Gewerkschaft
Zusammenschluss in der Wendezeit
Nach dem Mauerfall gingen die Gewerkschaft Unterricht und Erziehung der DDR und die Westberliner GEW aufeinander zu. Eine Fortsetzung des Artikels aus der bbz 5/6 2024.
Der Hauptausschuss der GEW Bund hatte auf seiner Sitzung im Februar 1990 beschlossen, eine Initiative zu gründen, deren Ziel es war, Bildungsinitiativen aus Ostdeutschland, der GUE, der GEW, der Gewerkschaft Wissenschaft und dem Neuen Forum die Möglichkeit des Austausches und der Abstimmung über Organisations- und Bildungsfragen zu geben.
Dieses Vorhaben scheiterte, weil die Vorstellungen der Umsetzung einer demokratischen Bildungsreform sehr unterschiedlich waren. Außerdem gab es Spannungen zwischen der GUE und der GEW über die Frage, wie eine demokratische Gewerkschaft im Bildungswesen in der DDR aussehen könnte.
Achim Albrecht, stellvertretender Vorsitzender der GEW, hat auf dem Kongress der GUE am 24. Februar 1990 eine Rede gehalten, die sich auf die notwendige Zusammenarbeit der GUE mit den unabhängigen Initiativen und der Gründung einer einheitlichen, unabhängigen gewerkschaftlichen Interessenvertretung in der DDR bezog. Die GUE wollte mit der GEW eine Einheitsgewerkschaft im Bildungsbereich gründen. Die GEW wollte in der DDR neben der GUE eigene Strukturen aufbauen und abwarten, wie sich der Demokratisierungsprozess entwickelte. In Berlin hatte sich eine GEW Berlin Ost im April 1990 in Pankow gegründet und die wenigen Mitglieder waren über eine assoziierte Mitgliedschaft mit der GEW Berlin West verbunden. Zu den neuen demokratisch gewählten Vorsitzenden der GUE in den Stadtbezirken Ostberlins gab es von Seiten der GEW BERLIN keine Kontakte.
Die GUE hatte zu diesem Zeitpunkt noch circa 500.000 Mitglieder nach dem Prinzip »Ein Betrieb – eine Gewerkschaft« und für uns standen die Sicherung der Arbeitsplätze, die soziale und materielle Absicherung im Vordergrund sowie die bildungspolitische Diskussion über die Umgestaltung des Bildungssystems von Kita und Schule. Die Pflichtstundenzahl in der DDR lag in der Regel bei 21 bis 23 Unterrichtsstunden.
Arbeitskampfmaßnahmen und Regionalwahlen in Ostberlin
Im Mai 1990 fand der erste Warnstreik im Bildungsbereich in Ostdeutschland statt. Im Vordergrund stand eine Sozialschutzvereinbarung, die Angleichung der Gehälter an die Lebenskosten und die Westmark sowie die Mitsprache in den bildungspolitischen Entwicklungen. In Berlin fand die Abschlusskundgebung vor dem Ministerium für Bildung und Wissenschaft statt. Ich war in der Vorbereitung und Durchführung beteiligt und das war natürlich etwas anderes als eine 1. Mai Kundgebung in der DDR. Die GEW Berlin Ost hatte nicht zum Warnstreik aufgerufen und das Verhältnis zwischen uns als demokratisch neugewählten Vorsitzenden der Betriebsgewerkschaftsleitung (BGL) der Ostberliner Stadtbezirke zur GEW Berlin Ost war gespannt. Die Vorsitzende Petra Burkert behauptete, dass wir angeblich alte Funktionäre seien und uns gegen die Interessen der Kolleg*innen gestellt hätten.
Das Gegenteil war der Fall. Die Stasi ermittelte gegen mich, weil ich mich als Vorsitzender der Schulgewerkschaftsleitung vor die Kolleg*innen gestellt habe. Wir, die BGL-Vorsitzenden der GUE vermuteten, wahrscheinlich zu Unrecht, bei den Gründern der GEW Ost ehemalige SED-Mitglieder, die nach der Wende schnell ausgetreten waren und dann ihre Fahne in den Wind gehängt hatten.
Bis zu den Wahlen zu den Bezirksverordnetenversammlungen in Berlin Ost 1990 war in der Abteilung Volksbildung in den Bezirken noch der überwiegende Teil der ehemaligen Leitungskräfte tätig. Die neugewählten Stadträte für Bildung standen vor schwierigen Aufgaben der Umgestaltung.
In den Schulen hatten sich seit der Wende die meisten Direktoren einer Vertrauensabstimmung durch die Belegschaft gestellt. Der Rest wurde bis Juli 1990 durch die Schulverwaltung neu besetzt.
Die Betriebsgewerkschaftsleitung der GUE hatte eigentlich keine direkte Möglichkeit, die Interessen der Beschäftigten aktiv zu vertreten. Die Personalratswahlen fanden aber erst im November 1990 statt. Da auch der Stadtrat sowie die Schulräte neu waren und unser Ansatz war, die Bildung in Berlin zu reformieren, arbeiteten wir bis zu den Personalratswahlen in dieser Konstellation konstruktiv und engagiert zusammen.
