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studieren in Armut

Studis ohne Absicherung

Für viele Studierende gestaltet sich die Finanzierung ihres Studiums schwierig. Ein Grund ist, dass sie von vielen Sozialleistungen ausgeschlossen sind.

Foto: Christian von Polentz

Die Corona-Pandemie hat viele Lücken im Sozialsystem aufgezeigt. Das gilt auch für Studierende: vor allem wenn sie aus dem BAföG herausfallen und keine (ausreichende) Unterstützung von den Eltern bekommen. Doch das war auch schon vor Corona ein Problem. Was zurzeit passiert, ist nur die Zuspitzung einer ausgrenzenden Studienfinanzierung. Es ist ein politisches Problem, das viele Facetten hat.

Fangen wir zunächst beim Bundesausbildungsförderungsgesetz an, kurz BAföG: Das BAföG ist dafür gedacht, dass Studierende staatliche Unterstützung bekommen, wenn ihre Eltern ihnen wegen zu geringen Einkommens keinen Unterhalt zahlen können. BAföG fördert somit keine Studierenden mit reichen Eltern. BAföG ist eine Sozialleistung und im Gegenzug zur Finanzierung des Studiums werden viele Hürden geschaffen. Zum einen ist der BAföG-Satz viel zu niedrig, um davon zu leben. Und zum anderen wird der Kreis der BAföG-Bezieher*innen mit Absicht klein gehalten. Das führt dazu, dass viele keinen BAföG Anspruch haben, zum einen wegen der vielen BAföG-Ausschlussgründe (beispielsweise Staatsbürgerschaft, Alter, zu viele Ausbildungen/Studiengangwechsel) und zum anderen wegen der strengen Einkommensanrechnung von Eltern, Ehe- beziehungsweise Lebenspartner*innen und dem eigenen Vermögen und Einkommen. Letztendlich bekommen immer weniger Studierende BAföG – und das trotz dem letzten BAföG-Reförmchen von 2019. Hier gab es zwar punktuelle Verbesserung, eine strukturelle Verbesserung der Studienfinanzierung war die »Reform« jedoch nicht.

»Lieber« arbeiten als BAföG

Während die BAföG-Förderquoten abnehmen, arbeiten immer mehr Studierende zusätzlich zum Studium. Studentische Jobber*innen fallen unter das sogenannte Werkstudierenden»privileg«. Das heißt, dass bei unter 20 Wochenstunden der Job nicht voll sozialversicherungspflichtig ist. Damit müssen sich Studierende selbst krankenversichern und sie zahlen nicht in die Arbeitslosenversicherung ein – und bekommen im Gegenzug dafür mehr Geld raus. Oft finden Studierende das sogar gut, weil es ihnen lieber ist, mehr Geld zu haben, als sozial abgesichert zu sein. Doch es birgt Risiken: es gibt keinen Anspruch auf Krankengeld und bei Jobverlust gibt es kein Arbeitslosengeld I, weil nicht in die Versicherung eingezahlt wurde.

Aktuell ist das ein Problem, da Studierende dadurch nicht in Kurzarbeit gehen können. Kurzarbeit ist das Instrument, mit dem die Bundesregierung versucht, Corona abzufedern. Auch wenn die Kurzarbeit zu Recht auch von gewerkschaftlicher Seite kritisiert wird: studentische Jobber*innen haben nicht einmal die Möglichkeit dazu. Und das, obwohl sie teilweise sehr viel arbeiten und sich hauptsächlich durch diese Arbeit finanzieren.

Aber wenigstens Hartz IV

Studierende haben normalerweise auch keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld II, weil ihre Ausbildung zumindest prinzipiell BAföG-förderungsfähig ist. Somit sind sie auch hier nicht abgesichert, wenn sie arbeitslos werden. Lediglich im Teilzeitstudium, Urlaubssemester oder nach 3-monatiger Krankheit besteht für die meisten Studierenden ein Anspruch. Tatsächlich hat Hartz IV einige Vorteile gegenüber dem BAföG: zumindest wird nicht lediglich eine pauschale Miete von 325 Euro gezahlt, sondern die volle Miete. Das ist zumindest in Städten mit teuren Mieten wie Berlin durchaus relevant. Auch der Regelsatz ist beim Jobcenter mit aktuell 432 Euro höher als beim BAföG mit 427 Euro. Das BAföG hat dabei weniger Repressionsmechanismen als Hartz IV, was dafür jedoch nicht zur Hälfte zurückgezahlt werden muss. Auch lässt sich der Bezug von BAföG-Leistungen leichter als von Arbeitslosengeld II mit einem Nebenjob vereinbaren.

