Nr. 18/2024
GEW BERLIN kritisiert Änderungen im Schulgesetz
Die GEW BERLIN kritisiert wesentliche Aspekte der vom Senat geplanten Novellierung des Schulgesetzes. „Bei dem Übergangsverfahren von der Grundschule zum Gymnasium geht es einen Schritt nach vorn, aber auch drei Schritte zurück. Mit der an sich erfreulichen Abschaffung des Probejahrs gehen nun ein sehr verengter Leistungsbegriff und noch mehr Auslese einher“, kritisierte Tom Erdmann, Vorsitzender der GEW BERLIN, in der heutigen Anhörung des Bildungsausschusses. Für den Übergang zum Gymnasium sollen zukünftig nur noch die Noten in Deutsch, Mathematik und Englisch zählen. „Mit der Verengung auf drei Fächer wird es in der Grundschule zu einer unterschiedlichen Wertigkeit der Fächer kommen. Es wird transportiert, dass die musischen, natur- und sozialwissenschaftlichen Fächer und Sport weniger bedeutsam sind. Das ist ein völlig falsches Signal. Wir brauchen mehr Wertschätzung für ganzheitliche Bildung, nicht weniger“, so Erdmann.
Die GEW BERLIN befürchtet negative Auswirkungen auf die Chancengerechtigkeit beim Zugang zum Gymnasium. „Der Sprachfokus kann insbesondere für Kinder, denen die sprachlichen Bereiche nicht so liegen oder die mit einer anderen Sprache als Deutsch aufgewachsen sind, ein klarer Nachteil sein. Da weniger gute Leistungen in den drei Fächern nicht durch bessere Leistungen in anderen Fächern ausgeglichen werden, wird vieles davon abhängen, ob Eltern in den Fächern unterstützen oder Nachhilfe organisieren können“, erläuterte Erdmann. Erst vor Kurzem hat eine Studie des ifo Instituts wieder gezeigt, wie die unterschiedlichen Ausgangslagen sich auf die Bildungschancen auswirken. Berlin schnitt im Bundesvergleich mit am besten ab. Hier ist es etwa halb so wahrscheinlich, dass Kinder aus benachteiligten Verhältnissen ein Gymnasium besuchen wie Kinder aus günstigen Verhältnissen. „Die weitere Verbesserung der Chancengerechtigkeit sollte das Ziel sein. Mit dem neuen Verfahren wird die positive Entwicklung aufs Spiel gesetzt“, befürchtet Erdmann.
Erdmann kritisierte bei der Anhörung ebenso die Möglichkeit zum Ausschluss von der Schule bis zu einem Jahr, wenn Kinder sich massiv selbst- oder fremdgefährdend verhalten. Die Regelung zum Ruhen der Schulpflicht wurde von der vorherigen Regierung eingeführt und soll nun zementiert werden. Der Ausschluss betrifft in besonderem Maße Kinder mit Behinderungen. In einem Urteil vom Berliner Verwaltungsgericht wurde die Verfassungswidrigkeit festgestellt. „Die geplante Regelung ist ein schwerwiegender Eingriff in das Recht auf Bildung. Es muss für alle Kinder und Jugendlichen ein schulisches Angebot geben. Die Schulen müssen personell so ausgestattet werden, dass sie mit komplexen Herausforderungen umgehen können. Zusätzliche Maßnahmen und Vorkehrungen zur individuellen Unterstützung müssen implementiert werden, um eine Teilhabe an schulischer Bildung für alle Kinder umzusetzen.“ so Erdmann weiter.
Für die Schulsozialarbeit fordert die GEW deutlich bessere Anstellungsbedingungen. Eine ausschließliche Erbringung der Schulsozialarbeit durch freie Träger ist nicht der Weg, den die GEW BERLIN befürwortet. „Wenn es um faire Löhne, Vollzeitverträge, Mitbestimmung und betriebliche Altersvorsorge geht, sind die Anstellungsbedingungen im öffentlichen Dienst meist besser. Wenn so wichtige Aufgaben in die Hand von freien Trägern gegeben werden, sollte die Senatsbildungsverwaltung und das Land Berlin alles daransetzen, dass ein Tariftreuegesetz verabschiedet wird, umso die Anstellungsbedingungen bei den freien Trägern zu regeln und zu verbessern. Gute Arbeits- und Einkommensbedingungen sind immer auch die Voraussetzung für gute Bildungsbedingungen“, unterstrich Erdmann.
In Bezug auf den Religionsunterricht sieht die GEW BERLIN eine falsche Prioritätensetzung in der Novellierung des Schulgesetzes. „Eine Stärkung des Religionsunterrichts sehen wir kritisch. Gerade in Zeiten wie diesen, in denen manche politischen Kräfte gezielt auf Spaltung abzielen, sollten vor allem gemeinsame wertorientierte Bildungsangebote den Vorrang haben und gestärkt werden“, unterstrich der GEW-Landesvorsitzende. Das Zustandekommen des zusätzlichen Angebots von Religionsunterricht sollte sich außerdem an dem Bedarf der Kinder und Jugendlichen sowie ihrer Familien orientieren und nicht an den Wünschen der Religionsgemeinschaften.
Zu der inhaltlichen Ausrichtung des Berliner Landesinstituts forderte Erdmann eine zeitnahe Beteiligung aller Bildungsakteur*innen. „Aktuell ist sehr vieles unklar. Sechs Monate vor der Eröffnung sollten wichtige Punkte geklärt werden.“ Die GEW BERLIN warnt zudem, sich bei der Schulentwicklung ausschließlich auf das Erheben von Leistungsdaten zu fokussieren.