Nr. 45/2024
Prekäre Beschäftigung in der Wissenschaft eindämmen! GEW BERLIN fordert Erhalt der Entfristungsregelung im Berliner Hochschulgesetz
Die GEW BERLIN fordert Wissenschaftssenatorin Czyborra eindringlich auf, die gesetzliche Grundlage für die unbefristete Beschäftigung von promovierten Wissenschaftler*innen zu erhalten und ohne Wenn und Aber umzusetzen.
Die Vorsitzende der GEW BERLIN Martina Regulin kritisiert: „Die von Wissenschaftsstaatssekretär Marx am 15.10.2024 im Forum Gute Arbeit in den Berliner Hochschulen angekündigte Abschaffung der Entfristungsregelung des § 110 (6) Berliner Hochschulgesetz ist ein Kotau gegenüber der CDU und den konservativen professoralen Kräften der Hochschulen. Damit werden die über dreijährigen Anstrengungen der Hochschulen und ihrer Gremien zur Schaffung attraktiver Dauerstellen für hochqualifizierte Wissenschaftler*innen ohne Not zunichtegemacht. Das werden wir als Bildungs- und Wissenschaftsgewerkschaft nicht kampflos hinnehmen.“
Regulin verwies darauf, dass die Regelung des § 110 (6) BerlHG unter Beteiligung der SPD nach zähem Ringen im Jahr 2021 im Berliner Hochschulgesetz verankert wurde und bundesweite Signalwirkung ausgelöst hat. Ziel ist es, aus dem Teufelskreis permanenter Fristverträge auszubrechen und attraktive dauerhafte Beschäftigungsverhältnisse jenseits des Flaschenhalses der Professur zu schaffen.
„Alle Expert*innen sind sich seit Jahren einig, dass das deutsche System der immerwährenden Befristungen nicht nur die Berufs- und Lebensplanung von Wissenschaftler*innen massiv behindert, sondern auch die Qualität von Forschung und Lehre nachhaltig beschädigt,“ erläutert Joana Latorre, Vorsitzende des Personalrats der HWR und Mitglied im Forum Gute Arbeit in den Berliner Hochschulen. „Es fördert Abhängigkeiten, zementiert Machstrukturen und ist auch international ein Sonderweg. Es ist beschämend für ein sozialdemokratisch geführtes Wissenschaftsressort, den prekären Beschäftigungsstrukturen wieder freien Lauf zu lassen,“ so Latorre weiter.
Das Argument der Senatswissenschaftsverwaltung, dass § 110 (6) BerlHG nicht rechtssicher sei, hält Regulin für vorgeschoben: „Ein im Auftrag der GEW BERLIN im April 2022 erstelltes Gutachten der Verfassungsrechtlerin, Frau Prof. Dr. Rosemarie Will hat im Ergebnis festgestellt, dass § 110 (6) keine neuen Befristungsregelungen einführt und die Gesetzgebungskompetenz des Bundes nicht berührt. Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) lässt es ausdrücklich zu, wissenschaftliches Personal auch unbefristet zu beschäftigen.“
Hintergrund:
§ 110 (6) Berliner Hochschulgesetz sieht vor, dass promovierte Wissenschaftler*innen, die aus Haushaltsmitteln finanziert werden, nach Erreichen vorher festgelegter Qualifizierungsziele in einem befristeten Vertrag einen unbefristeten Anschlussvertrag erhalten. Nachdem die damalige Koalition von rot-grün-rot den Hochschulen eine Übergangsregelung bis Oktober 2023 eingeräumt hatte, wurde diese durch die CDU-SPD-Koalition nochmals bis Ende März 2025 verlängert. Jetzt will die Koalition sich nach über drei Jahren komplett vom Ziel mehr Dauerstellen zu schaffen verabschieden.