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Wildwuchs in der Erzieher*innen-Ausbildung

»Wir verdienen einen Preis«

Freie gemeinnützige Träger sichern mit ihrem großen Engagement den Fachkräftebedarf des Landes Berlin.

Foto: GEW BERLIN

Seit 2011 war absehbar, dass in einem erheblichen Umfang zusätzliche pädagogische Fachkräfte benötigt werden. Vor diesem Hintergrund bauten die Fachschulen für Sozialpädagogik in freier Trägerschaft in den zurückliegenden Jahren ihre Kapazitäten aus und antizipierten frühzeitig die heutige Situation. Mit dem Schuljahr 2011/2012 lag die Anzahl der Studierenden an den Fachschulen in öffentlicher und freier Trägerschaft bei jeweils rund 3.000 Personen. Damals waren also insgesamt 6.000 Studierende auf dem Weg zum Berufsabschluss staatlich anerkannte*r Erzieher*in. Der dann folgende Ausbau, insbesondere der berufsbegleitenden Ausbildung, erfolgte fast ausschließlich durch die gemeinnützigen Fachschulen in freier Trägerschaft. Im Schuljahr 2017/2018 waren rund 9.000 Studierende in Ausbildung. Das ist wesentlich der Leistung der freien gemeinnützigen Träger zu verdanken. An ihren Schulen befanden sich 5.800 Studierende und an den Schulen in öffentlicher Trägerschaft 3.200. Seit Anfang 2017 hat nun auch die Berliner Landesregierung den Fachkräftemangel in den pädagogischen Berufsfeldern erkannt. 

Unter dem Dachverband des Paritätischen Berlin befinden sich derzeit zehn Fachschulen, davon noch drei Schulen in der Wartefrist. Die Fachschulen in der Wartefrist werden derzeit nicht über den Zuschuss des Landes Berlin finanziert und müssen sich erst als Schulträger bewähren, um dann eine anteilige Finanzierung für die Personalkosten durch das Land zu erhalten. Neun der Fachschulen in freier Trägerschaft betreiben selber Einrichtungen der Jugendhilfe (Kindertagesstätten, Jugendfreizeiteinrichtungen, Wohngruppen der erzieherischen Hilfen und so weiter) oder gehören einem Verbund von Organisationen der Jugendhilfe an. 

Diese Fachschulen sind in der Mehrzahl aus dem Antrieb entstanden, die Anforderungen an personellen und fachlichen Kompetenzen aus dem Tätigkeitsfeld bedarfsgerecht und zielgenau zu vermitteln sowie eine praxisnahe Ausbildung zu gestalten. Darüber hinaus war es vielen dieser Fachschulen wichtig, den Lernort Schule mit dem Lernort Praxis besser zu verzahnen. Die hohe Motivation der Fachschulen für Sozialpädagogik, den Studierenden ein gutes Lernumfeld zu schaffen und ihnen über den normalen Standard hinaus vertiefende Schwerpunkte, wie beispielsweise Inklusion, Diversity, Sprache, ästhetische Bildung, Theater- und Medienpädagogik zu unterbreiten, macht die besondere Stärke dieser Schulen aus. Dabei bewegen sie sich alle auf einem guten und hohen fachlichen Standard. Die Fachschulen nehmen am Bonusprogramm des Landes teil und sind teilweise in fachschulübergreifenden Arbeitsgruppen mit den öffentlichen Fachschulen und der Bildungsverwaltung aktiv.

Aufgrund des sich verschärfenden Fachkräftemangels in den pädagogischen Berufen, in den kommenden drei Jahren, werden beispielsweise rund 4.500 zusätzliche Vollzeitäquivalente in den Kindertagesstätten Berlins benötigt. Es müssen erhebliche Anstrengungen unternommen werden, potentielle Fachkräfte zu gewinnen. Aus unserer Sicht wird es noch stärker als bisher notwendig sein, Ausbildungs- sowie Fort- und Weiterbildungskonzepte für die Beschäftigten in den pädagogischen Arbeitsfeldern zu entwickeln. Die Arbeitenden in diesen Berufsfeldern benötigen eine Perspektive in der Erreichung formaler Berufsbildungsabschlüsse und Zusatzqualifikationen für die berufliche sowie persönliche Weiterentwicklung, damit ihnen eine dauerhafte Tätigkeit im Berufsfeld ermöglicht wird. Sicher wird es dabei immer auch eine Diskussion über die notwendigen Ausgangsqualitäten der potentiell Beschäftigten in den jeweiligen Arbeitsbereichen geben müssen und um die Qualitätserfordernisse der jeweiligen Tätigkeit. Aber in Zeiten eines dramatischen Fachkräftemangels müssen wir alles tun, um geeignete Bewerber*innen zu gewinnen und dann zu qualifizieren. Daher setzen wir auf langfristige und dauerhafte Berufsbildungsstrategien. Die gemeinnützigen Fachschulen in freier Trägerschaft unter dem Dach des Paritätischen leisten ihren Beitrag dazu, die rechtlichen Ansprüche aus dem Sozialgesetzbuch und die fachlichen Ansprüche an die pädagogischen Angebote in ihren Institutionen zu sichern. Der Paritätische Berlin hat mit seinem Netzwerk Qualität seit über einem Jahr eine Plattform zum Austausch zwischen den unterschiedlichen Ebenen und Institutionen geschaffen. Dabei sind öffentliche wie freie Träger gleichberechtigt und partnerschaftlich an der Fortentwicklung der Verzahnung der beiden Lernorte Schule und Praxis beteiligt. 

Der Fachkräftebedarf in Berlin wäre heute deutlich höher und die Situation in den Arbeitsfeldern noch dramatischer, wenn die Fachschulen in freier Trägerschaft nicht frühzeitig darauf reagiert hätten. Dafür sollten sie eigentlich besser ausgestattet werden, zumindest aber mehr Anerkennung erhalten.    

Das Vollzeitäquivalent (VZÄ) ist eine Hilfsgröße bei der Messung von Arbeitszeit. Die Anzahl der VZÄ gibt an, wie viele Vollzeitstellen sich rechnerisch bei einer gemischten Personalbelegung mit Teilzeitbeschäftigten ergeben. 

 

Kontakt
Markus Hanisch
Geschäftsführer und Pressesprecher
Telefon:  030 / 219993-46