Zum Inhalt springen

bbz 12 / 2016

Kinderschutz vor dem Kollaps

Arbeitsbedingungen und Personalausstattung im Kinderschutz sind weiterhin desolat. Auf der Strecke bleiben die Kinder und Jugendlichen, die Unterstützung brauchen

In Berlin wird Kinderschutz sozialpolitisch immer mehr zur Farce. Dies liegt unbestreitbar an den miserablen Arbeitsbedingungen, der desolaten Personalausstattung der Jugendämter (RSD) und einer nicht hinnehmbaren Entlohnung. Diese Rahmenbedingungen trugen sicher dazu bei, dass im Spätsommer 128 Stellen nicht besetzt wurden. Es gab nicht genügend BewerberInnen. Dies führt zu einer chronischen Arbeitsüberlastung in den Jugendämtern, die mit hohem Krankenstand einhergeht.

Die unzureichenden Stellenbesetzungen, die Arbeitsüberlastung und auch der hohe Krankenstand werden in der Öffentlichkeit zwar seit Jahren thematisiert, führen aber zu keiner Verbesserung. Daraus folgt, dass nur noch die Fälle bearbeitet werden, die keinen Aufschub dulden. Es sind die Kinder und Jugendlichen, die dringend Unterstützung von außerhalb benötigen, die so letztendlich auf der Strecke bleiben.

Mehr Personal allein reicht nicht

Doch auch eine personelle Aufstockung der Jugendämter allein führt nicht automatisch zu einer qualitativ besseren Arbeit. MitarbeiterInnen des RSD müssen regelmäßig Supervision und entsprechende Fortbildungsangebote bekommen. Das ist angesichts der dünnen Personaldecke und eines hohen Krankenstandes nicht sehr wahrscheinlich.

Sehr ähnlich sind auch die strukturellen Rahmenbedingungen freier Träger. Auch hier gibt es oftmals nicht ausreichend Fortbildungen. Supervision wird für Einzelfall- und FamilienhelferInnen oft nur einmal im Monat angeboten. Zeit- und Sockelarbeitsverträge, Arbeitsverträge, die jeweils von der Kostenübernahme des Jugendamtes abhängig sind und eine nicht akzeptable Entlohnung sind bei freien Trägern die Regel. Aufgrund schlechter Rahmenbedingungen wird die Arbeit nicht selten von BerufsanfängerInnen oder von MitarbeiterInnen ohne entsprechendes Studium geleistet wird. An dem Punkt gestatte ich mir die Frage, wie es sein kann, nicht qualifiziertes Personal in den ambulanten und stationären Erziehungshilfen zu beschäftigen. Schließlich ist bis heute auch keiner auf die Idee gekommen, eine Chirurgin durch einen Fleischer zu ersetzen. Aber was nicht ist, kann ja noch werden. Dies alles zusammengenommen, zeigt einmal mehr, die Wertigkeit von Familien und die Wertigkeit dieser Arbeit.

Träger sind selten transparent

Freie Träger beschweren sich immer wieder über den aus ihrer Sicht zu niedrigen Fachleistungsstundensatz, den das Jugendamt für erbrachte Leistungen bezahlt. Diese Klage ist sicher berechtigt, auch, wenn das Finanzgebaren der Träger selten transparent erscheint.

Über die Jahre haben Träger Sonderzahlungen, wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld, kontinuierlich abgebaut, ebenso Urlaubstage und die zwingend notwendigen Supervisionsstunden. Bei Neueinstellungen wird oftmals an den Gehältern der MitarbeiterInnen gespart. MitarbeiterInnen mit befristeten Arbeitsverträgen und häufigem Arbeitgeberwechsel bleiben mit der Abschaffung des alten Tarifvertrags BAT und der Einführung des TVÖD/TVL oft auf der untersten Gehaltsstufe hängen.

Nicht nur die Absenkung der Gehälter, auch die Absenkung der Betreuungsstunden pro Familie führen dazu, dass sozialpädagogische Fachkräfte mehr Familien betreuen müssen, was ebenfalls zu Arbeitsüberlastung führt. Wir müssen uns nicht wundern, wenn unter dieser Prämisse gut ausgebildete, erfahrene und engagierte SozialarbeiterInnen sprichwörtlich das Handtuch werfen und sich andere Betätigungsfelder suchen. Eine kontinuierliche, zufriedenstellende sozialpädagogische Arbeit ist so nicht möglich.

Angesichts dieser Missstände steuert der Kinderschutz in Berlin auf einen Kollaps zu. Der Senat muss endlich die finanziellen Rahmenbedingungen schaffen und zugleich dafür sorgen, dass freie Träger ihre MitarbeiterInnen vernünftige Gehälter zahlen und prekäre Beschäftigungen künftig unterlassen.