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Nr. 16/2025

GEW BERLIN fordert Arbeitszeiterfassung für Lehrkräfte

Laut einer neuen Studie arbeiten Berliner Lehrkräfte im empirischen Mittel rund 100 Stunden mehr pro Jahr als die für Berliner Beamt*innen und Angestellte mit einer 40-Stunden-Woche vorgesehenen 1.772 Stunden. Das bedeutet: Über 2 Millionen Stunden unbezahlte Mehrarbeit* pro Jahr an den Berliner Schulen. Die erstmals für Berlin wissenschaftlich erhobenen Daten basieren auf einer umfassenden Erhebung der tatsächlichen Arbeitszeit über ein gesamtes Schuljahr.

Die Ergebnisse zeichnen ein drastisches Bild: Während der Schulwochen überschreiten durchschnittlich 30 Prozent der Vollzeit-Lehrkräfte die gesetzliche Arbeitsschutzgrenze von 48 Stunden pro Woche. Insgesamt leisten 64 Prozent der Lehrkräfte Mehrarbeit*. Besonders betroffen sind neben Schulleitungen und Gymnasiallehrkräften auch Teilzeitkräfte – je geringer der Teilzeitumfang, desto höher die Mehrarbeitsbelastung. „Dies deutet darauf hin, dass viele Lehrkräfte Teilzeit wählen, um die Aufgabenflut zu bewältigen und so faktisch ihren Arbeitsschutz selbst finanzieren.“, schlussfolgert Martina Regulin, Vorsitzende der GEW BERLIN.

Diese Überlastung ist keine Ausnahme, sondern Alltag – mit Elterngesprächen am Abend, Korrekturen in der Nacht und Unterrichtsvorbereitungen am Wochenende“, so Regulin weiter. 

Der Senat spart auf Kosten der Lehrkräfte – das ist ein Skandal. Das Deputatsystem bildet die tatsächlich geleistete Arbeit nicht ab. Es regelt nur den Unterricht und Funktionen, also nur ein gutes Drittel der gesamten Tätigkeit, aber nicht die vielen Aufgaben, die unsere Kolleg*innen zusätzlich übernehmen müssen, um gute Bildungsqualität sicherzustellen. Wir fordern: Der Senat muss die tatsächliche Arbeitszeit vollständig erfassen und gemeinsam mit den Personalräten verbindliche Regelungen zum Abbau der Mehrarbeit* schaffen. Die chronische Überlastung muss gestoppt werden – für die Gesundheit der Lehrkräfte, für die Qualität der Bildung und um den Beruf wieder attraktiv zu machen“, betont Regulin. 

Caroline Muñoz del Rio, Lehrerin und Studienteilnehmerin ergänzt: „Seit Jahren werden die Belastungen durch zusätzliche, außerunterrichtliche Aufgaben, beispielsweise durch Digitalisierung und neue pädagogische Anforderungen, für Lehrkräfte immer mehr. Besonders schwierig sind teilweise wochenlange Spitzenbelastungen in den Prüfungsphasen, ohne ausreichend Möglichkeiten zur Erholung. Das hat gravierende negative Folgen für unsere Gesundheit und in Folge dessen die Qualität des Unterrichts. Es ist höchste Zeit, dass der Senat seine Fürsorgepflicht ernst nimmt und dafür sorgt, unsere Arbeitsbedingungen zu verbessern. Arbeits- und Gesundheitsschutz gilt auch für Lehrkräfte.“

Ralf Schäfer, Lehrer und Personalrat warnt: „Die Studie zeigt, dass jede Woche tausende Stunden unbezahlter Mehrarbeit* anfallen. Viele Kolleg*innen stoßen an die Grenzen ihrer Belastbarkeit. Diese Mehrarbeit ist keine Randerscheinung, sie ist systematisch und gesundheitsgefährdend. Der Senat darf das nicht länger ignorieren. Wir fordern zum Einstieg ein einjähriges Pilotprojekt zur digitalen Arbeitszeiterfassung, das unter Mitbestimmung der Personalräte durchgeführt wird. Die Erfahrungen und Ergebnisse der Studie müssen hierbei einbezogen werden. Nur so kann eine Grundlage für faire und realistische Arbeitszeitregelungen geschaffen werden.“

Die GEW BERLIN stellt klar: Überlastung ist messbar! Arbeitszeiterfassung ist der Hebel für gerechte, faire und gesunde Arbeitsbedingungen. Jetzt ist der Senat am Zug.

 

*Mehrarbeit: Hierbei handelt es sich nicht um die Mehrarbeit nach § 9 der Berliner AZVO, die dienstlich angeordnet und auszugleichen bzw. zu vergüten ist, sondern um eine empirisch festgestellte Differenz von SOLL und IST und wird in Verbindung mit der Veröffentlichung der Studie umgangssprachlich in Abgrenzung zu „Überstunden“ und „Zuvielarbeit“ benutzt. 

Kontakt
Ann-Kathrin Mützel
Geschäftsführerin und Pressesprecherin
Telefon:  030 / 219993-46