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Standpunkt

Der Demokratie verpflichtet

Die AfD versucht ihre Vorstellung von der »neutralen Schule« zu verankern: eine Schule, die menschenverachtende, ausgrenzende und antidemokratische Positionen als gleichwertig darstellt.

Foto: GEW BERLIN

Lehrkräfte müssen »neutral« sein – diese Behauptung tauchte in den letzten Wochen häufig in der öffentlichen Debatte auf, sicher auch in vielen Lehrer*innenzimmern. Grund ist der Start eines Online-Portals, auf dem die AfD in mehreren Bundesländern, unter anderem auch in Berlin, Beschwerden über allzu kritische Lehrkräfte sammeln will. Die Verfechter*innen der Neutralität beziehen sich meist auf das Beamtinnenrecht sowie den Beutelsbacher Konsens, der regelt, dass gesellschaftliche Kontroversen auch an der Schule abgebildet werden müssen und Lehrkräfte den Schüler*innen keinesfalls ihre eigene Meinung aufdrängen dürfen. 

Allerdings liegen dieser Argumentation zwei Missverständnisse zugrunde: Erstens geht es hier nur um parteipolitische Neutralität – Lehrkräfte dürfen beispielsweise keine bestimmte Partei bewerben. Es geht hingegen nicht um Neutralität im Hinblick auf Werte. Im Gegenteil: Eintreten gegen die Ideologie des Nationalsozialismus, für Menschenrechte, Toleranz gegenüber Religionen, Demokratie, Gleichstellung von Mann und Frau – die Schulgesetze der Länder geben Lehrkräften mit diesen oder ähnlichen Bildungsaufträgen sehr deutlich vor, dass sie nicht »neutral« sein dürfen. In der Praxis müssen Lehrkräfte bestimmte Positionen der AfD daher sehr deutlich kritisieren: Die Ablehnung von Pluralismus und die Vorstellung eines homogenen Volkes, die Ausgrenzung von Muslim*innen und Afro-Deutschen, Antisemitismus und die Verharmlosung des Nationalsozialismus. All das dürfen und sollten Lehrkräfte kritisieren. Dass die Schüler*innen dabei am besten anhand von Quellen selbstständig zu einem Urteil gelangen sollen, entspricht dem Grundverständnis von politischer Bildung. Entscheidend ist aber, dass dieses Urteil die Grenzen des Demokratischen in den Blick nimmt.

Hier schließt sich das zweite Missverständnis an. Es beruht darauf, dass der Beutelsbacher Konsens verkürzt wiedergegeben wird. Das Kontroversitätsgebot gilt nämlich nur für Positionen innerhalb der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Positionen hingegen, die grundlegende Werte der pluralistischen Demokratie ablehnen, sollen gerade nicht als gleichberechtigte Idee neben anderen stehen. In der Praxis kann das beispielsweise bedeuten, in einer Reihe zur Einwanderungspolitik exemplarisch die Positionen von CDU, SPD und Grünen zu analysieren, aber eben nicht die Vorstellungen der AfD, die in vielen Bereichen die Menschen- und Grundrechte missachtet. Das Parteiprogramm der AfD kann natürlich behandelt werden, dann allerdings beispielsweise  unter dem Aspekt, inwieweit darin Grundlagen der pluralistischen Demokratie angegriffen werden.

Eine neutrale Schule würde menschenverachtende, ausgrenzende und antidemokratische Positionen als gleichwertig darstellen. Eine der Demokratie verpflichtete Schule hingegen bezieht eine klare Haltung – gegen derartige Positionen und alle, die sie vertreten. Da ist es nicht überraschend, dass gerade der AfD eine neutrale Schule so wichtig ist. Ihren Begriff von der neutralen Schule im öffentlichen Diskurs zu verankern, scheint ein Hauptziel ihrer Kampagne zu sein – neben der Einschüchterung engagierter Demokrat-*innen, die sich dem Bildungsauftrag des Schulgesetzes verpflichtet fühlen. Die der Demokratie verpflichtete Schule muss dagegen verteidigt werden.    
 

Kontakt
Markus Hanisch
Geschäftsführer und Pressesprecher
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