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bbz 06 / 2016

Mogelpackung Teilzeit

Teilzeitkräfte sollen nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts endlich zu ihrem Recht kommen.

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Eigentlich ist es ganz einfach. Teilzeit heißt Teilzeit. Dennoch arbeiten viele Teilzeitkräfte mehr als sie gesetzlich müssten und haben Bedenken, von ihrem Recht auch Gebrauch zu machen. So äußern sie Sorge vor möglichen Konflikten mit KollegInnen oder gar Repressalien vonseiten der Schulleitung. Nun soll ein jahrzehntelang geltendes Unrecht abgeschafft werden. Das grenzt fast an ein Sakrileg.

Mit dem am 16. Juli 2015 verabschiedeten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zum Thema »Teilzeit und außerunterrichtliche Dienstzeiten« (BVerwG, 2 C 16/14) wird die Arbeitssituation von Teilzeitkräften deutlich konkretisiert. Die schon lange existierenden Vorgaben des Landesgleichstellungsgesetzes und des Frauenförderplans erhalten nun juristischen Rückenwind. So können Teilzeitkräfte einen Rechtsanspruch geltend machen, indem ihre Gesamtdienstleistungen entsprechend ihrer Teilzeitquote reduziert werden. Das bedeutet: Alle unterrichtlichen und nun auch außer-unterrichtlichen Tätigkeiten, wie beispielsweise die Teilnahme an Konferenzen, Elternabenden, Projekttagen oder das Korrigieren von Klassenarbeiten, müssen ebenfalls entsprechend der Teilzeitquote reduziert werden. Es soll endlich sichergestellt sein, dass die Gesamtheit der Unterrichtsstunden, die unterrichtsbezogenen Tätigkeiten und andere schulische Aufgaben anteilig reduziert werden.

Das ist beispielsweise bei Aufsichten, Springstunden, Fachkonferenzen und Präsenztagen recht einfach. Je nach Teilzeitumfang werden diese Aufgaben prozentual angeglichen. So weit, so gut. Nun wäre es aber ein etwas absonderliches Unterfangen, wenn eine Lehrkraft in Teilzeit nach der Hälfte der Korrekturarbeit Stift und Hefte niederlegte oder nach einer halben Stunde Elternabend verdutzte Erziehungsberechtigte zurückließe. Nicht alle Aufgaben einer Lehrkraft sind durch prozentuale Angleichung teilbar. Was also tun? Im ersten Anlauf sagte die Senatsbildungsverwaltung zu, in einer Arbeitsgruppe einen Leitfaden zu entwickeln. Damit nicht jede Schule das Rad neu erfinden müsse und teilbare und unteilbare schulische Aufgaben für alle klarer definiert werden. Aber diese Arbeitsgruppe ist so flink wie ein Roller in der Kalahari. Nichts ist mehr von ihr zu hören, geschweige denn zu lesen. Böse Stimmen behaupten, das Problem werde ausgesessen.

Nun gibt es im Urteil des Oberverwaltungsgerichts einen weiteren, auch ohne Leitfaden umsetzbaren Hinweis: »Ist ein Ausgleich in diesem Bereich (Anm. d.Verf.: außerunterrichtliche Aufgaben) nicht im erforderlichen Umfang möglich oder nicht gewollt, muss der Ausgleich durch weitere Ermäßigung der Unterrichtszeit erfolgen.«  Spätestens hier stockt Vielen der Atem. Woher sollen diese Stunden kommen? Müssen Vollzeitbeschäftigte diese Stunden abfedern? Sollen etwa ErzieherInnen einspringen? Häufig liegt die Antwort näher als man glaubt: Zum einen ist gemäß § 79 (3) Abs. 9 Schulgesetz durch die Schulleitung offen zu legen, wie viele Stunden der Schule insgesamt zur Verfügung stehen. Die Gesamtkonferenz fällt dann Grundsatzentscheidungen über deren Verteilung. Stehen einer Schule nicht genügend Stunden zur Verfügung, um auch Teilzeitkräfte entsprechend zu berücksichtigen, ist in aller Logik die Senatsbildungsverwaltung in der Pflicht: Es müssen mehr Lehrkräfte eingestellt werden, um den entsprechenden Bedarf zu decken.

Es ist unwahrscheinlich, dass ohne Druck von unten die Rechtsprechung leichtfüßig umgesetzt wird. Der versprochene Leitfaden für Schulen und die mehr als magere Beteiligung der Gesamtkonferenzen zeigt, dass es bei »los« noch lange nicht los geht. Wenn jedoch Teilzeitbeschäftigte bei ihrer Schulleitung ihr Recht geltend machen, wird Bewegung in die Sache kommen. Dann werden die alten Trampelpfade, auf denen galt, dass Teilzeitkräfte selbstverständlich mehr arbeiten als sie gesetzlich müssen, endlich abgeschafft. Jeder Weg beginnt mit dem ersten Schritt!

Wer weitere Informationen wünscht, wendet sich an die Landesrechtsschutzstelle oder den VB Beamten-, Angestellten- und Tarifpolitik der GEW BERLIN