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Mehrarbeit bei angestellten Lehrkräften

Was ist eigentlich Mehrarbeit von Lehrkräften? Wer darf sie anordnen? Wann darf sie angeordnet werden? Gibt es eine Obergrenze? Wann wird Mehrarbeit bezahlt?

„Der Beamte ist verpflichtet, ohne Vergütung über die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit hinaus Dienst zu tun, wenn zwingende dienstliche Verhältnisse dies erfordern und sich die Mehrarbeit auf Ausnahmefälle beschränkt. Wird er durch eine dienstlich angeordnete oder genehmigte Mehrarbeit mehr als fünf Stunden im Monat über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus beansprucht, so ist ihm innerhalb eines Jahres für die über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus geleistete Mehrarbeit entsprechende Dienstbefreiung zu gewähren.“ (§ 9 Abs. 1 Arbeitszeitverordnung – AZVO). „Bei Mehrarbeit im Schuldienst gelten ... drei Unterrichtsstunden als fünf Stunden“; die zulässige Höchstgrenze liegt bei 24 Unterrichtsstunden im Monat (§ 5 Abs. 2 Verordnung über die Gewährung von Mehrarbeitsvergütung für Beamte – MVergV).
Ein Problem liegt also in der Definition der „zwingenden dienstlichen Verhältnisse“. Dazu hat das Oberverwaltungsgericht Münster bereits in einem Urteil vom 17.1.1997 – 6 A 7153/95 – festgestellt: „Mehrarbeit kann nur angeordnet werden, wenn dies zur Erledigung wichtiger, unaufschiebbarer Aufgaben unvermeidbar notwendig ist und wenn die Umstände, die die Mehrarbeit erfordern, vorübergehender Natur sind und eine Ausnahme gegenüber den sonst üblichen Verhältnissen darstellen. Bildet die Mehrarbeit hingegen die Regel, so liegt eine unzulässige Verlängerung der regelmäßigen Arbeitszeit vor.“ Fällt dagegen Unterricht wegen ungenügender Personalausstattung sowie Fehlens einer Vertretungsreserve – zumindest im Umfang der Durchschnittsfehlzeiten – vorhersehbar aus, liegen also keine zwingenden dienstlichen Verhältnisse vor, welche die Einforderung von Mehrarbeit begründen.
Schulleitungen begründen die Anordnung von Mehrarbeit in der Regel schlicht damit, dass eine Lehrkraft zu drei Stunden unbezahlter Mehrarbeit im Monat verpflichtet sei, ohne die rechtlichen Einschränkungen zu hinterfragen. Ist es die Verkennung dieser rechtlichen Grundlagen, ist es Unkenntnis oder schlechte bzw. falsche Beratung durch die Schulaufsicht? Wenn Schulleitungen so handeln, geben sie damit den aufgebauten Druck von oben nach unten weiter und tragen dazu bei, den eigentlichen Lehrerbedarf zu verschleiern, die Belastung des Kollegiums weiter zu erhöhen und die Motivation gegen Null zu senken. Die Spirale läuft weiter: mehr Belastung, mehr Ausfälle.
Ein weiteres Problem besteht darin, dass Mehrarbeit im Schuldienst (nur) vorliegt, wenn Unterricht über die allgemein festgesetzte Stundenzahl (Pflichtstunden) erteilt wird. (Tz. 1.3.1 Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Verordnung über die Gewährung von Mehrarbeitsentschädigung für Beamte – MArbEVwV). Das führt dazu, dass außerunterrichtliche Belastungen von den Verwaltungen und auch den Verwaltungsgerichten nicht als Mehrarbeit bewertet werden, obwohl die zeitliche Inanspruchnahme der Berliner Lehrkräfte in den letzten Jahren erheblich gestiegen ist. Bei der Anordnung oder Genehmigung von Mehrarbeit ist außerdem zu beachten:

  • Das Prinzip der Freiwilligkeit der Übernahme von Mehrarbeit hat Vorrang vor dem Grundsatz der gleichmäßigen Verteilung zusätzlicher Belastungen. Die individuelle Situation der betroffenen Lehrkraft ist angemessen zu berücksichtigen; eine übergebührliche Inanspruchnahme ist unzulässig.
  • Mehrarbeit darf nicht angeordnet oder angenommen werden von Beamtinnen oder Angestellten während der Schwangerschaft oder Stillzeit (§ 8 MuSchVO, § 4 MuSchG).
  • Bei Lehramtsanwärtern und Studienreferendaren ist die Mehrarbeitsanordnung zu vermeiden (Ausbildungszweck).
  • Schwerbehinderte oder Gleichgestellte sind auf ihr Verlangen von Mehrarbeit freigestellt (§ 207 SGB IX).

