Zum Inhalt springen

OSZ - Schule mit Zukunft

Anschluss oder Abschluss

Der Bildungsgang Integrierte Berufsausbildungsvorbereitung (IBA) versucht, Jugendlichen Perspektiven zu schaffen. Er scheitert daran, dass er zu viel auf einmal will. Eine konstruktive Kritik.

515_Mutter
Foto: Bertolt Prächt

Das Übergangssystem von Klasse 10 zur Ausbildung ist seit den 00er Jahren immer wieder in der Diskussion und verändert worden. Nach einer Pilotphase an zunächst 6 im Laufe der Zeit 18 Schulen von 2012 bis 2018 wurde mit dem Schuljahr 2019/2020 der Bildungsgang Integrierte Berufsausbildungsvorbereitung (IBA) flächendeckend an OSZ und berufsbildenden Schulen als Regelbildungsgang eingeführt. Er ersetzt das bisherige Übergangssystem mit den Bildungsgängen Berufsqualifizierender Lehrgang (BQL) und Einjährige Berufsfachschule (OBF1), in die die Schüler*innen je nach zuvor erreichtem Abschluss eingestuft wurden und die sie dann sogar mehrfach durchlaufen konnten.

Während zuvor das Ziel war, einen höherwertigen Schulabschluss zu erlangen, um die Voraussetzungen für einen Ausbildungsplatz zu verbessern, soll der einjährige IBA-Bildungsgang eine klare Ausrichtung auf die direkte Vermittlung in eine duale Ausbildung haben. Er nimmt für die Berufsvorbereitung alle auf, unabhängig vom vorherigen Abschluss. Nach dem einen IBA-Jahr soll sich eine Ausbildung oder eine Arbeitstätigkeit anschließen. Ein Erreichen der allgemeinbildenden Abschlüsse Mittlerer Schulabschluss (MSA), erweiterte Berufsbildungsreife (eBBR) oder Berufsbildungsreife (BBR) ist aber zusätzlich möglich.

Kein Ausbildungsplatz, keine Perspektive

Es erschien zunächst als richtiger Grundgedanke, das Übergangssystem zu verschlanken und den Schwerpunkt im IBA-Jahr auf die Vermittlung in eine Berufsausbildung zu legen. Die Möglichkeit, zusätzlich einen allgemeinbildenden Abschluss zu erreichen beziehungsweise nachzuholen, unterläuft diese Zielsetzung jedoch. Schon seit der Schulversuchsphase von IBA fällt auf, dass Schüler*innen und gegebenenfalls Eltern stark auf Schulabschlüsse fixiert sind. Die Zielsetzung eines beruflichen Anschlusses ist den IBA-Schüler*innen schwer zu vermitteln.

Dies führt dazu, dass Schüler*innen die verpflichtenden Praktikumsphasen von insgesamt 10 Wochen nicht als Chance begreifen, einen Ausbildungsplatz zu finden, sondern nur als Voraussetzung für die Abschlüsse. Die Zielsetzung, gezielt Praktikumsbetriebe für den eigenen Anschluss zu wählen, wird selten umgesetzt. Schüler*innen verlieren im Verlauf des ersten Halbjahres die Motivation, wenn deutlich wird, dass sie das Leistungsniveau für den MSA, teilweise auch für den eBBR nicht erreichen. Das führt zu vermehrten Abbrüchen, oft ohne weitere Perspektiven. Einige hätten eine realistischere Chance auf den Abschluss, wenn die Prüfungsvorbereitung der Schwerpunkt des Lehrgangs wäre, mit mehr Stunden in der Allgemeinbildung und weniger Praktika.

Trotz aller Anstrengungen kann also häufig keine der beiden divergierenden Zielsetzungen bei zahlreichen Schüler*innen erreicht werden. Ein anderer möglicher Lösungsansatz wäre, Schüler*innen einen zweiten Versuch für den MSA an den Integrierten Sekundarschulen (ISS) zu ermöglichen. IBA wäre ausschließlich für die Vermittlung in Ausbildung zuständig.

Ein weiteres Problem liegt in der Bindung an ein festes Berufsfeld. Der Konzeption von IBA nach sollen sich die Schüler*innen mit ihrer Schulwahl für das Berufsfeld entscheiden, in dem sie nach IBA einen Anschluss finden wollen. An unserer Schule beispielsweise für Wirtschaft und Verwaltung. Jedoch ist die Mehrheit der Schüler*innen beruflich kaum orientiert, sodass jedes Jahr eine beachtliche Zahl im Schuljahresverlauf merkt, dass sie im falschen Berufsfeld an der falschen Schule ist. Der Ansatz, wonach die Schüler*innen im laufenden Schuljahr in das passende Berufsfeld wechseln sollen, ist aufgrund unterschiedlicher Auslastungen der IBA-Lehrgänge in den verschiedenen OSZ und der mangelnden Berufsorientierung kaum umzusetzen.

