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Eignung und Neigung statt Durchschnittsnote

Das alternative Aufnahmeverfahren an der Sophie-Scholl-Schule und der Martin-Buber-Schule

Der Schlachtenlärm um das neue Zugangsverfahren zu den Oberschulen hat sich mittlerweile gelegt. Die meisten Schulen haben sich darauf festgelegt, den Notendurchschnitt der Halbjahreszeugnisse im sechsten Schuljahr als entscheidendes Kriterium zu akzeptieren und den Rest dem Losverfahren zu überlassen.

Viele haben auch die Möglichkeit genutzt, einen oder zwei Profilzüge mit besonderen Zugangsbedingungen zu bilden und daneben Regelzüge einzurichten.

Was machen wir anders?

Die Sophie-Scholl-Schule in Schöneberg und die Martin-Buber-Schule in Spandau sind einen anderen Weg gegangen. Interessanterweise gehören beide Schulen bis heute zu den am stärksten nachgefragten Schulen Berlins. Was machen wir anders und warum tun wir das?

Schon lange vor der Schulstrukturreform war es an beiden Schulen im Rahmen eines Schulversuchs üblich, alle Klassen profilorientiert zu bilden und die SchülerInnen nach Eignung und Neigung für eines der angebotenen Profile aufzunehmen. An der Sophie-Scholl-Schule gibt es neben den beiden deutsch-französischen SESB-Zügen ein musisches, künstlerisches, naturwissenschaftliches und wirtschaftlich-technisches Profil. An der Martin-Buber-Schule ist es statt der SESB-Züge noch ein sportliches, mathematisches und fremdsprachliches Profil. Diese Besonderheit in der Einrichtung beider Schulen wurde mit Beginn der Strukturreform als »Schule besonderer pädagogischer Prägung« abgesichert, nachdem die Evaluation des Schulversuchs ausgesprochen positiv ausgefallen war.

Die Profile sind uns sehr wichtig

Bereits bei der Aufnahme erfolgt die Anmeldung über eines der angebotenen Profile. Die Klassenverbände werden entsprechend den Profilen eingerichtet. Es ist also eine Entscheidung, die in der Regel vier Jahre lang tragen muss. Die SchülerInnen haben zum Beispiel in einer Musikklasse an der Sophie-Scholl-Schule bis zu sechs Wochenstunden Musik mit besonderem Instrumentalunterricht. Auch das setzt voraus, dass eine Entscheidung auf Basis umfassender Beratung und Information erfolgen muss, denn ein Profilwechsel ist nur ausnahmsweise möglich – wenn in einer anderen Klasse ein Platz frei ist.

Unsere Überlegung ist, dass jede Schüler*in nach sechs Jahren Schulzeit in einem oder mehreren der angebotenen Profile eine Stärke und ein besonderes Interesse entwickelt hat. Wir sind überzeugt, dass die besonderen Herausforderungen und die Erfolge in ihrem jeweiligen Profil die SchülerInnen stärken und sich diese Stärke auf deren Selbstbewusstsein positiv auswirkt. Davon profitieren auch die anderen Fächer. Und wir kompensieren auf diesem Weg die Nachteile des leistungsdifferenzierten Unterrichts mit seinem Defizit an Klassenzusammengehörigkeit. Der Klassenverband wird deutlich gestärkt, denn alle SchülerInnen sind durch ihr gemeinsames fachliches Interesse miteinander verbunden.

Dieses gemeinsame Interesse schafft darüber hinaus eine besondere Bindung zu den KlassenlehrerInnen, die in der Regel das Profilfach unterrichten.

Ein solcher Ansatz verträgt sich nicht mit einem Losverfahren, denn ein Zulosen zu den Profilklassen ließe die wichtigen Grundvoraussetzungen – Eignung und Neigung – in den Hintergrund treten. Wir haben uns deshalb verpflichtet, von vornherein 20 Prozent der Plätze für SchülerInnen zu reservieren, die über ihr Notenbild normalerweise keine Chance hätten.

Punktesystem statt Durchschnittsnote

Für jedes der angebotenen Profile gibt es ein gesondertes Verfahren mit standardisierten Anforderungen. Anstelle der Durchschnittsnote der Grundschule tritt ein Punktesystem, das neben den fachbezogenen Noten noch weitere, das gewählte Profil berührende Leistungen berücksichtigt. Dies können fachliche, in einem Aufnahmegespräch nachgewiesene Qualifikationen sein, aber auch fachbezogenes Engagement inner- und außerhalb der Schule.

Die fachbezogenen Noten spielen dabei eine untergeordnete Rolle – sie machen maximal 3 von 12 erreichbaren Punkten aus. Auf diese Weise verhindern wir, dass die Grundschulnoten ein zu starkes Gewicht erhalten und gewährleisten, dass Neigung wie Eignung wirklich im Mittelpunkt der Aufnahmeentscheidung stehen.

Die starke Nachfrage nach Schulplätzen an beiden Schulen beweist, dass dieses Verfahren trotz der Anstrengungen eines Auswahlgesprächs keineswegs abschreckend ist. Und die Ergebnisse beider Schulen in den zentralen Prüfungen lassen zumindest vermuten, dass die Ausgangsüberlegungen für dieses Projekt – Stärkung der Schülerpersönlichkeit, höhere Leistungsfähigkeit und -bereitschaft – richtig sind.

Was sind die erkennbaren Probleme dieses Aufnahmeverfahrens? Zum einen setzt es informierte Eltern und Kinder voraus. Wir müssen noch stärker als andere Schulen im Vorfeld des Anmeldezeitraums umfangreiche Informationsarbeit leisten. Dies kommt natürlich Familien entgegen, die sich in besonderem Maße um die schulische Entwicklung ihres Kindes kümmern. Aber bislang konnte nicht festgestellt werden, dass dadurch weniger Kinder aus den sogenannten bildungsfernen Elternhäusern angemeldet würden. Das breite Spektrum an Profilen wirkt einer solchen Selektion entgegen.

Für Rechtsanwälte ist ein profilorientieres Aufnahmeverfahren natürlich immer ein schönes Arbeitsfeld. Wir haben aufgrund der Übernachfrage jedes Jahr mit Dutzenden Widerspruchsverfahren und Klageverfahren zu tun. Das bedeutet, dass wir alles akribisch erfassen und dokumentieren müssen.

Das Verfahren ist insgesamt deutlich arbeitsaufwendiger als das herkömmliche. Und es ist darauf angelegt, dass es eine Auswahl unter den Schülern ermöglicht, weil für ein mit vielen Stunden belegtes Fach mit vierjähriger Bindung natürlich Eignung und Neigung wirklich gesichert sein müssen. Insofern ist es nicht einfach übertragbar. Aber der Grundgedanke könnte für andere Schulen durchaus attraktiv sein.


Dieser Artikel ist Teil des blz-Themenschwerpunkts „Übergänge gestalten“