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Bildungsfinanzierung

Zwischen Anspruch und Wirklichkeit

Wieviel gibt Berlin eigentlich für Berlin aus? Und ist das genug? Was würden wesentliche Verbesserungen kosten? Die AG Bildungsfinanzierung der GEW BERLIN hat nachgerechnet.

Einstürzende Schulbauten, schwache Ergebnisse, unzufriedene Beschäftigte – ohne Frage sind das Resultate des jahrzehntelangen Sparkurses. Ein nüchterner Blick auf die Zahlen zeigt allerdings Erstaunliches. Berlin gibt im Vergleich der Bundesländer in vielen Bereichen überdurchschnittlich viel Geld pro Schüler*in aus. Ein anderes Bild ergibt sich, wenn man die Ausgaben des Landes an der Entwicklung des Bruttoinlandsproduktes misst und an den Ansprüchen, die Politiker*innen in ihren Sonntagsreden formulieren.

Wir konnten es selbst kaum glauben. Aber Berlin war im Jahr 2015 Spitze in Deutschland und gab pro Schüler*in 8.900 Euro aus (Anm. d. Red.: Im Jahr 2016 waren es laut Destatis 9.200 Euro). Kein anderes Bundesland konnte da mithalten. In den Ausgaben sind im Wesentlichen drei Anteile enthalten, nämlich Personalausgaben, Sachaufwand und Investitionen. Hier fällt auf, dass Berlin Spitzenreiter*in bei den Sachausgaben ist und mit 1.600 Euro weit über dem Bundesdurchschnitt von 900 Euro liegt. Bei den Personalausgaben belegt Berlin mit 7.100 Euro Platz zwei hinter Thüringen, ebenfalls deutlich über dem Bundesdurchschnitt (5.600 Euro). Ganz anders allerdings fällt die Bilanz der Investitionsausgaben aus. Im Jahr 2015 gab Berlin pro Schüler*in nur 200 Euro aus, während im Bundesdurchschnitt doppelt so viel investiert wurde. Diese Zahl erklärt möglicherweise den Zustand vieler Schulgebäude.

Die Angabe zu den Personalausgaben muss verwundern. Sie steht im Widerspruch zum bundesweit schlechtesten Einkommen der Berliner Lehrkräfte, und das trotz des deutlich höheren Durchschnittsalters. Durchschnittlich beträgt das Monatsbruttogehalt an Berliner Schulen 4.800 Euro und liegt damit 400 Euro unter dem Bundesdurchschnitt. Laut DGB-Besoldungsreport 2018 erhalten Berliner Beamt*innen etwa fünf Prozent weniger als der Bundesdurchschnitt und zehn Prozent weniger als Bayerische oder Bundesbeamt*innen der gleichen Besoldungsgruppe.

Die Arbeitsbedingungen sind an Berliner Schulen besonders schlecht

Wie erklären sich also die hohen Berliner Bildungsausgaben je Bildungsteilnehmer*in? Fakt ist: weder die Klassenfrequenzen, noch die Schüler*innen-Lehrer*innen-Relation (mit Ausnahme der Klassen 5 bis 10), die Unterrichtsstunden je Schüler*in oder die Pflichtstundenzahl der Lehrkräfte weicht in Berlin merklich vom Bundesdurchschnitt ab. Als Ursachen für höhere Berliner Bildungsausgaben haben wir lediglich gefunden: erstens einen wesentlich höheren Ganztagsanteil von 72 Prozent gegenüber knapp 50 Prozent im Bundesdurchschnitt im Grundschulbereich. Und zweitens einen merklich höheren Anteil »teurerer« Vollzeitschüler*innen (das heißt ohne Ausbildungsvertrag) im Berufsschulsystem.

