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bbz 01 / 2016

»Der Betreuungsschlüssel wird für alle Kitas abgesenkt«

Raed Saleh hat als Fraktionschef der SPD im Abgeordnetenhaus die Beitragsfreiheit für den Kita-Besuch von Kindern unter drei Jahren durchgesetzt – auch gegen Widerstand der GEW BERLIN. Die bbz-Redaktion hat Herrn Saleh -schriftlich fünf Fragen gestellt. Im Folgenden dokumentieren wir die Antworten

bbz: Die Fachöffentlichkeit und nicht zuletzt Ihre eigene Parteibasis haben sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt gegen eine Ausweitung der Beitragsfreiheit ausgesprochen und befürworten stattdessen Qualitätsverbesserungen im Kita-Bereich. Warum setzen Sie sich mit Ihrem Beschluss zum Doppelhaushalt 2016/17 darüber hinweg?

Raed Saleh: Ich habe schon lange gesagt, dass wir mehr Personal in den Kitas brauchen, denn die Erzieherinnen und Erzieher leisten hervorragende und wichtige Arbeit, oft bis an die Grenzen der Belastbarkeit. Das war – gemeinsam mit der Abschaffung der Gebühren – ein einstimmiger Beschluss der SPD-Fraktion im Januar. Wir haben im U3-Bereich bundesweit den schlechtesten Betreuungsschlüssel – das können wir nicht akzeptieren. Unsere Verbesserungen werden 49 Millionen Euro in 2017 kosten, dieser Betrag wird jedes Jahr wachsen. Damit wird der Betreuungsschlüssel im U3-Bereich abgesenkt. Für mich als Sozialdemokrat ist aber auch klar, dass Bildung von Anfang an kostenfrei sein muss. Wenn zwei Eltern Mindestlohn verdienen, dann zahlen sie 105 Euro Kitabeitrag. Das ist sozial ungerecht. Die Kosten für die Abschaffung der Kitagebühren betragen 0,16 Prozent des Berliner Haushalts. Das ist zusätzlich zu mehr Qualität finanzierbar.

bbz: Die von Ihnen beschlossenen 60 Millionen Euro für Qualitätsverbesserungen sind wohl nur für unter dreijährige Kinder in sozialen Brennpunkten bestimmt. Benötigen die anderen Kitas denn keine Qualitätsverbesserungen?

Saleh: In der Folge unserer Beschlüsse für den Doppelhaushalt wird der Betreuungsschlüssel für alle Kitas abgesenkt. Kitazeit ist Bildungszeit und wir wollen, dass alle Kinder eine gute Betreuung haben, andere Kinder treffen und den sozialen Umgang lernen.

bbz: Berlin ist bundesweit Schlusslicht bei der Personalausstattung im Krippenbereich. Eine Berliner Erzieherin muss durchschnittlich 5,9 Kinder unter drei Jahren betreuen. Bundesweit sind es im Schnitt nur 4,4 Kinder, während WissenschaftlerInnen einen Personalschlüssel von 1 zu 3 empfehlen. Wie wollen Sie hier den Anschluss schaffen?

Saleh: Schon mit den Qualitätsverbesserungen, die wir jetzt beschließen, werden wir viele andere Bundesländer bei der Qualität überholen. Dazu stehe ich und das werden wir fortsetzen. Im Westen der Republik haben die meisten Länder nicht genug Kitaplätze. Das ist dann auch keine Qualität. Wir in Berlin geben in diesem Haushalt 140 Millionen Euro aus, damit der Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz in Berlin wirklich umgesetzt wird.

bbz: Auch bei der Bezahlung liegt Berlin hinten. Erzieherinnen und Erzieher verdienen hier bis zu 400 Euro weniger als im Rest des Landes. Für die KollegInnen ist das eine große Ungerechtigkeit. Und auch die dringend benötigten zusätzlichen Fachkräfte werden so schwer zu gewinnen sein. Was unternimmt Ihre Fraktion, um diese riesige Gehaltsschere zu schließen?

Saleh: Ich habe mich, gemeinsam mit der ganzen SPD bundesweit, mit dem Arbeitskampf der Erzieherinnen und Erzieher solidarisiert. Das ist eine Frage der Anerkennung für die harte Arbeit. Berlin bezahlt übrigens im Durchschnitt mehr als alle anderen ostdeutschen Bundesländer und besser als Schleswig-Holstein. Für die Kalkulation der Qualitätsverbesserungen im U3-Bereich haben wir in Berlin Lohnsteigerungen einberechnet.

bbz: Im Doppelhaushalt 2016/17 haben Sie keine Mittel für Verbesserungen des Personalschlüssels für Kita-LeiterInnen eingestellt und keine Ressourcen für einen verbindlichen Anspruch auf Vor- und Nachbereitungszeiten der ErzieherInnen berücksichtigt. Spielen diese Themen in Ihren Planungen keine Rolle?

Saleh: Der Leitungsschlüssel wurde in der letzten Legislaturperiode bereits gesenkt und sicherlich werden beide Themen auch in Zukunft diskutiert. Für manche Fragen, wie Vor- und Nachbereitungszeiten, sind vielleicht Tarifverhandlungen der bessere Ort. Für die Zukunft hoffe ich, dass wir mit der GEW eng zusammen arbeiten. Wir können Partner sein – im Interesse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, im Interesse der Familien und im Interesse der Kinder.