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Gewerkschaft

Zum Tode von Ulrich J. Kledzik

Der »Vater der Arbeitslehre« und Kämpfer für eine gemeinsame Schule für alle ist Anfang dieses Jahres gestorben. Ein Nachruf auf einen Verfechter von mehr Bildungsgerechtigkeit.

Foto: Ulrich Horb

Viele ältere GEW-Kolleg*innen kennen Ulrich J. Kledzik – entweder aus langer Zusammenarbeit oder auch heftiger Auseinandersetzung, denn seine Arbeit war eng mit der Geschichte der Berliner Bildungspolitik verbunden. Am 25. Januar 2021 ist der Leitende Oberschulrat im Ruhestand im Alter von 93 Jahren verstorben.

Kledzik hat an der Pädagogischen Hochschule Berlin auf Lehramt und danach in den USA studiert. Er war zunächst Lehrkraft und dann Schulleiter an der Ernst--Reuter-Schule im Wedding, kannte sich aber durch sein Studium in den USA auch mit einem anderen Schulsystem aus.1963 wurde er dann vom damaligen Schulsenator Carl-Heinz Evers zum Schulrat für die Westberliner Hauptschulen ernannt.

Kledzik strebte eine Schule an, in der die Integration von beruflicher und allgemeiner Bildung einen hohen Stellenwert hat. Er setzte die Empfehlungen des Deutschen Ausschuss zur Einführung eines Faches Arbeitslehre an der Berliner Schule um und war schließlich jahrelang Vorsitzender der Arbeitslehre-Kommission bei der Kultusminister*innenkonferenz. Noch im Ruhestand engagierte er sich für die Fortführung und Ausweitung seines Faches.

Weg vom dreigliedrigen Schulsystem

Er gehörte außerdem in diesen Jahren zu der kleinen Gruppe von Mitarbeiter*innen des damaligen Schulsenators Evers, die das Schulsystem umgestalten wollten: weg von der ständisch-vordemokratischen Dreigliedrigkeit und hin zu einer gemeinsamen Schule für alle. Der Begriff dafür war Gesamtschule. 1968 wurden die ersten vier gegründet. In dieser Zeit verabschiedeten sich die meisten europäischen Staaten vom gegliederten System. Diskutiert wurde noch über das Wie, und Kledzik nahm durch seine Kontakte nach England daran Anteil. In der Bundesrepublik Deutschland und Westberlin brauchte man damals noch Mut für diese schulpolitische Position, denn man riskierte den Kommentar »Geh doch nach drüben!« – und das war meist das Ende der Debatte. Ulrich J. Kledzik hatte den Mut.

Leider hat er aber zusammen mit allen, die sich wie er für »eine Schule für alle« eingesetzt haben, letztlich schulpolitisch verloren: Die Dreigliedrigkeit ist lediglich durch eine Zweigliedrigkeit ersetzt worden. Die von ihm eingeführte Arbeitslehre wurde inzwischen auf ein Minimum reduziert; von der Integration von beruflicher und allgemeiner Bildung ist nichts mehr übrig.

Nach Einführung der Integrierten Sekundarschule durch den damaligen Schulsenator Jürgen Zöllner bietet die Stundentafel die Möglichkeit, Arbeitslehre (inzwischen in WAT umbenannt) in der 10. Jahrgangsstufe ganz zu streichen und im 9. Jahrgang auf eine Wochenstunde zu reduzieren.

Keine Chance für die Chancengleichheit

Diese schulpolitische Niederlage nahm ihren Anfang 1970, als die SPD im Zuge ihrer internen Intrigen Schulsenator Evers zum Rücktritt zwang. Damit begann der langsame Abschied der SPD vom Ziel einer demokratischen, auf Chancengleichheit ausgerichteten Schulpolitik. Kledzik konnte die Gesamtschule zwar institutionell verteidigen, indem er sie rechtlich lückenlos in das bestehende System integrierte. Eigentlich sollte die Gesamtschule aber eine pädagogische Alternative zum überkommenen Schulsystem darstellen, was die erfolgreichen Gesamtschulen mit ihrer Schulentwicklung zum Teil auch wirklich wurden.

Das führte zu einem Spannungsverhältnis zwischen dem Verwaltungshandeln Kledziks und den Akteur*innen vor Ort, die eigentlich seine Verbündeten hätten sein müssen.

Immerhin hat er es geschafft, die Gesamtschulen – und auch die Arbeitslehre – über die schulpolitisch reaktionäre Amtszeit der CDU-Senatorin Laurien zu retten.

Man hat Kledzik während seiner Dienstzeit oft autoritäres Verwaltungshandeln vorgeworfen, und dies sicher zu Recht. Aber zugleich ist er doch seinen übergeordneten Zielen, eine demokratische Schule für alle anzustreben, treu geblieben und hat sich auch im Ruhestand dafür stark gemacht. Damit bleibt er uns verbunden.     

Hinweis: Unser Kollege Manfred Triebe hat ebenfalls einen Nachruf auf Ulrich J. Kledzik verfasst und seine ganz persönlichen Erinnerungen aufgeschrieben. Der Nachruf ist hier: Nachruf von Manfred Triebe

Kontakt
Markus Hanisch
Geschäftsführer und Pressesprecher
Telefon:  030 / 219993-46