Zum Inhalt springen

blz 09 / 2014

Hundert Prozent Ausstattung sind zu wenig

Ohne Verbesserung der Arbeitsbedingungen wird man nicht genügend Lehrkräfte finden

Seit Jahren verkündet die Senatsbildungsverwaltung zum Schuljahresanfang, die Berliner Schule sei mit nahezu 100 Prozent gut ausgestattet, nur einzelne Schulen hätten Probleme. Mal ganz davon abgesehen, dass man diese 100 Prozent nur hinbekommt, indem die Ausstattungszahlen mit zwei Stellen hinter dem Komma berechnet werden, sind 100 Prozent nur 100 Prozent, wenn alle da sind. Das ist aber so gut wie nie der Fall, weswegen die GEW BERLIN ihre uralte Forderung nach 110 Prozent Ausstattung immer wieder bekräftigt. Denn auch die zusätzlichen drei Prozent für Vertretungsmittel und die Herausrechnung von Langzeiterkrankten können die Lücken nicht decken.

Der Vertretungsbedarf in der Berliner Schule liegt seit Jahren zwischen zehn und elf Prozent. Da die Mittel für diesen Bedarf nicht da sind, Unterricht aber auch nicht ausfallen darf, müssen dafür unter anderem die Stunden für den Teilungs- und Förderunterricht herhalten. Das ist auch der Grund, weswegen ein Großteil der zusätzlichen Mittel für Schulen in schwierigen Lagen ihr Ziel verfehlen: Statt für die Förderung werden die Mittel für den Regelunterricht verwendet.

Durch die Deckelung der Integrations-Stunden bei stetig steigenden SchülerInnenzahlen wird die Situation noch verschärft. Mittlerweile fehlen im Topf für Integration fast 350 Stellen. Es ist fraglich, ob insbesondere SchülerInnen in den Förderbereichen Lernen, emotional- soziale Entwicklung und Sprache überhaupt noch zu ihren 2,5 Stunden (Grundschule) oder 3 Stunden (Oberschule) kommen. Das ist aber der Mindeststandard, denn seit dem Schuljahr 1999/2000 sind die 5,5 Stunden von damals sukzessive gekürzt worden. In den meisten Grundschulen kommen gerade noch 1,5 Stunden pro Kind an – und das auch nur rechnerisch. Dass dadurch zu wenig gefördert wird, müsste auch der Senatsbildungsverwaltung auffallen.

Die wachsende Zahl der nicht voll ausgebildeten Lehrkräfte nicht nur bei den Vertretungslehrkräften, sondern auch für den regulären Bedarf ist eine weitere Belastung. Niemand kann erwarten, dass die QuereinsteigerInnen völlig reibungslos auf hohem Niveau einsteigen und nicht nur den Unterricht bewältigen, sondern auch noch frischen Mutes die Schulentwicklung anpacken. Viele dieser Lehrkräfte landen außerdem an Schulen, die keine Lehrkräfte finden, weil sich voll ausgebildete Lehrkräfte nicht unbedingt problematische Schulen aussuchen. Und solange Grundschullehrkräfte schlechter bezahlt werden, wird man dort auch mit dem Nachwuchs Schwierigkeiten haben.Wir wissen schon heute, dass Berlin jedes Jahr mehr Lehrkräfte braucht, als es selbst ausbildet. Also muss mehr ausgebildet werden. Und nicht nur das: Wenn man mehr Menschen für den Beruf einer Lehrkraft interessieren will, muss dieser Beruf wesentlich attraktiver werden. Wie will man den steigenden Be-darf an Lehrkräften – in Berlin sind es bis 2021/22 14.000 Vollzeitkräfte – decken, wenn immer weniger SchülerInnen Lehrkraft werden wollen, wie jüngst eine Untersuchung herausgefunden hat?