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Nr. 39 / 2013

Kita-Ausbau benötigt qualifiziertes Personal

Die GEW BERLIN begrüßt und unterstützt die Gemeinsame Erklärung der Beschäftigtenvertretungen von Kindertagesstätten freier und öffentlicher Träger in Berlin.

In dieser Erklärung kritisieren die Beschäftigtenvertretungen die erneute Aufweichung des Fachkräftegebotes in Berliner Kitas. Die Senatsbildungsverwaltung will künftig  bis zu 25 Prozent Personal zulassen, das sich zwar größtenteils in Ausbildung befindet, aber bislang eben keine abgeschlossene Ausbildung und staatliche Anerkennung als Erzieher/-in hat.

Für die pädagogische Qualität der frühkindlichen Bildung und Erziehung ist neben der Erzieher-Kind-Relation vor allem die Qualifikation des Personals von Bedeutung. Dies scheint trotz steigender Anforderungen an den Beruf der Erzieher/-in zunehmend aus dem Blick zu geraten.

Die Beschäftigtenvertretungen kritisieren außerdem die deutliche Mehrbelastung der Erzieherinnen und Erzieher durch volle Anrechnung von Nichtfachkräften auf den Personalschlüssel: Da die „Quereinsteiger/-innen“ (noch) nicht die erforderlichen Kompetenzen haben, müssen die ausgebildeten Fachkräfte teilweise deren Aufgaben mit erledigen. Zusätzlich müssen sie diese Kräfte anleiten. Dafür gibt es keine personelle Entlastung.

Sigrid Baumgardt, Vorsitzende der GEW BERLIN: „Der Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz darf nicht zu Lasten der Qualität in den Einrichtungen und der Arbeits- und Rahmenbedingungen von Erzieherinnen und Erziehern umgesetzt werden. Es reicht nicht aus in Quantitäten zu denken und zusätzliche Kitaplätze zu schaffen – es muss auch qualifiziertes Personal her. Das Land Berlin wälzt den Fachkräftemangel auf die Einrichtungen ab, indem es ein Viertel nicht voll ausgebildeter Erzieherinnen und Erzieher in den Einrichtungen zulassen will. Das greift direkt in den Arbeitsalltag ein. Das ist der falsche Weg. Der Beruf der Erzieher/-in muss attraktiver werden. Dazu gehören bessere Arbeitsbedingungen, bessere Bezahlung und keine Steigerung von Belastungen durch die Übernahme von zusätzlichen Aufgaben im Rahmen des Quereinstiegs. Auf den Anfang kommt es an, frühkindliche Bildung braucht hohe Qualität.“


Gemeinsame Erklärung der Beschäftigtenvertretungen von öffentlichen und freien Trägern von Kindertagesstätten in Berlin

Wir, die unterzeichnenden Beschäftigtenvertretungen von öffentlichen und freien Trägern von Kindertagesstätten im Land Berlin, kritisieren die von der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft herausgegebenen „neuen Regelungen für den Einsatz von Fachkräften und Nichtfachkräften in Tageseinrichtungen für Kinder“ vom 12. April 2013.

Wir wenden uns entschieden gegen eine weitere Aufweichung des Fachkräftegebotes für die Berliner Kindertagesstätten. Die o. g. Neuregelung ermöglicht den Einsatz von bis zu einem Viertel „Quereinsteiger/innen“ in den Einrichtungen (in Kleinsteinrichtungen und Kitas mit bilingualem Konzept ist sogar die Beschäftigung von noch mehr Quereinsteiger/innen möglich). In § 11 Abs. 3 VO KitaFöG heißt es: “In begründeten Einzelfällen kann die Aufsicht … andere Kräfte ganz oder teilweise anerkennen …“ (Hervorhebung d. Verf.). Die erweiterte Quereinsteigerregelung lässt das gesetzliche Fachkräftegebot zur Farce werden.

Erzieherinnen und Erzieher haben einen verantwortungsvollen Beruf. Sie sind Expertinnen und Experten für Bildung, Erziehung und Betreuung. Die Anforderungen an die Arbeit der Erzieherinnen und Erzieher sind in den letzten Jahren stark gestiegen. Die Beschäftigung und Anrechnung von Nichtfachkräften auf den Personalschlüssel bedeutet eine deutliche Mehrbelastung für die Fachkräfte, da sie zum Teil Aufgaben von „Quereinsteiger/innen, die (noch) nicht die erforderlichen Kompetenzen haben, erledigen. Zusätzlich müssen sie die Anleitung dieser Kräfte übernehmen, für die es keine personelle Entlastung gibt.

Wir haben insbesondere die Studierenden in berufsbegleitender Ausbildung als engagierte und motivierte Kolleginnen und Kollegen schätzen gelernt. Trotzdem kann man von ihnen – ebenso wie von den anderen Quereinsteiger/innen – nicht die gleiche fachliche Qualifikation erwarten wie von ausgebildetem Fachpersonal. Sie werden zu einhundert Prozent auf den Personalschlüssel angerechnet, können aber natürlich nichtalle Aufgaben einer Erzieher/in übernehmen. Das Fachpersonal muss folglich zusätzlich einen Teil ihrer Aufgaben übernehmen.

Kolleginnen und Kollegen in berufsbegleitender Ausbildung benötigen ebenso wie andere Quereinsteiger/innen die Anleitung und Einarbeitung durch das Fachpersonal. Die Kita wird in viel größerem Maß zum Ausbildungsort. Dafür erhalten die Kolleginnen und Kollegen keinerlei Entlastung. Diese Aufgaben werdenzusätzlich aufgesattelt.

