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Schwerpunkt „Risse in der Hochschulfassade“

Zusammen sind wir weniger allein

Gleichstellungsbeauftragte in der Wissenschaft sind häufig Einzelkämpferinnen. Durch ein Gleichstellungskollektiv lässt sich die Arbeit besser verteilen und auch die Durchsetzungsfähigkeit nimmt zu.

Foto: Bertolt Prächt

In den Jahren 2017 bis 2021 war ich Gleichstellungsbeauftragte am Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung in Potsdam. Dass diese Aufgabe komplex und schwierig sein wird, haben mir meine Vorgängerinnen vermittelt. Zudem hatte ich vom rechtlichen Rahmen des Amtes zunächst wenig Ahnung. 

Das Thema Gleichstellung wurde im Institut lange Zeit sträflich vernachlässigt. Erst zwanzig Jahre nach Gründung des Instituts im Jahr 1992, gab es erstmals eine unbefristet angestellte weibliche Person auf der Ebene der Abteilungsleitung. Bis heute gibt es keine Frau auf der obersten Führungsebene.

 

Großes Desinteresse bei der Leitung

 

Die Gleichstellungsarbeit erschien zudem lediglich als eine Art Rechenproblem: Wenn irgendwann genügend Frauen in entsprechenden Positionen säßen, würde sich das Problem von allein erledigen, so die Annahme. Der Umgangston der Leitungsebene gegenüber der Gleichstellungsbeauftragten war problematisch, das Desinteresse an einer aktiven Gleichstellungsarbeit dagegen relativ groß. Eine Kommunikation auf Augenhöhe fand nicht statt. Gleichstellungsarbeit wurde von der Leitungsebene vor allem als Problem wahrgenommen. Unter diesen Bedingungen konnte und wollte ich die Gleichstellungsarbeit nicht fortführen und trat nach drei Jahren vom Amt zurück. 

In meiner Amtszeit wurde deutlich, dass die Gleichstellungsarbeit bei einer Belegschaft von circa 150 Mitarbeiter*innen einfach zu aufwendig ist. Die Frauen am Institut hatten nun die Idee, ein Gleichstellungskollektiv von drei bis fünf Frauen zu gründen, statt die Aufgabe wie bisher einer »Einzelkämpferin« zu überlassen. 

In der Frauenversammlung stieß diese Idee zunächst auf ein sehr geteiltes Echo. Nach einer kurzen Bedenkzeit war die Stimmverteilung zugunsten des Kollektivs jedoch eindeutig. Seit mehr als zwei Jahren existiert das Kollektiv nun mit jeweils vier Kolleginnen und einer rotierenden Sprecherin. 

Das Modell hat sich bewährt. Die Mitglieder des Kollektivs rekrutieren sich aus unterschiedlichen Statusgruppen und Abteilungen des Instituts. Derart unterschiedliche Perspektiven dienen nicht zuletzt der Vernetzung und der Zusammenarbeit unter den Abteilungen. 

Die Mitarbeitenden akzeptieren das Kollektiv, die Rotation der Sprecherin trägt zur weiteren Verbesserung der Kommunikation bei. Auch unsere Argumentationskraft scheint sich vervierfacht zu haben: So haben wir mittlerweile einen ständigen Sitz in der Institutsleitung, im Kuratorium, im Beirat und ein Stimmrecht in Bewerbungsverfahren. Der zeitliche Aufwand unserer Arbeit wird kompensiert, was vor allem für die befristeten Mitarbeiterinnen innerhalb des Kollektivs von Bedeutung ist. Der nicht unerhebliche Zeitaufwand, den die Gleichstellungsarbeit erfordert, aber auch der psychische Druck lasten nun auf mehreren Schultern. Wir diskutieren Unsicherheiten so lange, bis wir eine für alle tragbare Lösung gefunden haben. Ich kann diese Form der Gleichstellungsarbeit allen Institutionen empfehlen.

 

KASTEN:

Im Einsatz für Gleichstellung

In den Dienststellen des Berliner Landesdienstes werden nach Paragraf 16 des Landesgleichstellungsgesetzes Frauenvertreterinnen und deren Stellvertreterinnen gewählt. Die nächste Wahl findet im November 2024 statt. Von dieser Regelung ausgenommen sind die Hochschulen. Dort wird nach Paragraf 59 des Berliner Hochschulgesetzes eine hauptamtliche Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte pro Hochschule bestellt. Gewählt wird diese zuvor durch alle weiblichen Mitglieder der Hochschule. Auf Fachbereichsebene werden nebenberufliche Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte gewählt und erhalten zur Wahrung ihrer Aufgabe eine Freistellung von mindestens 25 Prozent einer Vollzeitstelle. Diese Regelung gilt allerdings nur für öffentliche Hochschulen. Außeruniversitäre Forschungseinrichtungen regeln die Bestellung von Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten auf Grundlage ihrer Geschäftsordnung oder Vereinssatzung.

Kontakt
Markus Hanisch
Geschäftsführer und Pressesprecher
Privat:  030 / 219993-46