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Nr. 21/2023

Eine katastrophale Unterrichtsversorgung hinterlässt Spuren

Was jetzt getan werden muss, um den Schaden für die Berliner Bildung so gering wie möglich zu halten

Bereits im vergangenen Schuljahr wurde angesichts von rund 1.000 fehlenden Lehrkräften an zahlreichen allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen Berlins die Stundenausstattung deutlich auf unter 100 Prozent gekürzt. Dieser Negativtrend setzt sich in diesem Schuljahr fort. Alle Schulen werden nur noch mit maximal 96,3 Prozent des errechneten Stundenbedarfs ausgestattet, um den Lehrkräftemangel möglichst gleichmäßig auf alle Bezirke und Schularten zu verteilen. „Damit können an zahlreichen Schulen vor allem Angebote zur individuellen Förderung von Kinder mit besonderen Förderbedarfen kaum noch stattfinden. Das Ziel, die Quote von Schüler:innen ohne Abschluss zu senken, rückt somit in weite Ferne,“  so Tina Kardam, Co-Vorsitzende der Vereinigung der Berliner Schulleitungen (VBS) in der GEW BERLIN und Leiterin der Solling-Schule (ISS) in Marienfelde „Stundenausfälle sind unumgänglich. Berlin steht nicht vor einer Bildungskatastrophe, Berlin steckt schon mittendrin,“ fasst Nuri Kiefer, Co-Vorsitzender der VBS zusammen.

„Die Schulleitungen benötigen mehr Vertrauen der Bildungsverwaltung in ihre Gestaltungs- und Handlungskompetenz. Die eigenverantwortliche Schule wurde in der Vergangenheit sowohl auf bezirklicher als auch auf Landesebene zu oft konterkariert durch bevormundendes Verwaltungshandeln. Nur  Schulen selbst können dem Berliner Bildungschaos durch standortspezifische Entscheidungen etwas Adäquates entgegensetzen,“ so Detlef Pawollek, Mitglied im Vorstand der VBS und Schulleiter der Röntgen-Sekundarschule in Neukölln.

Die in der GEW BERLIN organisierten Schulleiter:innen fordern daher die neue Bildungssenatorin auf, folgende Maßnahmen unverzüglich zu ergreifen:

  • Nur eigenverantwortliche Schulen sind in der Lage mit der defizitären Personalausstattung umzugehen und zu standortspezifischen Lösungen zu kommen. Entsprechend benötigen die Berliner Schulen größtmögliche Freiheiten in der Gestaltungs- und Handlungskompetenz. Die Rekrutierung weiterer Berufsgruppen für eine Unterrichtstätigkeit bei angemessener (berufsbegleitender) Qualifizierung muss intensiviert werden.
  • Den Schulleitungen sind die finanziellen Mittel, die durch die Unterausstattung erschwert verausgabt werden können, als zusätzliches Budget freizugeben, um dem Personalnotstand mit individuellen Entscheidungen zu begegnen.
  • Die derzeit geltenden Vorgaben zur Verwendung der PKB-Mittel müssen ausgesetzt werden. Auch Angebote, die im vergangenen Kalenderjahr mithilfe von „Stark trotz Corona“ realisiert werden sollten, müssen ihre Fortsetzung finden.
  • Referendar:innen sind nach einem einheitlichen Verfahren in allen Bezirken transparent und gleichmäßig an die Schulen zu verteilen.
  • Die Abordnung von mehreren Hundert Lehrkräften an die Senatsbildungsverwaltung ist zu überprüfen. Auch in der Verwaltung einschließlich der Schulaufsicht sollte die Personalausstattung auf 96,3 Prozent reduziert werden. Die daraus resultierenden Stellen sind dem Schuldienst zurückzuführen. 
  • Der erhöhte Personalbedarf von Schulen besonderer Prägung (Eliteschulen und andere zentralverwaltete allgemeinbildende Schulen) ist auf den Prüfstand zu stellen. Der Personalbedarf ist solidarisch angepasst einzuschränken.
  • Die personelle Ausstattung im Bereich der gymnasialen Oberstufen ist zu begrenzen, sofern sehr kleine Oberstufenkurse auch perspektivisch keinen Aufwuchs erkennen lassen.
  • Die Ausbildung von Grundschullehrkräften bedarf dringend einer Reform. Das Studium ist inhaltlich und zeitlich den Erfordernissen des Berufsalltages anzupassen.
  • Die Schultypisierung mit der daraus resultierende Berechnung des standortspezifischen Strukturausgleichs ist umgehend auszusetzen, weil mit der Prognose der Unterrichtsausstattung für das kommende Schuljahr den Berliner Schulen auf diesem Wege zwei Jahre in Folge Lehrer:innenstellen im dreistelligen Bereich herausgerechnet wurden.
  • Datenbasierte Abschlüsse von Schulverträgen sind auszusetzen, da sie unter dem gegenwärtigen Personalnotstand keine Berechtigung besitzen. Selbige sind durch Beratungsgespräche von Seiten der Schulaufsicht zu ersetzen.
  • Die Arbeitsbedingungen der Lehrkräfte in den Schulen (Arbeitsplätze, techn. Geräte, Aufenthaltsbereiche etc.) müssen attraktiver werden und es muss begleitendes und unterstützendes Personal für den Unterricht angeworben werden.

 

Kontakt:

Nuri Kiefer
Co-Vorsitzender

Telefon: 0176/87 84 69 10
E-Mail: nuri.kiefer(at)gew-berlin(dot)de

Kontakt
Markus Hanisch
Geschäftsführer und Pressesprecher
Telefon:  030 / 219993-46