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bbz 11 / 2018

Ganztägig, aber halbherzig

An Berliner Schulen lernen die Schüler*innen ganztägig. Damit das funktioniert, müssen Lehrkräfte und Erzieher*innen konstruktiv zusammenarbeiten – in der Praxis fällt ihnen das schwer

Foto: Aungmyo / Fotolia

Mit dem Beginn des Schuljahres 2005/ 2006 kam das neue Berliner Schulgesetz. Durch die damit verbundene Einführung von gebundenem und offenem Ganztagsbetrieb wurden von da an Erzieher*innen in allen Berliner Schulen eingesetzt und übernehmen dort seither viele Aufgaben, wie die Unterstützung im Unterricht, Betreuungszeiten, Betreuung und Förderung im Hort und die Betreuung der Kinder in den Ferien.

Vor der Einführung des neuen Schulgesetzes waren die Erzieher*innen nur in Horten und Schüler*innenläden der Tagesbetreuung der Jugendämter tätig. Die Einrichtungen der Tagesbetreuung waren für die Gestaltung und Organisation des Geschehens nach dem Unterrichtsende eigenverantwortlich.

Die Vorbereitungszeit war am Vormittag im Hort. Die Kinder waren währenddessen im Unterricht in den jeweiligen Schulen. Der Hort war ausschließlich Freizeit für die Schüler*innen. Für die Kinder war nach dem Unterricht, abgesehen von den Hausaufgaben, der Schultag damit beendet. Die Horte hatten Kinder aus verschieden Schulen zu betreuen.

Erzieher*innen und Lehrkräfte, das waren damals zwei getrennte berufliche Welten. So war die Bildungs- und Erziehungskultur bis 2005 organisiert. Eine Veränderung aus pädagogischer Sicht war durchaus sinnvoll und nach der überwundenen Teilung der Stadt auch dringend erforderlich.

Zusammenarbeit auf Augenhöhe sieht anders aus

Die Zusammenarbeit der Lehrkräfte und Erzieher*innen ist in sehr vielen Schulen auch heute noch verbesserungswürdig. Erzieher*innen müssen weiterhin um die Aufmerksamkeit und Wertschätzung der Lehrer*innen kämpfen. Lediglich bei der Betreuung von Unterrichtsausfällen, Klassenfahrten und der Schwimmbegleitung sind die Erzieher*innen ganz schnell im Fokus. Das volle Tagesprogramm der Erzieher*innen lässt wenig Zeit für die Kommunikation mit den Lehrkräften, obwohl es seit 2016 festgelegte Vor- und Nachbereitungszeiten gibt. Der Arbeitsalltag ist daher oft sehr kurzatmig und es fehlt die notwendige Zeit für kollegiale Zusammenarbeit. Als Lösung schlagen die Lehrer*innen dann Zeiten am Nachmittag vor. Zu diesen Zeiten sind die Erzieher*innen allerdings mit der Arbeit im Hort beschäftigt. Finden die Zusammenkünfte trotzdem statt, geht das zu Lasten der pädagogischen Arbeit und auf die Kosten der Kolleg*innen, die dann die pädagogische Arbeit auffangen müssen.

Die fehlende Anerkennung der Arbeit von Erzieher*innen hat auch finanzielle und personelle Ursachen. Um die im Berliner Bildungsprogramm für den Ganztag beschriebenen pädagogischen Ziele umzusetzen, braucht es ausreichende, qualifizierte Fachkräfte. Allein durch finanzielle Anreize wie Bonuszahlungen wird sich der Fachkräftemangel, gerade an schwierigen Schulen, nicht stoppen lassen. Es bedarf für alle Pädagog*innen an Berliner Schulen eine tarifliche Anpassung. Leider wurde die Zulage von 80 Euro, die eigentlich nur als Überbrückung bis zur Anhebung der Vergütungsgruppen gedacht war, vom Finanzsenator verstetigt und die Anhebung ist erstmal vom Tisch. Doch genau dies wäre das richtige Signal gewesen und ist lange überfällig.

Durch eine solche Anpassung könnte endlich der Wegzug junger Erzieher*innen und Lehrkräfte gebremst werden. Die Erzieher*innen hätten eine verlässliche Grundlage für ihre verantwortungsvolle Arbeit und eine angemessene Entlohnung. Dadurch würde der Beruf aufgewertet werden und müsste nicht nur als Sprungbrett für besser bezahlte Jobs herhalten.
Es muss etwas passieren. Dafür ist eine verantwortungsvolle Kommunikation der Senatsverwaltung mit den Bezirken und der an den Schulen arbeitenden Menschen dringend erforderlich. Keine weiteren politischen Kurzschlusshandlungen! Lassen Sie uns Erzieher*innen bitte nicht allein mit der Flickschusterei im Berliner Bildungszirkus.

Sehr geehrte Frau Senatorin, kommen Sie mit uns ins Gespräch. Sie sind herzlich eingeladen!