Hochschule
Zwischen Büchern und Burnout
Etwa jede*r sechste Studierende leidet an psychischen Erkrankungen. Insbesondere in Studiengängen wie Jura und Psychologie sind die Belastungen enorm.
Für Psychologie-Studierende sind exzellente Noten essentiell, um sich einen der begehrten Plätze im Masterstudium zu sichern. Das bedeutet einen erheblichen Druck während des Bachelorstudiums. Doch nach dem Mastereintritt wird es nicht leichter, denn oft ist dies der letzte Schritt vor dem Berufseinstieg. Studierende der Klinischen Psychologie müssen nach dem Bestehen der Approbationsprüfung eine fünfjährige Weiterbildung absolvieren. Hier werden sie erneut von verschiedenen psychiatrischen Kliniken und Ausbildungsinstituten geprüft, die großen Wert auf die Abschlussnote des Masterstudiums legen.
Ähnlich verläuft das Jura-Studium, wo der Weg zum Erfolg von den wenigen Prüfungen des allseits gefürchteten Staatsexamens abhängt. Es gleicht einem Glücksspiel, denn die im Studium erbrachten Leistungen sind für den Abschluss irrelevant. Scheinbar entscheidet nur der gute Tag der Korrektor*innen. Die Statistiken über Abbruchraten und der Zusammenhang zwischen dem Studium und Gesundheitsproblemen bestätigen die pessimistischen Stimmen über den Jura-Elitismus. Verstärkt wird die Problematik durch einen Mangel an akademischer Wertschätzung. Zwar können Familienunterstützung und Netzwerke helfen, aber oft wird das Suchen nach Hilfe als persönliche Niederlage empfunden. Lehrende vermitteln ihrerseits, dass Studierende sich dem überwältigenden Stoff und dem undurchsichtigen Notensystem stellen sollen.
Verglichen mit ähnlich kompetitiven Studiengängen wie Medizin und Chemie sind die Leistungsbewertungen und Karrierewege in Jura und Psychologie anders strukturiert. Medizin- und Chemiestudierende durchlaufen regelmäßige Prüfungen, was den Druck gleichmäßiger verteilt. In der Chemie ermöglichen praktische Anwendungen Entlastung. Obwohl gemeinsame Probleme bestehen, mindert ein strukturierter Übergang ins Berufsleben den Druck. In Jura und Psychologie hingegen hängt alles einzig und allein von wenigen Prüfungen ab, die über mögliche Karrierechancen entscheiden und einen intensiveren Konkurrenzkampf mit sich bringen. Prüfungsvorbereitungen erfordern monatelanges Lernen und den Verzicht auf Freizeit. Besonders belastend ist dies für Studierende, die nebenbei arbeiten müssen, um ihr Studium innerhalb der Regelstudienzeit zu finanzieren.
Reform der Studienbedingungen notwendig
Fächerübergreifend belegen Untersuchungen, dass diese Belastungen einen signifikanten Einfluss auf die psychische Gesundheit haben. Solchermaßen belastete Studierende haben im Vergleich zur Gesamtbevölkerung ein doppelt so hohes Risiko, an Depressionen und Angststörungen, emotionaler Erschöpfung sowie stressbedingten Erkrankungen zu leiden. Unerlässlich ist es daher, dass die systemischen Bedingungen dieser Studiengänge reformiert werden, um den gesundheitlichen Belastungen entgegenzuwirken. Das Studium sollte als ein Ort des Lernens konzipiert sein, der die persönliche Entwicklung fördert und nicht primär als ein Wettbewerb um Leistung, der durch intensiven Arbeitsaufwand und Einschränkungen der Erholung erkauft werden muss.
Insgesamt zeigt sich, dass die Herausforderungen für Jura- und Psychologiestudierende überwiegend struktureller Natur und nicht vordergründig auf individuelle Schwächen zurückzuführen sind. Daher richtet sich unser Appell an verantwortliche Akteur*innen: Es bedarf eines verstärkten Engagements und langfristiger Reformen sowie psychologischer Unterstützungsangebote. Die Reduktion von Stress während des Studiums ist eine gemeinsame Aufgabe von Universitäten und der Politik. Sicherheitsnetze durch klarer geregelte Zugänge zum Berufsleben oder eine angepasste Notenskala im Jurastudium inklusive einer Verbesserung der Arbeitssituation von Korrektor*innen könnten dazu beitragen.