Wichtig für den Bezug von ALG II: Die Voraussetzungen, um ein Teilzeitstudium oder Urlaubssemester zu beantragen, werden vom Landeshochschulgesetz und/oder der Uni geregelt. Es ist sinnvoll, sich über die Regelung und Verwaltungspraxis zu informieren. Gründe können zum Beispiel Kindererziehung, Pflege von Angehörigen, Krankheiten, chronische Erkrankungen beziehungsweise Behinderungen und Erwerbstätigkeit sein. Rein studienbezogene Gründe reichen nicht aus, um einen Anspruch auf Leistungen erheben zu können.

Schuldenfalle KfW-Kredit

Studierende haben als letztes Mittel noch die Möglichkeit, einen Kredit aufzunehmen, etwa bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). Doch schon vor Corona war der KfW-Kredit für Studierende eine der schlechteren Optionen. Im Zuge der Pandemie wurde der Zugang zu diesen Krediten etwas erleichtert und Bildungsministerin Kaliczek tut nun so, als ob sie den großen Wurf gelandet habe. Dabei werden so nur noch mehr Studierende als ohnehin schon in die Verschuldung getrieben. Den Zahlen nach beantragen seit Corona überdurchschnittlich häufig internationale Studierende den Kredit. Sie sind oft auf ihren Job zur Finanzierung angewiesen, weil sie meistens keinen Anspruch auf BAföG oder andere Sozialleistungen haben. Für Krisen wie die aktuelle sind sie daher besonders anfällig.

Neben dem KfW-Kredit lässt Karliczek 100 Millionen Euro für alle Studierende in Not springen. Das hört sich erst einmal nach viel Geld an – steht jedoch in keinem Verhältnis zu dem Bedarf. Die »Überbrückungshilfe für Studierende in akuter Notlage« durfte im Juni, Juli und August beantragt werden und es können bis zu 500 Euro pro Monat ausgezahlt werden. Das Ganze kommt zunächst einmal drei Monate zu spät! Abgesehen davon, dass niemand von 500 Euro leben kann, gibt es keine Sicherheit, Geld zu bekommen: Ein Rechtsanspruch auf die Leistung wird ausgeschlossen. Es gibt zahllose Berichte, die über intransparenten Kriterien, eine falsch arbeitende Software und fehlende Möglichkeiten, Unterlagen nachzureichen, klagen. Es ist also eher Glückssache, ob ein Antrag genehmigt wird.

Letztlich ist es egal, welches Sozialsystem für Studierende geöffnet wird. Hauptsache ist, dass es eine Lösung für ALLE gibt. Sie sollen wissen, dass und wie sie durch diese Zeit kommen können und nicht Angst um ihre Existenz haben, ihr WG-Zimmer untervermieten und irgendwo auf einer Couch schlafen müssen. Eine Situation, in der manche Studierende nicht mehr wissen, wie sie sich und vielleicht auch ihre Familie ernähren können, oder in der sie als einzigen Ausweg nur die Exmatrikulation sehen, weil sie Semestergebühren nicht zahlen können, ist untragbar.

Es muss eine Lösung her, die keine Lotterie ist, die verlässlich ist und auf die alle Studierende zählen können. Hier müssen vor allem internationale Studierende mitgedacht werden. BAföG-Öffnung für Alle, Werkstudi-»Privileg« abschaffen und weg mit dem Hartz-IV-Leistungsausschluss für Studierende. Am besten alles auf einmal und das besser gestern als heute!    

 

Kontakt
Markus Hanisch
Geschäftsführer und Pressesprecher
Telefon:  030 / 219993-46