Als Beschäftigtenvertretungen können wir es nicht akzeptieren, dass das Land Berlin die Folgen des Fachkräftemangelsauf die Erzieher/innen in den Kindertagesstätten abwälzt, ohne irgendwelche Ressourcen für deren Entlastung zur Verfügung zu stellen.

Die Fachkräfte befinden sich schon jetzt in dem außerordentlichen Dilemma, den an sie gestellten Erwartungen und Anforderungen aus dem Bildungsprogramm und den ihnen zur Verfügung gestellten Ressourcen, die ihnen nicht einmal die erforderlichen Zeiten für die mittelbare pädagogische Arbeit gewähren, gerecht werden zu müssen.


Das hat erhebliche Auswirkungen auf die Arbeitszufriedenheit und die Gesundheit der Erzieher/innen. Der Personalnotstand wird durch kranke und vorzeitig aus dem Beruf ausscheidende Erzieher/innen weiter verstärkt werden. Die Erzieher/innen in den Kindertagesstätten nehmen sehr deutlich wahr, dass ihr Beruf keine hohe gesellschaftliche Anerkennung genießt. Eine besondere Wertschätzung der professionellen Arbeit der Erzieher/innen ist in der erweiterten Regelung leider nicht zu erkennen, da offensichtlich ein relevanter Teil der Fachkräfte durch Quereinsteiger/innen ersetzt werden kann, „ohne die pädagogische Arbeit zu beeinträchtigen“ (vgl. Schreiben der Staatssekretärin Frau Klebba vom 12. April 2013).

Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass wir den Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz unterstützen. Gerade die weitere Öffnung der Kita für jüngere Kinder müsste aber einhergehen mit einer Qualitätsverbesserung und besseren Rahmenbedingungen. Je kleiner die Kinder sind, desto höher sollte die Qualifikation des pädagogischen Personals sein. Stattdessen müssen wir feststellen: Bei der Umsetzung des Rechtsanspruchs scheint es vor allem nach der Devise zu gehen „Masse statt Klasse“. Es ist eine unbestrittene Tatsache, dass für die pädagogische Qualität von Kindertagesstätten vor allem zwei Faktoren von grundlegender Bedeutung sind:

1. Die Erzieher-Kind-Relation und
2. Die Qualifikation des Personals.

Der Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz dient nicht nur dem Ziel, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu gewährleisten. Der frühe Kita-Besuch soll auch und vor allem den Kindern eine bestmögliche Förderung bieten. Diese große Chance wird verspielt, wenn die dafür erforderlichen Rahmenbedingungen nicht vorhanden sind.

Die unterzeichnenden Beschäftigtenvertretungen fordern die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft auf, das gesetzlich festgelegte Fachkräftegebot ernst zu nehmen. Dazu gehört, dass Studierende in Teilzeitausbildung nicht auf den Personalschlüssel angerechnet werden. Außerdem fordern wir, dass die Praxisstellen Ressourcen im Umfang von mindestens vier Stunden wöchentlich erhalten, um die qualifizierte Anleitung und Begleitung der Quereinsteiger/innen während der Ausbildung zu gewährleisten. Dafür muss das Land Berlin ein entsprechendes Landesprogramm einrichten.


Diese Erklärung wird von folgenden Beschäftigtenvertretungen unterstützt:
Personalrat Kindergärten City Eigenbetrieb von Berlin * Personalrat Kindertagesstätten SüdOst Eigenbetrieb von Berlin * Personalrat Kindertagesstätten Nordwest Eigenbetrieb von Berlin * Personalrat Kindergärten NordOst Eigenbetrieb von Berlin * Personalrat Kindertagesstätten SüdWest Eigenbetrieb von Berlin * Frauenvertreterin Kindertagesstätten SüdOst Eigenbetrieb von Berlin * Frauenvertreterin Kindergärten City Eigenbetrieb von Berlin * Frauenvertreterin Kindergärten NordOst Eigenbetrieb von Berlin * Frauenvertreterin Kindertagesstätten SüdWest Eigenbetrieb von Berlin * Frauenvertreterin Kindertagesstätten Nordwest Eigenbetrieb von Berlin * Schwerbehindertenvertreterin Kindergärten City Eigenbetrieb von Berlin * Schwerbehindertenvertreter Kindertagesstätten SüdWest Eigenbetrieb von Berlin * Hauptpersonalrat des Landes Berlin * Betriebsrat Orte für Kinder GmbH * Betriebsrat Humanistischer Verband Deutschlands - Berlin-Brandenburg * Betriebsrat Kinder in Bewegung gGmbH * Schwerbehindertenvertretung Kinder in Bewegung gGmbH * Betriebsrat Urban-Consult gGmbH * Betriebsrat Pfefferwerk Stadt Kultur gGmbH * Betriebsrat Kinder im Kiez GmbH * Betriebsrat FIPP e.V. * Betriebsrat INA.Kindergarten gGmbH * Betriebsrat JFK Friendship Center e.V. * Betriebsrat VAK-Kita * Betriebsrat VfJ Werkstätten GmbH / LfB gGmbH / VfJ Berlin e.V. / Vicur GmbH * Betriebsrat Jugendwerk Aufbau Ost gGmbH * Mitarbeitervertretung Evangelischer Kirchenkreis Neukölln * Schwerbehindertenvertretung Evangelischer Kirchenkreis Neukölln * Mitarbeitervertretung Leben mit Kindern gGmbH * Mitarbeitervertretung Kirchenkreis Schöneberg

Kontakt
Markus Hanisch
Geschäftsführer und Pressesprecher
Telefon:  030 / 219993-46