ein Wort mit einer Silbe, ein Wort mit zwei Silben, ein Wort mit drei Silben. Für Fortgeschrittene ist auch das Wortstamm Stadt-Land Fluss eine Idee: Zu einem vorgegebenen Wortstamm müssen ein Nomen, ein Verb und ein Adjektiv gefunden werden. Zum Beispiel Wortstamm -fahr-: die Fahrt, fahren, befahrbar etc.

 

Auf dieser Webseite findet ihr weitere Übungen, Blogbeiträge und Tests zum Thema LRS: www.worthelden.de