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Schwerpunkt „Deine Arbeitszeit ist messbar“

Zeit für Veränderung

Die Berliner Senatsbildungsverwaltung muss ihrer Fürsorgepflicht nachkommen und Lehrkräfte entlasten, damit Schule ihren Bildungsauftrag auch angemessen erfüllen kann.

FOTO: BETSI SCHUMACHER, VERFREMDUNG BLEIFREI

Die Belastungen an Berliner Schulen steigen seit Jahren kontinuierlich und Lehrkräfte arbeiten oft weit über die vertraglich vereinbarten Stunden hinaus. Die aktuelle Arbeitszeitstudie der Universität Göttingen belegt dies eindrucksvoll. Die Studie zeigt deutlich die Herausforderungen, aber auch Lösungswege auf. Die tatsächliche Arbeitszeit von Lehrkräften übersteigt regelmäßig die geltende 40-Stunden-Woche, und in den Schulwochen wird die gesetzliche Höchstgrenze von 48 Stunden immer wieder überschritten. Das hat gravierende Folgen für die Arbeitsbedingungen, aber auch die Arbeitsqualität, und massive Auswirkungen auf die Gesundheit der Beschäftigten. Hier besteht ein dringender Handlungsbedarf, denn diese Überlastung treibt Kolleg*innen in Teilzeit, in die berufliche Neuorientierung oder in den Burnout. 

Die GEW BERLIN hat auf ihrer Landesdelegiertenversammlung einstimmig beschlossen, die Senatsbildungsverwaltung aufzufordern, mit uns »in Verhandlungen über verbindliche Regelungen zur Einführung eines objektiven, verlässlichen und zugänglichen elektronischen Systems zur Arbeitszeiterfassung von Berliner Lehrkräften einzutreten« und somit geltende Rechtsprechung umzusetzen.

 

Dauerhafte Überlastung macht langfristig krank

 

Die Belastungsbefragungen der Berliner Lehrkräfte haben eindrücklich nachgewiesen: Dauerhafte Überlastung führt zu Erschöpfung, innerer Kündigung – und letztlich zu langfristigen Ausfällen. In einer Zeit, in der das Bildungssystem ohnehin unter Personalmangel leidet, ist Prävention der einzig gangbare Weg. Eine transparente Arbeitszeiterfassung ist daher auch ein Instrument zur langfristigen Sicherung der Arbeitsfähigkeit und zur Erhöhung der Berufszufriedenheit. Letztlich trägt sie auch dazu bei, den Bildungserfolg der Berliner Schule zu fördern.

In den vergangenen Jahren haben die Anforderungen an das pädagogische Personal erheblich zugenommen: Differenzierung im Unterricht, Inklusion, Integration geflüchteter Kinder, Digitalisierung, Elterngespräche, Leistungsdokumentation, interne Schulentwicklung, externe Evaluation – all das erfordert Zeit. 

Der Stundenplan erfasst nur einen Teil der Aufgaben, die Lehrkräfte erfüllen müssen. Vieles wird nebenbei, in unbezahlten und oft nicht dokumentierten Zeiten, geleistet. Die Deputatsstunden sind das Maß für die Arbeitszeit einer Lehrkraft. Diese Deputatsstunden sind mit den in Berlin geltenden Unterrichtsverpflichtungen und den zusätzlichen Anforderungen und Aufgaben, die heute in den Schulen erledigt werden müssen, nicht mehr in der real geschuldeten Arbeitszeit von 40 Stunden in der Woche zu schaffen.

Die Arbeitszeitstudie macht deutlich: Die tatsächliche Arbeitszeit ist nicht nur höher, sie ist auch ungleich verteilt. Gleichzeitig ist sie ein Plädoyer: Gute Schule braucht Zeit – und ausreichend Personal.

Trotz steigender Anforderungen bleibt die Personalausstattung vieler Schulen deutlich hinter dem Bedarf zurück. Der Fachkräftemangel trifft dabei alle Berufsgruppen: Lehrkräfte, Erzieher*innen, Schulsozialarbeiter*innen, Sonderpädagog*innen, Psycholog*innen. 

