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bbz 10/2016

Runter vom Abstellgleis

Der Übergang von der Schule in die Ausbildung verläuft für viele Jugendliche nicht reibungslos. Der neue Bildungsgang IBA soll bei der Orientierung helfen.

Das Übergangssystem von Klasse 10 zur Ausbildung ist seit den 00er Jahren in der Diskussion. Zu Beginn des Jahrtausends wurden hier viele Jugendliche »geparkt«, die keinen passenden Ausbildungsplatz gefunden hatten und die Statistik der »unversorgten« Jugendlichen nicht belasten sollten. Vordringliches Ziel war es, einen höherwertigen Schulabschluss zu erlangen, um die Voraussetzungen für einen Ausbildungsplatz zu verbessern. Die SchülerInnen wurden je nach bisher erreichtem Abschluss in die Bildungsgänge Berufsqualifizierender Lehrgang (BQL) oder die Einjährige Berufsfachschule (OBF1) einsortiert, die sie dann sogar mehrfach durchlaufen konnten.

Drei wesentliche Aspekte sind dabei nicht bedacht worden: Zum Ersten war das Angebot an akzeptablen Ausbildungsplätzen schon damals viel zu gering. Zum Zweiten ging die Ausrichtung auf einen Schulabschluss mit theorielastigen Inhalten schon damals an der Zielgruppe vorbei und zum Dritten ließ die Frage, welchen Schulabschluss die Jugendlichen erreicht hatten, leider keine Rückschlüsse auf ihre Vermittelbarkeit zu.

Ausbildung ist das Ziel

Aus dieser Gemengelage heraus entstand die Idee, den Bereich des Übergangssystems neu aufzustellen. Der zentrale Unterschied ist die jetzt klare Ausrichtung des Bildungsgangs Integrierte Berufsausbildungs-vorbereitung (IBA) auf die Vermittlung in eine duale Ausbildung. Insbesondere wurde die Möglichkeit für längere und intensiv begleitete Praktika eröffnet und die Möglichkeit, die Inhalte des Unterrichts sehr flexibel orientiert an die Bedürfnisse der jeweiligen Lerngruppe anzupassen.

Ausgehend von der Erfahrung, dass der erreichte Abschluss der Jugendlichen weniger von ihren Kompetenzen abhängt als vom Wohnort oder dem sozialem Umfeld, wurden die bisherigen Bildungsgänge im Modellversuch zusammengelegt. Ziel ist die komplette Umgestaltung des Übergangssystems.

Der Bildungsgang IBA ist also für alle, egal welchen Abschluss sie haben, offen. Alle drei möglichen Abschlüsse (Berufsbildungsreife, erweiterte Berufsbildungsreife und der mittlere Schulabschluss) sind direkt erreichbar, was den realen Bedürfnissen der Jugendlichen eher entspricht. Im Schuljahr 2012/13 startete die Pilotphase des Bildungsganges mit sechs Schulen, mittlerweile beteiligen sich 18 Schulen. Die Pilotphase wird 2018 enden. Im optimalen Fall werden die Bildungsgänge BQL und OBF 1 dann geschlossen und IBA zum Standard.

Die Praxis als Chance verstehen

Damit IBA erfolgreich wird, brauchen wir Veränderungen in drei Bereichen: Die Beratung von SchülerInnen und Eltern muss intensiviert werden und eine andere Richtung bekommen. Die Orientierung der Lehrkräfte und ihr Rollenverständnis müssen sich verändern und die Organisation von Unterricht inklusive Schwerpunktsetzung muss den veränderten Zielen entsprechend angepasst werden.
Wir sollten den SchülerInnen und ihren Eltern die Chancen darstellen, die mit einer Abkehr von der theorielastigen Allgemeinbildung hin zu einer praxisorientierten Ausbildung eröffnet werden. Gleichzeitig müssen wir erklären, welche ergänzenden Möglichkeiten unser Bildungssystem auch nach einer Ausbildung noch bereithält: sich weiter zu qualifizieren als Betriebswirt, Techniker, Meister, zu studieren oder auch die Hochschulreife zu erlangen.

Die Gestaltung des Unterrichts muss von der Praxis dominiert werden und sich an ihr orientieren. Für viele SchülerInnen ist eine neue wichtige Erkenntnis, dass ihre praktischen Kompetenzen auch wichtig und wertvoll sein können und die Grundlage für ein erfolgreiches und befriedigendes (Erwerbs-)leben bilden können.

…aber die Theorie nicht vergessen

Hier verbirgt sich aber auch schon eine Herausforderung: Für die Curriculumsentwicklung sind die Fachpraxislehrkräfte nicht ausgebildet. Es bedarf also einer intensiven Kooperation und Abstimmung mit den Theorielehrkräften, damit die Inhalte des Theorieunterrichts die Fachpraxis tatsächlich unterstützen. Gleichzeitig darf aber auch der abschlussorientierte allgemeinbildende Unterricht nicht vollständig vernachlässigt werden. Der Unterricht muss auf die Praktikumsphasen ausgerichtet werden. Zunächst muss den SchülerInnen die inhaltliche Orientierung des Berufs nahegebracht werden. Die Praktika müssen intensiv von BildungsgangbegleiterInnen, Fachpraxislehrkräften und Theorielehrkräften begleitet und ausgewertet werden, auch damit die Betriebe motiviert werden, die PraktikantInnen vielleicht schon vorfristig als Azubis zu übernehmen, der sogenannte »Klebeeffekt«. Bei mehreren Klassen an einer Schule führt dies zu einem sehr komplex verschachtelten Unterrichtseinsatz und verlangt von allen Beteiligten ein hohes Maß an Flexibilität.

Die bislang gesammelten Erfahrungen zeigen, dass sowohl die Zahl der beruflich richtig orientierten Jugendlichen steigt, als auch die Anzahl der (Nach-)Vermittelten wächst. Auf die Zahl der angebotenen Ausbildungsplätze haben wir allerdings nach wie vor keinen Einfluss.