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Wenn dein starker Arm es will

Der Rhythmus des Widerstands

Musik ist für politische Aktionen so wichtig wie Fahnen und Schilder.

Foto: GEW BERLIN

Auf vielen Demonstrationen sieht und hört man sie, die Sambagruppen. »Rhythmus of Resistance« ist ein europäisches Netzwerk aus Dutzenden solcher Gruppen, die fester Bestandteil politischer und gewerkschaftlicher Kampagnen sind. Seit sechs Jahren hat auch die GEW BERLIN ihre Sambagruppe. Mit den Klängen des Sambas soll das ausgedrückt werden, was die Demonstrierenden bewegt: Emotionen wie Empörung und Wut, energisch erhobene Forderungen. Wer schon seit 1968 dabei ist und voller Inbrunst einst »Hoch die internationale Solidarität« gerufen hat, kann bestätigen, dass das Rufen in den folgenden Jahrzehnten leiser geworden ist. Vielleicht sind wir angesichts nüchtern operierender Gegner*innen nicht mehr wirklich empört, vielleicht wollen viele Demonstrant*innen sich auch einfach nur in Ruhe unterhalten. Aber irgendwie klafft jetzt bei unseren Demonstrationen ohne Sprechchöre eine emotionale Lücke. Genau diese wollen die Sambagruppen schließen. Irgendjemand muss die Forderungen der Demonstrierenden in die Welt hinausrufen und die Demonstrierenden unter einem wie auch immer gearteten Dach vereinen.

Die auf den Demonstrationen gespielten Rhythmen sind schon von ihrer Entstehung her Ausdruck des Protests, der Bewahrung der Kultur der aus Afrika Geraubten. Seitdem diese ihre Rhythmen mit nach Amerika brachten, hat sich ihre Musik jedoch weiterentwickelt. Sie ist Teil der lateinamerikanischen Lebensweise geworden und drückt nicht nur das Lebensgefühl der Nachkommen der afrikanischen Sklav*innen aus. Tango, Rumba, Bossa Nova – das sind Musikstile und Tänze Lateinamerikas aus dem 19. und 20. Jahrhundert, die in Europa bekannt wurden.

Samba als Einladung zu Partizipation

Gleichwohl kamen in den 1970er Jahren in den ärmsten Stadtteilen Brasiliens Afro-Block-Trommelgruppen auf und wurden zu einer Bewegung des Widerstands und zu einer Quelle des Selbstvertrauens, so beispielsweise Olodum in Salvador da Bahia. Was die Sambagruppen heute spielen, sind uralte Rhythmen wie Ijexá, Bajao, Maracatu. Funk entstand in den 1960er Jahren, Sambareggae entstand in den 70ern. Sie lassen die Hüften wackeln, verbreiten gute Laune und Selbstvertrauen. Durch die Emotionen, die die Musik hervorruft, schafft sie Gemeinsamkeit unter den Anwesenden. Einheitliche Kleidung unterstützt dies noch. Bei der GEW-Sambagruppe ist es das rote T-Shirt beziehungsweise bei Wind und Regen die rote Jacke.

Wir treten oft auf Warnstreiks von Beschäftigten kleiner Einrichtungen im sozialen Bereich oder öffentlicher und privater Schulen auf. Werktags kommen wir häufig mit wenigen Musiker*innen, bringen aber alle unsere Instrumente mit und machen einen öffentlichen Workshop für die Streikenden. Jede*r kann mitmachen. Dies ist eine wunderbare Gelegenheit, mehr zu tun als nur böse mit einem Plakat herumzustehen. Auch noch so eine kleine Gruppe Streikender kann sich einig, geschlossen und stark fühlen. Mit dieser Intention gründeten im Januar 2012 vier aktive GEW-Mitglieder die »Sambagruppe der GEW BERLIN«. Ganz schnell fanden wir – das war unser Glück – einen versierten Lehrer, der uns alle lateinamerikanischen Rhythmen beibringen kann und dessen Herz auch mit unseren politischen Anliegen in Einklang ist.

Inzwischen ist die Gruppe auf zwölf feste Mitglieder angewachsen. Was uns zusammenhält, ist das gemeinsame politische Anliegen, die Freude an dieser Musik und die freundschaftlichen Umgangsformen in der Gruppe. Mitglieder berichten, dass sie sich durch ihre Beteiligung an der Sambagruppe der GEW wieder mehr verbunden fühlen und sich durch die Auftritte auch mehr für deren politische Anlässe interessieren.

Die meisten von uns sind Laien, viele machen hier zum ersten Mal Percussion. Da dauert es bei jedem neuen Stück eine Weile, bis sich alles zurechtgeruckelt hat und das Tempo geeignet ist, die Zuhörer*innen mitzunehmen. Aber es macht uns Spaß und wir werden immer besser. Wir bemühen uns, den Anforderungen gerecht zu werden.

Bei der Demonstration zum internationalen Frauentag am 8. März 2017 fingen die Demonstrantinnen vor und hinter uns zu tanzen an und klatschten Beifall; das war für uns die schönste Bestätigung, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Überhaupt war 2017 unser erfolgreichstes Jahr: 16 Auftritte hatten wir, die meisten für die GEW BERLIN, aber auch der Berlin Marathon war dabei. Der Kalender 2018 füllt sich schon mit Auftritten und Projekten wie beispielsweise Workshops; auch dieses Jahr verspricht interessant zu werden.

Kontakt
Markus Hanisch
Geschäftsführer und Pressesprecher
Telefon:  030 / 219993-46