Gleichzeitig wird durch neue Festlegungen in den Zumessungsrichtlinien für die Schuljahre 2025/26 und 2026/27, die unter anderem Stellenkürzungen und -umwandlungen vorsehen, die Situation an den Berliner Schulen verschärft. Zunächst einmal wird die Ausstattung mit Lehrkräften nicht mehr mit 100 Prozent, sondern nur noch mit 97 Prozent angesetzt. Außerdem sollen drei Prozent der Lehrkräftestellen mit anderen Professionen, wie Sozialarbeiter*innen oder Erzieher*innen, besetzt werden, angeblich um »multiprofessionelle Kollegien« zu schaffen. 

Diese Streichungen und Stellenumwandelungen verschärfen und erschweren die Arbeitsbedingungen gravierend und sind kontraproduktiv. Entlastung soll durch Reduzierung von Lehrkräftestellen generiert werden. Das ist ein Hohn und ein Schlag ins Gesicht der Beschäftigten. 

Die strukturelle Überforderung an Schulen darf nicht länger ignoriert werden. Wenn Schulen weiterhin als Orte individueller Förderung und sozialer Integration verstanden werden sollen, muss auch die personelle Ausstattung dieser Rolle gerecht werden. Es darf nicht sein, dass Lehrkräfte auf Kosten ihrer Gesundheit über Jahre hinweg strukturelle Defizite mit persönlichem Einsatz kompensieren müssen.

 

Anforderungen steigen, Personalausstattung sinkt

 

Gute Bildung und wirksame Unterstützung für alle Schüler*innen sind nur möglich, wenn Schulen als Orte multiprofessioneller Zusammenarbeit gestärkt werden. Dazu braucht es zusätzliche Stellen – nicht irgendwann, sondern jetzt. Schulsozialarbeit, psychologische Beratung, Sprachförderung, Schulassistenz – all diese Aufgaben müssen dauerhaft und verbindlich mit entsprechenden Fachkräften besetzt werden. Nur so können Lehrkräfte entlastet und Schüler*innen bestmöglich gefördert werden.

Arbeitszeiterfassung ist ein Schlüssel zu fairen, gesunden und zukunftsfähigen Schulen. Wenn wir die Realität des Schulalltags ernst nehmen, müssen wir die tatsächlichen Arbeitszeiten transparent machen, gesundheitliche Risiken reduzieren und Strukturen so gestalten, dass pädagogische Qualität möglich bleibt. Die GEW BERLIN fordert daher eine flächendeckende Einführung eines verlässlichen Systems zur Arbeitszeiterfassung für alle pädagogischen Berufsgruppen. 

Um Belastungen in Schulen wirksam zu reduzieren, müssen diese personell ausgebaut werden und es muss eine dauerhafte Finanzierung und institutionelle Verankerung multiprofessioneller Teams an allen Schulformen erfolgen. Die Senatsbildungsverwaltung trägt die Verantwortung, einen gesetzlichen Rahmen zu schaffen, der auch im Bildungsbereich die Einhaltung der Arbeitszeitrichtlinien und die Vorgaben des Arbeitsschutzgesetzes für alle Beschäftigten gewährleistet.

 

Aktuelle Zustände gefährden Bildungsgerechtigkeit

 

Nur wenn die Realität der schulischen Arbeit abgebildet wird, können politische Entscheidungen getroffen werden, die die Arbeitsbedingungen tatsächlich verbessern – zum Wohle der Beschäftigten und der Schüler*innen. Nur so kann die Schule ihren Bildungsauftrag erfüllen und Bildungsungerechtigkeit abgebaut werden.

Entlastungen im Schulalltag sind dringend notwendig für alle Beschäftigten, egal welchen Status oder welcher Profession, ob als Beamt*innen oder als Tarifbeschäftigte. Tritt trotzdem Mehrarbeit auf, muss diese zeitnah durch Freizeitausgleich ausgeglichen oder im Einzelfall finanziell abgegolten werden. Die jetzigen Zustände mit überfrequenten Klassen und mit überbelegten Schulen sind für alle Beschäftigten und Lernenden gesundheitsgefährdend. Der zusätzliche Abbau von Unterstützungsstrukturen außerhalb der Schulen durch die Kürzungen im Berliner Haushalt verschärft die Situation.

Gute Arbeitsbedingungen und gute Bildung sind eine unerlässliche Investition in die Zukunft dieser Stadt, dafür steht die GEW BERLIN, dafür kämpfen wir solidarisch mit allen Beschäftigten, Eltern und Schüler*innen.