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Berufliche Bildung

Wer sind die Honorarlehrkräfte?

Ein Bündnis von Dozent*innen strebt zum anstehenden 100-jährigen Bestehen der Volkshochschulen einen stärkeren Einfluss auf die zuständigen Politiker*innen an.

Foto: GEW BERLIN

Honorarlehrkraft« ist die Bezeichnung für Lehrende, die auf Honorarbasis vergütet werden, das heißt, die ohne Anstellung unterrichten. An den allgemeinbildenden Schulen stellen sie die Ausnahme dar, aber in der Erwachsenenbildung die Mehrheit. Es ist schwer zu sagen, wie viele Lehrkräfte auf Honorarbasis in Deutschland arbeiten. Laut wb-Personalmonitor der Universität Duisburg-Essen vom Mai 2017 sind nur 14 Prozent der fast 700.000 Beschäftigten in der Weiterbildung angestellt und rund 70 Prozent sind sogenannte Soloselbstständige. Der wb-Personalmonitor zeigt außerdem, dass 55 Prozent der Beschäftigten als prekär einzustufen sind. Was die Arbeitsbedingungen betrifft, gibt es einen Unterschied zwischen der beruflichen und der individuellen Weiterbildung. Erstere wird von privaten Firmen für das eigene Personal sowie von der Agentur für Arbeit, letztere von öffentlichen sowie privaten Einrichtungen angeboten. Unter den letzteren spielen die kommunalen Volkshoch- (VHS) sowie Musikschulen eine wichtige Rolle.

Die Honorare der Dozent*innen der Weiterbildung sind generell niedrig, jedoch unterschiedlich je nach Kurstyp und Träger. In den vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) finanzierten Integrationskursen werden 35 Euro pro Unterrichtseinheit (UE) bezahlt, aber für Sprachkurse an brandenburgischen VHSen sind 18 Euro pro UE keine Seltenheit. Für die Renten- und Krankenversicherungen müssen die Honorarlehrkräfte sowohl die Arbeitgeber- als auch Arbeitnehmerbeiträge entrichten. Zudem gab es bis 2018 eine Untergrenze für die Festlegung der Krankenkassenbeiträge. Diese wurde vom Gesetzgeber willkürlich und unrealistisch hochgesetzt. Wer zwischen 450 und rund 2.100 Euro verdiente, musste so viel bezahlen, als würde sie oder er 2.100 Euro verdienen, also einen Beitrag um die 400 Euro. Für viele Honorarlehrkräfte hat aber das Jahr 2019 mit einer erfreulichen Neuerung angefangen. Endlich wurde die Untergrenze für die Zahlung der Krankenkassenbeiträge auf etwa die Hälfte gesenkt, wie Gewerkschaf-ten, Verbände der Selbstständigen sowie Dozent*innengruppen seit Jahren gefordert hatten. Infolge der jahrzehntelangen Unterbezahlung betragen die Rentenaussichten nach 35 Jahren Vollzeitarbeit an Berliner VHSen um die 700 Euro. Um von der Arbeit leben zu können, geben viele Lehrkräfte eine hohe Anzahl von UE pro Woche und oft bei mehreren Einrichtungen. Letzteres vergrößert den Stress, aber mehrere Standbeine ermöglichen, auf Schwankungen im Kursangebot besser reagieren zu können.

Wie bei allen Beschäftigten, die keinen stabilen Bezug zu einem Arbeitsplatz haben, ist es schwierig, die Honorarlehrkräfte zu organisieren. Entsprechend niedrig ist der Anteil der Gewerkschaftsmitglieder, die sich bundesweit zwischen ver.di und GEW aufteilen. 

Daher ist es besonders erfreulich, dass von den etwa 650 bis 750 arbeitnehmerähnlichen Dozent*innen an den Berliner VHSen circa 230 von Gewerkschaften vertreten werden. Die arbeitnehmerähnlichen Dozent*innen bei den Berliner Musikschulen und VHSen haben dank ihres jahrelangen Engagements einige wichtige Verbesserungen erreicht. Sie bekommen vom Land Berlin den Arbeitnehmeranteil der Versicherungsbeiträge und ab dem 4. Krankheitstag erhalten sie 80 Prozent des Honorars. 

Von großer Bedeutung ist die Erhöhung der Honorare für alle Dozent*innen auf 31,69 Euro und ab dem 1. August 2019 auf 35 Euro. Die Verbesserungen wurden durch regelmäßige Gespräche mit der Senatsverwaltung, mit den VHS-Direktor*innen, mit den bildungspolitischen Sprecher*innen der Fraktionen im Abgeordnetenhaus sowie mit Aktionen auf der Straße erreicht.

Die Gruppe »Freie Dozent*innen«, ist 2015 entstanden, als die Anzahl der Integrationskurse dramatisch zunahm. Sie hat im Dezember 2018 einen Brief an das BAMF geschickt unter dem Titel »Förderung statt Zwang in Integrationskursen«, der von zahlreichen Gruppen unterschrieben wurde. In diesem Brief wird die Politik vom BAMF scharf kritisiert, die durch eine stetige Ausweitung der Kontrollen und Sanktionen bessere Ergebnisse bei den Teilnehmenden erzielen möchte, faktisch aber eine für das Lernen äußerst ungünstige Atmosphäre des Zwangs und der Denunziation verursacht.

2019 feiern die Volkshochschulen ihr 100-jähriges Bestehen: Das Daf-Daz-Bündnis, eine bundesweite Organisation von Honorarlehrkräften, wird dieses Jubiläum zum Anlass nehmen, um den zuständigen Politiker*innen sowie einer breiten Öffentlichkeit klar zu machen, dass »qualitativ hochwertige Weiterbildung nicht dauerhaft auf dem Rücken des eigenen Lehrpersonals angeboten werden [kann].«     

 

Kontakt
Markus Hanisch
Geschäftsführer und Pressesprecher
Telefon:  030 / 219993-46