Das Ende der GUE in Ostberlin
Seit Ende Mai gab es Überlegungen der elf BGL-Vorsitzenden der GUE in den Ostberliner Bezirken, wie es weiter gehen sollte. Wir waren alle ehrenamtlich tätig und verfolgten die Politik des GUE-Zentralvorstandes kritisch, insbesondere den Umgang mit den Beitragsmitteln, die Haltung zu Streiks und Personalräten in Ostberlin. Wir beschlossen, die Mitgliedsbeiträge ab Juni 1990 nicht mehr an den Zentralvorstand weiterzuleiten und Gespräche mit der GEW BERLIN zu führen. Wir trafen uns Anfang Juni im Haus des Lehrers, die BGL-Vorsitzenden von Treptow, Mitte, Marzahn und Weißensee und vier Mitglieder des GLV der GEW. Der erste Eindruck fühlte sich wie eine »feindliche Übernahme« an. Dieses Gefühl legte sich aber nach weiteren Treffen und wir entschlossen uns, in Mitgliederversammlungen der Oststadtbezirke über die Auflösung der GUE in Berlin und einen Beitritt der GUE-Mitglieder in die GEW zu diskutieren. In allen Mitgliederversammlungen wurde der Beitritt in die GEW BERLIN mit einer großen Mehrheit beschlossen. Mehrere Gründe sprachen für den Beitritt in die GEW BERLIN, insbesondere, dass die Mitglieder des Geschäftsführenden Landesvorstands als kompetente und überzeugte Gewerkschafter*innen neben ihrer Tätigkeit in Schulen oder Personalräten agierten. Das Prinzip der Ehrenamtlichkeit der gewerkschaftlichen Funktionsträger*innen, die Unabhängigkeit gegenüber politischen Parteien und die starke bildungspolitische Kompetenz waren nicht nur für mich ausschlaggebend, in die GEW einzutreten. Gleichzeitig haben die Mitgliederversammlungen Beschlüsse zur Abwicklung der GUE und zur Verwendung der Finanzen gefasst. In Mitte haben wir das Geld auf die Schulen und Kitas verteilt und die Mitglieder konnten über die Verwendung entscheiden. Den Rest bekam die Bezirksleitung Mitte als Startkapital.
Der Neuanfang mit der GEW
Wir haben gemeinsam mit der GEW BERLIN die dringenden schon geschilderten Probleme weiterbearbeitet und nach dem Beitritt von tausenden GUE-Mitgliedern auch im Landesvorstand entsprechende Möglichkeiten zur Einflussnahme gehabt. Im September 1990 haben die GUE Ostberlin und die GEW BERLIN die erste und letzte gemeinsame Demonstration mit einer überwältigenden Teilnahme der Kolleg*innen aus Schulen und Kindergärten um 17 Uhr vor dem Roten Rathaus organisiert.
Wie schon beschrieben, gab es in den Kollegien natürlich Überlegungen, wie man das Schulsystem der DDR umgestalten sollte, welche Schwerpunktsetzungen und Spezialisierungen möglich seien. Die große Mehrheit war für eine Modifizierung, aber den Erhalt der gemeinsamen Schule von Klasse 1 bis 8/10. Jede ausländische Delegation, von denen es viele in der Nachwendezeit gab, ermutigte uns, dieses Schulsystem beizubehalten. Dann das große Entsetzen, Sibylle Volkholz, Senatorin für Bildung von 1989 bis 1990 setzte am Schluss ihrer Amtszeit durch, dass das Bildungssystem Westberlins dem Ostteil übergestülpt wird. Das bedeutete, dass alle Schulen aufgelöst, die Kollegien verteilt, die Schüler*innen zum Teil ebenfalls, auch das Mobiliar von Schule zu Schule umzog und neue Schulleitungen eingesetzt wurden. Wir empfanden dies als Siegermentalität. Viele Eltern meldeten ihre Kinder in Westberlin an den Gymnasien an. Die Politik zeigte keine klaren Entwicklungsstrategien für die Schulen im Osten auf. Es sollen Runde Tische Bildung und ähnliches stattgefunden haben, aber ohne die Lehrkräfte einzubeziehen. Der Wermutstropfen bleibt und die Erfolgsgeschichte der Gemeinschaftsschulen zeigt, dass es vielleicht anders gegangen wäre.
Der Prozess des Zusammenwachsens von Ost- und Westberliner Pädagog*innen in der GEW BERLIN fand so nur in Berlin statt. Die Besetzung der Mandate und Funktionen in der GEW wurde paritätisch geregelt. Die Mitgliedschaft näherte sich auch durch die Durchmischung an. An dem Prozess der Entwicklung der GUE, der GEW Ost und der GEW BERLIN haben viele mitgewirkt und das Ergebnis konnte sich sehen lassen. Ich kann zum Verständnis dieser Zeit nur empfehlen, die blz Jahrgang 1990 und vor allem die Ausgabe 4/5 1990 zu lesen.