Zum Inhalt springen

bbz 12 / 2015

Weite Flure – hohe Räume

Ein Interview mit der Schulrätin Karin Babbe über den preisgekrönten Umbau der Erika-Mann-Grundschule.

Karin Babbe war von 1996 bis 2013 Schulleiterin der Erika-Mann-Grundschule in Wedding und initiierte in dieser Zeit ein außergewöhnliches Projekt. In Kooperation mit dem Architekturbüro Die Baupiloten BDA wurden die Räume der Schule neu gestaltet und an das Schulleben angepasst. Die SchülerInnen waren an der Planung beteiligt und durften ihre Wünsche und Ideen einbringen. Für dieses Engagement wurde die Schule 2008 für den Deutschen Schulpreis nominiert. Seit 2013 ist Karin Babbe Schulrätin im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf und berät weiterhin ehrenamtlich Die Baupiloten.

bbz: Frau Babbe, Schulbau ist ein aktuelles Thema. Die Sparmaßnahmen der vergangenen Jahre haben den Sanierungsbedarf gewaltig erhöht, auf über zwei Milliarden Euro wird der Bedarf geschätzt. Inklusion, Ganztagsschule und nicht zuletzt die wachsende Zahl der geflüchteten Kinder erhöhen den Druck noch einmal. Keine gute Zeit für die Forderung nach einer anspruchsvollen Schulbauarchitektur?

Babbe: Ja, so könnte man das sehen. Aber die Situation an den Schulen wird ja nicht nur von äußeren Bedingungen geprägt, sondern viel stärker noch vom inneren Leben der Schule. Natürlich, die Situation ist sehr schwierig. Aber es gibt durchaus kreative Lösungen, wie man damit umgehen kann, wie man trotzdem vorankommt. Es gibt zum Beispiel viele Altbauten unter den Berliner Schulen, die ja teilweise auch unter Denkmalschutz stehen …

… und die für ein ganz anderes Schulleben gebaut sind, als wir es heute haben.

Babbe: Genau! Aber das Gute an diesen Altbauten ist: Sie haben »kilometerlange« Flure und sehr hohe Räume. Aus diesen beiden Gegebenheiten kann man eine Menge machen, und das wurde ja an etlichen Schulen auch schon getan. Da geht schon einiges – auch mit den Brandschutzmaßnahmen und Vorschriften zur Unfallverhütung.

Die Gebäude der Schulen werden ja von den Bezirken unterhalten und verwaltet, gleichzeitig ist aber die Senatsbildungsverwaltung für die Schulentwicklung zuständig. Gibt es da Reibereien?

Babbe: Es kommt immer auf den Dialog an. Da habe ich durchaus gute Erfahrungen gemacht, dass man mit den Verantwortlichen reden kann und die finanziellen Mittel bekommt. So ist beispielsweise das Bonusprogramm zwar kein Bauprogramm, aber um bestimmte pädagogische Ziele umsetzen zu können, muss eben auch mal umgebaut werden. Eine Schule mit dem Konzept »Sprachbildung durch den Raum« hat über den Weg mit den Bonusmitteln Räume zusammen mit einem Architekten und den Kindern entsprechend umgestaltet. Wo ein Wille ist, gibt es fast immer einen Weg. Das gilt auch für den Schulbau.

Als Schulleiterin der Erika-Mann-Grundschule im Wedding haben Sie dort 2003 bis 2008 zusammen mit dem Architekturbüro Die Baupiloten den auch preisgekrönten Umbau ihrer Schule initiiert. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?

Babbe: Das kam damals durch die Aktivitäten des Quartiersmanagements Ende der 90er Jahre. Die Architektin Susanne Hofmann und ich kamen beim Rundgang durch unsere Schule ins Gespräch über den gerade neu eingerichteten Raum für die Konfliktlotsen, den wir auf einer nicht mehr genutzten Treppennische geschaffen hatten. Mit der Gestaltung des Raumes hatten wir uns innerhalb der Schule ziemlich Mühe gegeben. Da die Schule damals 1997 ziemlich abgenutzt war, kam die Idee auf, etwas in Richtung Verbesserung der baulichen Situation der Schule zu machen. Sie ist 1914 gebaut worden, hat also genau diese elend langen Flure und schönen hohen Räume, die viel Potenzial für eine Umgestaltung haben. Als Susanne Hofmann für und mit ihren Studierenden der TU Berlin Die Baupiloten gegründet hatte, war die Erika-Mann-Schule ihr erstes Projekt. Für die Projektgruppe fungierte das Projekt gewissermaßen als Praxisphase des Studiums. Der Umbau unserer Schule wurde von den Studierenden und dem SchülerInnenparlament geplant, durchgeführt und gemeinsam mit dem Förderverein der Schule gegenüber dem Bezirksamt abgerechnet. Es war deshalb sehr kostengünstig. Und was auch wichtig und damals ziemlich neu war: Sowohl bei der Planung als auch bei der Durchführung waren alle Beteiligten im ständigen Dialog. Die SchülerInnen haben mit ihren Vorschlägen und Wünschen wesentlich an der Neugestaltung mitgewirkt. Das ist auch ein Schwerpunkt und die Spezialität von Die Baupiloten: die Einbeziehung der NutzerInnen. Sich von deren Erfahrung, deren intuitivem Wissen bei der Planung leiten zu lassen nach einer inzwischen etablierten Vorgehensweise.

