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bbz 10 / 2017

8.000 Einzelfälle

Teilzeitbeschäftigte haben ein Recht auf Entlastung auch im außerunterrichtlichen Bereich. Der Senat tut nichts dafür und verhöhnt Betroffene als »Einzelfälle«.

Im März 2017 veröffentlichte die Senatsbildungsverwaltung »Empfehlungen für den Einsatz teilzeitbeschäftigter Lehrkräfte«. Darin wird deutlich gemacht, dass teilzeitbeschäftigte Pädagog*innen auch von außerunterrichtlichen Tätigkeiten zu entlasten sind. Leider wurde vergessen, entsprechende Entlastungspools für die Schulen zu schaffen. Wenig überraschend ist daher, dass die Empfehlungen des Senats nur selten umgesetzt werden. Diese Praxis ist eine Missachtung des Frauenförderplans und der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Exemplarisch zeigt das der Bezirk Tempelhof-Schöneberg.

Der leitende Schulrat forderte von den Schulleitungen die Grundsatzbeschlüsse der Gesamtkonferenzen ein: Wie werden die Stunden aus dem Gesamtstundenpool verteilt? Und welche Formen der Arbeitszeitregelung wurden für Teilzeitbeschäftigte beschlossen? Diese Informationen müssen laut Gesetz auch der Frauenvertreterin vorgelegt werden. Von den 58 Schulleitungen in der Region Tempelhof-Schöneberg kamen jedoch nur 25 der Aufforderung des Referatsleiters nach. Die geringe Auskunftsbereitschaft wurde noch getoppt von der inhaltlichen Ausrichtung der Beschlussfassungen, denn nur vier Schulen legten eine transparente Verteilung der Lehrkräftestunden aus dem Gesamtstundenpool vor.

»Wunschzettel« statt verbindlicher Entlastung

Besonders die Gymnasialleitungen beschreiben blumig, dass Wünsche der Kolleg*innen auf sogenannten »Wunschzetteln« berücksichtigt würden und durch individuelle Absprachen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglicht werde. Großzügig auch der Hinweis, Aufsichten müssten nur anteilig geleistet werden. Schulleitungen und auch die Behörde finden solche Absprachen prima, denn angeblich behindern konkrete Reglementierungen nur die Flexibilität im Schulalltag.

So kommt es aber immer wieder zu Verstößen gegen Dienstvereinbarungen (DV) und zur Benachteiligung von Teilzeitkräften. So wurde beispielsweise eine Lehrerin ohne ihr Einverständnis mitten im Schuljahr für kurze Zeit an eine andere Schule umgesetzt, da ihre Stunden dort so wunderbar einfach in den vorhandenen Stundenplan eingepflegt werden konnten. Das ist nicht nur eine Benachteiligung einer Teilzeitkraft, sondern auch ein klarer Verstoß gegen die »Dienstvereinbarung Umsetzung«. An Wandertagen oder Sportfesten werden die Teilzeitbeschäftigten selbstverständlich auch an ihren freien Tagen eingeplant.

Noch schlimmer trifft es oft teilzeitbeschäftigte Erzieher*innen. Viele Monate hatte sich eine Erzieherin mit einer Zweidrittelstelle um den Einsatz an nur vier Tagen in der Woche bemüht, um ihre Eltern pflegen zu können. Eine Viertagewoche wurde ihr, wie fast allen Erzieher*innen an Berliner Schulen, verwehrt. Die Begründung lautete, jede*r Erzieher*in müsse täglich in den Kernzeiten von 12 bis 16 Uhr anwesend sein. So ist es schließlich auch bei Aldi. Die Beschäftigten arbeiten in den Zeiten, wenn die Arbeitsbelastung besonders hoch ist. Gut, dass der Referatsleiter und die Schulaufsicht das Anliegen der teilzeitbeschäftigten Erzieherin unterstützt und den Schulleiter angewiesen haben, dass die Viertagewoche bei der Erzieherin umzusetzen ist.

Der Frauenförderplan gilt auch für Männer

Die Erzieherin konnte sich nicht zuletzt auf den Frauenförderplan berufen. Der Frauenförderplan macht verpflichtende Vorgaben, unter anderem für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, und gilt übrigens für alle Beschäftigtengruppen, auch für Männer. Danach ist es selbstverständlich, dass Teilzeitkräfte auch im außerunterrichtlichen Bereich nicht voll eingesetzt werden können, sondern nur entsprechend ihrer Teilzeitquote. Schließlich verdienen Teilzeitkräfte auch weniger als Vollzeitkräfte. Hier muss jede Schule konkrete Formen der Arbeitszeitregelung in der Gesamtkonferenz beschließen. Die Grundsätze des Frauenförderplans werden auch von einem aktuellen Urteil des Bundesverwaltungsgerichts bestätigt und gestärkt.

Die verbindlichen Maßnahmen des Frauenförderplans sehen vor, dass bei einem Umfang von einer Zweidrittelbeschäftigung ein freier Tag pro Woche zu gewähren ist und Springstunden oder Aufsichten proportional zu leisten sind. Drei Schulen in Tempelhof-Schöneberg verstoßen offen gegen diese Vorgaben. Die Beschlussfassung ihrer Gesamtkonferenzen besagt, dass erst mit einer halben Stelle ein freier Tag gewährt wird. Von der Frauenvertreterin darauf hingewiesen, meinte die Schulaufsicht lediglich, dass sie die Schulleitungen auf der nächsten Dienstbesprechung über die geltenden Maßnahmen des Frauenförderplans informieren werde. Mir bleibt als Frauenvertreterin das Beanstandungsrecht, Sanktionen gibt es leider nicht.

Die nötigen Entlastungsstunden einfordern

Sieben Schulen im Bezirk treffen jedoch umfängliche Maßnahmen. Teilzeitbeschäftigte nehmen an diesen Schulen nur anteilig an Fachkonferenzen, Jahrgangskonferenzen, Präsenztagen sowie schulinternen Fortbildungen teil.

Warum ist an diesen Schulen möglich, was den Beschäftigten anderswo verweigert wird? Das liegt wohl auch darin begründet, dass es dort eine Kontaktfrau der Frauenvertreterin und einen Vertrauensmenschen der GEW gibt, sowie Schulleitungen, die transparent, rechtlich korrekt und fürsorglich handeln. Solches Handeln vermisse ich bei vielen Schulleitungen.

Aber die Hauptverantwortung liegt bei der Senatsbildungsverwaltung, und die versucht sich aus der Verantwortung zu stehlen. Staatssekretär Rackles bezeichnet in einem Schreiben mir gegenüber mehr als 8.000 teilzeitbeschäftigte Lehrkräfte als »Einzelfälle«, für die die Schulleitungen ausgewogene Einzelfallentscheidungen zu treffen hätten. Da jede dritte weibliche Lehrkraft teilzeitbeschäftigt ist und unentgeltliche Mehrarbeit leistet, handelt es sich jedoch nicht um Einzelfälle. Insbesondere Frauen werden hier diskriminiert. Die Entlastung Teilzeitbeschäftigter im außerschulischen Bereich muss fest in den Zumessungsrichtlinien verankert werden. Um dieser Forderung Nachdruck zu verleihen, sollten alle Schulen Entlastungsstunden schriftlich bei der Schulbehörde einfordern.