Das scheint als Erklärung insgesamt nicht auszureichen. Dass die Senatsverwaltung die vorhandenen Mittel nur wenig effizient einsetzt, ist eine naheliegende Vermutung, kann aber von uns nicht belegt werden. In Berlin sind die Bildungsausgaben je Schüler*in in den letzten Jahren insgesamt gestiegen. In den Jahren zwischen 1995 und 2004 sanken die Ausgaben zunächst um etwa 14 Prozent, auf der Preisbasis des Jahres 2000. In diesen Jahren sank zwar die Schüler*innenzahl. Noch schneller aber sanken die Ausgaben. Ab 2004 ist ein bemerkenswerter realer Anstieg von 60 Prozent zu beobachten. Im Jahr 2004 gab Berlin 4.047 Euro pro Schüler*in aus, im Jahr 2015 waren es 6.486 Euro (Zahlen unter Berücksichtigung der Schüler*innenzahl und der Preisentwicklung). Diese Steigerung der Ausgaben ist mit unserer Einschätzung der Verschlechterung der Arbeitsbedingungen und der Gehaltsentwicklung nicht in Übereinstimmung zu bringen.

Die Kanzlerin forderte sieben Prozent für Bildung

Die AG Bildungsfinanzierung zieht zur Bewertung der Bildungsausgaben immer wieder das Bruttoinlandsprodukt (BIP) als Vergleichsgröße heran. Das ist auch international eine anerkannte Messlatte. Dieser Vergleich hilft, Berlins Ausgaben für Bildung richtig einzuordnen. Es ist jetzt gut zehn Jahre her, dass die Bundeskanzlerin eine Zielgröße vorgab. Auf dem Dresdener Bildungsgipfel forderte sie sieben Prozent des BIP für die Bildung (und noch einmal drei Prozent für die Forschung) ein. Dieser Zielgröße jagen wir seitdem hinterher. Berlin gab im Jahr 1995 noch 5,8 Prozent seines BIP für Bildung aus. Im Jahr 2017 ist dieser Anteil auf 4,9 Prozent gesunken. Trotz einer Steigerung der Ausgaben seit 2004 in absoluten Zahlen sind die Ausgaben des Landes gemessen an der Wirtschaftskraft also gesunken. Bei dieser Betrachtung ist der Anteil privater Bildungsausgaben nicht berücksichtigt.

Um das von der Kanzlerin formulierte Ziel zu erreichen, müsste Berlin also rund zwei Prozent mehr für Bildung ausgeben. Wir sind bescheiden und fragen: Was wäre ein Prozent des BIP mehr für Bildung? Das wären 2017 für den Berliner Haushalt etwa 1,3 Milliarden Euro gewesen (Berliner BIP 2017: 136,6 Milliarden Euro) oder je Schüler*in fast 3.000 Euro. Klingt unrealistisch viel, aber damit lägen die Ausgaben immer noch weit unter dem selbstgesetzten Ziel (sieben Prozent) als auch den Ausgaben anderer Länder wie Australien, Kanada, Neuseeland, Norwegen, Großbritannien oder den USA, die 2015 alle sechs Prozent oder mehr des BIP für Bildung ausgaben.

Mit 1,3 Milliarden Euro ließen sich einige der zentralen Forderungen der GEW BERLIN finanzieren. Eine Verringerung der Klassenfrequenzen um zwei Schüler*innen würde grob überschlagen etwa 360 Millionen Euro kosten. Mit einem ähnlichen Betrag ließen sich die Arbeitszeit der Erzieher*innen und der sozialpädagogischen Fachkräfte ebenso wie die Pflichtstundenzahl der Lehrkräfte merklich reduzieren.

Und dann bliebe immer noch viel Geld übrig, um Schulen besser auszustatten und in einem ordentlichen Zustand zu erhalten. Die Kassen des Finanzsenators sind derzeit gut gefüllt. Wann, wenn nicht jetzt ist die Zeit für Investitionen in die Zukunft?

Die AG Bildungsfinanzierung der GEW BERLIN trifft sich monatlich in der Ahornstraße und freut sich über Mitstreitende. Man muss nicht VWL studiert haben um mitzumachen. Interesse an Fragen der  Bildungsfinanzierung genügt. Auf der Website der AG finden sich weitere, umfassende Informationen zum Thema.

Langfassung dieses Artikels mit umfangreichen Quellenangaben als PDF