Die Regelungen zur Mehrarbeit der verbeamteten Lehrkräfte gelten gemäß § 44 Nr. 2 TV-L grundsätzlich auch für angestellte Lehrkräfte. Auf eine die teilzeitbeschäftigten Lehrkräfte betreffenden Ausnahme von diesem Grundsatz wird im nachfolgenden Abschnitt „Wenn trotz alledem ,Mehrarbeit´ anfällt …“ hingewiesen.

Ganz klar aus dem Schulgesetz zu entnehmen: der/die Schulleiter/-in (§ 69 (6) Nr. 1 Schulgesetz). Diese Aufgabe darf nicht auf Abteilungsleiter/-innen oder stellv. Schulleiter/-innen übertragen werden. Das ergibt sich aus dem Umkehrschluss des letzten Satzes in § 69 Schulgesetz; dort wird nur die Übertragbarkeit einer Aufgabe auf den o. g. Personenkreis geregelt – die Erstellung von dienstlichen Beurteilungen und Berichten über die Bewährung des Personals.
Mehrarbeit muss in jedem Einzelfall schriftlich angeordnet werden. Liegt keine schriftliche Anordnung vor, kann im Streitfall der Anspruch auf Freizeitausgleich oder Mehrarbeitsvergütung nicht durchgesetzt werden.
Unser Rat: Besteht auf schriftlicher individueller Anordnung und führt trotzdem auch noch ein privates „Mehrarbeitskonto“!

Die Dienstvereinbarung, die eine Obergrenze geregelt hat, ist vom ehemaligen Bildungssenator Böger im Schuljahr 2004/05 gekündigt worden. Es gibt nunmehr lediglich eine Obergrenze für die zu bezahlende Mehrarbeit, und diese liegt bei 288 Unterrichtsstunden im Jahr (siehe Rundschreiben über Hinweise zur Vertretungsregelung, IV. Mehrarbeit, 4. Mehrarbeitsvergütung, Buchstabe c)

Wenn Mehrarbeit nicht abgewendet werden bzw. nicht innerhalb eines Jahres durch Freizeit ausgeglichen werden kann, dann sollte wenigstens Bezahlung verlangt werden. Vollzeitbeschäftigte Angestellte und Beamte erhalten ab der 4. Stunde Mehrarbeit im Monat alle Stunden von der 1. Stunde an bezahlt, sofern innerhalb eines Jahres kein Freizeitausgleich gewährt wird. Die Bezahlung erfolgt als Vergütung von Einzelstunden nach dem Rundschreiben für Mehrarbeitsvergütung für Lehrkräfte im Schuldienst.

Teilzeitbeschäftigte Lehrkräfte im Beamtenverhältnis müssen seit August 2013 ebenfalls vergütungsfreie Mehrarbeit leisten, in dem ihrem Beschäftigungsumfang entsprechenden Anteil von 3 Unterrichtsstunden.

Praktisch bedeutet dies, dass verbeamtete Lehrkräfte zunächst wie folgt vergütungsfreie Mehrarbeit zu leisten haben:

 Umfang der vergütungsfrei zu leistenden Mehrarbeit von Teilzeitbeschäftigten

 Beschäftigung an Integrierten Sekundarschulen, an Gymnasien und beruflichen SchulenBeschäftigung an SonderschulenBeschäftigung an Grundschulen zunächst vergütungsfreie Mehrarbeit in Unterrichtsstunde 
 mit Wochenstunden
 9 bis 17 9 bis 17 10 bis 18 1
 18 bis 25 18 bis 26 19 bis 27 2
 26 27 28 3

Im Unterschied zu den teilzeitbeschäftigten Beamtinnen und Beamten müssen angestellte Lehrkräfte in Teilzeitbeschäftigung keine unbezahlte Mehrarbeit leisten, solange Ihr Beschäftigungsumfang im jeweiligen Kalendermonat – einschließlich der Mehrarbeit - die Vollbeschäftigung nicht überschreitet. Eine entsprechende Klarstellung enthält das Informationsschreiben der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft vom 4.11.2013. Unbezahlte Mehrarbeit kann hier also nur gefordert werden, wenn durch die regelmäßige individuelle Pflichtstundenzahl und die Mehrarbeit insgesamt der Umfang einer Vollbeschäftigung überschritten wird.