Künstliche Teilung in Praxis und Theorie

In der Umsetzung der IBA-Konzeption zeigt sich, je nach Berufsfeld, noch eine Schwierigkeit. Grundsätzlich vertritt IBA den Lernfeldansatz (siehe unten), wie er auch in den Ausbildungen didaktisches Leitprinzip ist. Gleichzeitig unterscheidet IBA aber zwischen Fachtheorie und Fachpraxis, das erscheint widersprüchlich und rückschrittlich. In Berufsfeldern, welche die Fachpraxis auf Werkstätten, Küchen oder ähnliche Fachräume konzentrieren, mag die Teilung praktikabel sein, in Berufsfeldern wie Wirtschaft und Verwaltung, in denen Fachpraxis und Fachtheorie – auch räumlich – stärker ineinanderfließen, ist die Teilung künstlich und erschwert die ganzheitliche Erfassung betrieblicher Vorgänge.

Mit der Einführung von IBA wurde eine Bildungsbegleitung installiert. Die Bildungsbegleiter*innen kümmern sich ausschließlich um die Beratung, Begleitung und Vermittlung in Ausbildung. Die Bereitstellung dieser Ressourcen ist ausdrücklich positiv zu werten und war erfolgreich, sofern die Schüler*innen daran Interesse zeigten. Lehrkräfte hätten dies nur bei entsprechend erheblichen Abminderungen leisten können. Sollen die Möglichkeiten von IBA erfolgreich genutzt werden, muss die Bildungsbegleitung im vollen Umfang beibehalten werden. Dies betrifft sowohl den Personalschlüssel als auch die dauerhafte Finanzierung aus Landesmitteln.

Die Bildungsbegleitung ermöglicht nicht nur gezielte und individuelle Berufsorientierung, sondern auch eine enge und umfangreiche Praktikumsvorbereitung, -durchführung und -auswertung. Auf diese Weise können die zehn Wochen Praktikum im Schuljahr grundsätzlich gut genutzt werden, würden sie nicht, wie beschrieben, mit dem Schulabschlussziel kollidieren. Ein weiteres Hindernis ist die Anbindung der Praktika an das Berufsfeld: Wer nach dem ersten Praktikum merkt, dass dieser Bereich nicht das Richtige ist, hat die Möglichkeit das zweite Praktikum in einem anderen Berufsfeld zu machen, allerdings sind die unterstützenden Lehrkräfte dann fachfremd.

Ebenso begrüßenswert ist die weitgehende Doppelsteckung der Lehrkräfte. Dadurch existieren deutlich bessere Möglichkeiten der Differenzierung und Individualisierung im Unterricht, gleichzeitig ist es ein Instrument, IBA je nach OSZ stimmig in die Schule zu integrieren.

Mehr Zeit für Geflüchtete

Ein Sonderfall sind die geflüchteten Schüler*innen. Trotz großer Bemühungen und meist hoher Motivation können sie sprachlich selten das erforderliche Niveau für die Abschlüsse erreichen. Des Weiteren ist den meisten das Konzept einer (dualen) Ausbildung unbekannt. In einem IBA-Jahr können zu wenig Schüler*innen vom Konzept Ausbildung als Anschluss und Basis überzeugt werden. Geflüchtete Schüler*innen würden von einem zweijährigen Konzept profitieren. So könnte Sprachförderung und Berufsorientierung in ausreichendem Maße betrieben werden, vielleicht sogar ein Schritt in eine Studienbefähigung gemacht werden.

IBA bietet Chancen. Besonders die umfangreichen Praktikumszeiten und die Bildungsbegleitung eröffnen Möglichkeiten zur persönlichen Orientierung und Anschlusssuche. Damit dieses Konzept erfolgreich arbeiten kann, muss jedoch dringend der Doppelschwerpunkt Anschluss und Abschluss aufgehoben werden.

Kolleg*innen, die in der Pilotphase dabei waren, gehen sogar noch einen Schritt weiter. Sie empfehlen statt einer Berufsvorbereitung eine intensive berufsfeldübergreifende Berufsorientierung mit eindeutigem Schwerpunkt auf die Vermittlung deutschsprachlicher und mathematischer Kompetenzen. Sinnvoll wäre ein Ausbildungsverbund des Landes Berlin mit Berliner Betrieben, um den Schüler*innen die Möglichkeit zu geben, sich während eines Schuljahres in verschiedenen Berufen auszuprobieren. Mit einer Verlagerung der allgemeinbildenden Abschlüsse zurück an die Integrierten Sekundarschulen könnte der Anteil der Praktikumszeiten stark erhöht werden, um dem Ziel, die Schüler*innen in einen beruflichen Anschluss zu vermitteln, näher zu kommen.

Lernfeldkonzeptionen

Der Lernfeldansatz geht vom Handeln in Arbeitssituationen aus und fragt nach den dafür benötigten Kompetenzen. Es ist eine weitgehende Abkehr von der fachsystematischen Stoffvermittlung.

Kontakt
Markus Hanisch
Geschäftsführer und Pressesprecher
Telefon:  030 / 219993-46