Und die Lehrkräfte?

Babbe: Na ja, dieser von den SchülerInnen vorgeschlagene pinkfarbene Flur gefiel einigen am Anfang nicht so recht. Aber das hat sich gegeben, weil diese Farbe doch sehr viel Helligkeit in die Schule gebracht und diesen alten und schweren Bau sehr viel leichter gemacht hat.

Welche Veränderungen gab es noch?

Babbe: Zunächst wurden die Flurbereiche zu vielseitig nutzbaren und angenehmen Aufenthaltsräumen umgebaut. Später wurde das Gebäude für den Ganztagsunterricht eingerichtet und weitere Flure und Klassenräume zu Freizeitlandschaften umfunktioniert.

Haben die Lehrkräfte keine Vorschläge für ein anderes LehrerInnenzimmer gemacht?

Babbe: Die Wünsche der Kinder haben auch die Lehrkräfte beflügelt. Das klassische LehrerInnenzimmer ist ja insbesondere in der Grundschule schon lange nicht mehr zeitgemäß: einerseits, weil es inzwischen auch ErzieherInnen an der Schule gibt, andererseits, weil sich durch die Rhythmisierung nur selten alle gemeinsam in einem Raum treffen. Die Erika-Mann-Grundschule hat deswegen die beiden vorhandenen Lehrkräftezimmer umgestaltet. Eines ist so etwas wie ein Lehrkräfte-Büro geworden, in dem, zusätzlich zu den Arbeitsplätzen in den Klassenräumen, noch weitere Arbeitsplätze geschaffen worden sind. Und außerdem hat jeder Jahrgang dort so etwas wie einen Arbeitsbereich mit einem Materialtisch.
Das zweite Lehrkräftezimmer ist so etwas wie eine Lounge geworden. Dort gibt es größere Sitzmöglichkeiten für Gruppen, Sessel und so weiter.

Und dann gibt es noch den »Roten Salon«, das ist ein Zimmer mit echter Schlafmöglichkeit. Das nutzen auch einige.

Ist das Umbauprojekt Erika-Mann-Schule in der Berliner Schullandschaft bekannt?

Babbe: Ich glaube schon. In meiner Zeit als Schulleiterin gab es immer wieder interessierte BesucherInnengruppen, die sich die Schule anschauen wollten. Aber auch aus den anderen Bundesländern und dem Ausland hat die Schule bis heute große Aufmerksamkeit erhalten. In gewisser Weise ist die Schule ein Vorzeigeprojekt. Sie ist ja auch preisgekrönt worden. Das ist heute noch so.

Sie sind inzwischen nicht mehr Schulleiterin, sondern seit 2013 Schulrätin in Charlottenburg-Wilmersdorf und seit letztem Jahr auch aktiv für das Architekturbüro Die Baupiloten. Was machen Sie da?

Babbe: Ich berate das Büro in Sachen Schulbau. Das ist allerdings eine ehrenamtliche Tätigkeit. Inzwischen ist es ja so, dass es bei den Ausschreibungen für Schulbauten eine sogenannte Phase Null gibt, in der auch die NutzerInneneinbeziehung geplant und dargestellt werden muss, bevor der Architekturvorschlag erarbeitet wird. Und verlangt wird außerdem, dass das Architekturbüro eine pädagogische BeraterIn hat. Das ist dann bei Die Baupiloten meine Funktion.

Gibt es eigentlich beim Senat eine zentrale Stelle für Schulbauarchitektur?

Babbe: Schulbau unterliegt in der Regel der Bezirkshoheit. Aber ich finde es auch wichtig, dass man gerade in dieser Sache viel mehr Runde Tische schaffen sollte. Dass die Basis, also die NutzerInnen sich stärker einmischen können. In den Schulen geschieht ja auch schon viel. Aber insgesamt ist noch »Luft nach oben«.

Das ist ein gutes Schlusswort. Wir bedanken uns für das Gespräch.