Wird der Umfang der vergütungsfrei von Teilzeitbeschäftigten zu leistenden Mehrarbeit überschritten, sind die Mehrarbeitsstunden innerhalb eines Jahres auszugleichen. Wenn der Freizeitausgleich nicht möglich ist, besteht ein Anspruch auf Bezahlung der Mehrarbeitsstunden. Teilzeitbeschäftigte erhalten für diese Mehrarbeitsstunden bis zum Erreichen der Vollbeschäftigung nach dem Günstigkeitsprinzip entweder die anteilige Besoldung/das anteilige Entgelt von Vollbeschäftigten oder aber die Mehrarbeitsvergütung nach dem entsprechenden Rundschreiben für Lehrkräfte. Wurde durch die Mehrarbeit der/des Teilzeitbeschäftigten der Umfang der Vollbeschäftigung überschritten, erfolgt die Bezahlung von Einzelstunden immer nach dem Rundschreiben für Mehrarbeitsvergütung für Lehrkräfte im Schuldienst.

Bezugszeitraum für geleistete Mehrarbeit ist der Kalendermonat. In diesem Rahmen können ausgefallene Pflichtstunden mit der Mehrarbeit verrechnet werden. Die Einjahresfrist für den Freizeitausgleich beginnt mit Ablauf des Kalendermonats, in dem die Mehrarbeit geleistet wurde. Einzelheiten zur Ermittlung der Mehrarbeit sind insbesondere im Rundschreiben über Mehrarbeitsvergütung für Lehrkräfte (RdSch SenSchuSport I Nr. 72/1987) nachzulesen.

„Die Gesamtkonferenz der Lehrkräfte entscheidet ... über ... Grundsätze der Verteilung der Lehrerstunden aus dem Gesamtstundenpool, des Einsatzes der Lehrkräfte und der sonstigen pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Unterricht, Betreuung, Aufsicht und Vertretung, der Verteilung besonderer dienstlicher Aufgaben sowie besondere Formen der Arbeitszeitregelung ...“ (§ 79 Abs. 3 Nr. 9 Schulgesetz). Diese Aufgabe sollte jede Gesamtkonferenz wahrnehmen.

Persönliche Gegenwehr
Kommt es dennoch zur rechtswidrigen Anordnung von Mehrarbeit (muss immer schriftlich erfolgen), sollte man die persönliche Gegenwehr nicht versäumen. Beamtinnen und Beamte können Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Anordnung ihrer Schulleitung mitteilen und die Rücknahme der Anordnung fordern (= Remonstration). Hält die Schulleitung ihre Anordnung aufrecht, muss man sich an die zuständige Schulaufsicht wenden und dort die Bedenken vortragen. Ist die Schulrätin/der Schulrat nicht rechtzeitig erreichbar, muss man sich erneut an die Schulleitung wenden, die dann anstelle der Schulaufsicht entscheidet. Dafür ist keine bestimmte Form vorgeschrieben. Aufgrund einschlägiger Erfahrungen ist aber die Schriftform zu empfehlen. Bestätigt auch die Schulaufsicht (bzw. an ihrer Stelle die Schulleitung) die Anordnung, muss die Anordnung ausgeführt werden. Die Rechtmäßigkeit der Anordnung kann man dann nur noch durch das Verwaltungsgericht prüfen und gegebenenfalls einen Beschluss herbeiführen lassen, dass zukünftig solche Anordnungen zu unterbleiben haben. Die Dienstbehörde hat dann nach anderen rechtmäßigen Wegen zu suchen, den Unterrichtsbedarf abzudecken, insbesondere durch die Einstellung von Vertretungslehrkräften und durch Bereitstellung der für Vertretungen benötigten Personalmittel. Angestellte können gegenüber dem Schulleiter die Anordnung unter Angabe von Gründen beanstanden. Besteht dieser auf Ausführung, ist hiergegen eine arbeitsgerichtliche Feststellungsklage möglich.

Alles klar? Wenn nicht, ruft Euren Personalrat an und lasst Euch beraten!