Bildungsauftrag Demokratie – Mythos Neutralität
Wenn es um politische Inhalte geht, stellt sich immer wieder die Frage, was Lehrkräfte dürfen und was nicht. Hinzu kommt, dass politische Akteur*innen (der AfD zum Beispiel) Schulen in den Blick nehmen und Verstöße gegen die vermeintliche Neutralität thematisieren.
Bildungs- und Erziehungsauftrag als Handlungsrahmen
Schulen sollen als Orte gelebter Demokratie die politische Willensbildung junger Menschen fördern. In Anbetracht der Zunahme demokratiefeindlicher Positionen und Akteur*innen ist der schulische Bildungs- auftrag von herausragender Bedeutung. Entspre- chend §1 des Berliner Schulgesetzes ist das Ziel schulischer Bildung die Heranbildung von Persönlichkei- ten, „welche fähig sind, der Ideologie des Nationalsozialismus und allen anderen zur Gewaltherrschaft strebenden politischen Lehren entschieden entgegenzutreten sowie das staatliche und gesellschaftliche Leben auf der Grundlage der Demokratie, des Friedens, der Freiheit, der Menschenwürde, der Gleichstellung der Geschlechter und im Einklang mit Natur und Umwelt zu gestalten.“ In §3 Absatz 3 sind die Erziehungsziele festgelegt: Respekt, Gleichberechtigung, gewaltfreie Verständigung, Gerechtigkeit sowie Toleranz. Schüler*innen sollen befähigt werden, „die eigene Kultur sowie andere Kulturen und Sprachen kennen zu lernen und zu verstehen, Menschen anderer Herkunft, Religion und Weltanschauung vorurteilsfrei zu begegnen, zum friedlichen Zusammenleben der Kulturen durch die Entwicklung von interkultureller Kompetenz beizutragen und für das Lebensrecht und die Würde aller Menschen einzutreten, […]“. Den Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule hat die Kultusministerkonferenz im Jahr 2018 noch einmal deutlich bekräftigt: „Kinder und Jugendliche sollen die Vorzüge, Leistungen und Chancen der rechtsstaatlich verfassten Demokratie erfahren und erkennen, dass demokratische Grundwerte wie Freiheit, Gerechtigkeit, Solidarität und Toleranz niemals zur Disposition stehen dürfen.“
Aufgabe von Lehrkräften
Entsprechend § 67 Absatz 4 SchulG arbeiten und ge- stalten Lehrkräfte „den Unterricht auf der Basis der Werte des Grundgesetzes und entsprechend dem in § 1 dieses Gesetzes formulierten Auftrag und den in den §§ 2 und 3 formulierten Bildungs- und Erziehungszielen der demokratischen Schule“. Lehrkräfte dürfen nach § 67 Absatz 3 ihre eigene Meinung äußern, müssen aber „dafür sorgen, dass auch andere Auffassungen, die für den Unterrichtsgegenstand im Rahmen des Bildungsauftrags der Schule erheblich sind, zur Geltung kommen. Jede ein- seitige Beeinflussung der Schülerinnen und Schüler ist unzulässig."
Mäßigung und Zurückhaltung
Nach Beamtenrecht sind Lehrkräfte zur Verfassungstreue verpflichtet. „Beamtinnen und Beamte müssen sich durch ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für deren Erhaltung eintreten.“ (Beamtenstatusgesetz § 33) Demnach müssen Beamt*innen ihre Aufgaben auch unparteiisch und gerecht erfüllen und ihr Amt zum Wohl der Allgemeinheit führen. Das Gesetz verpflichtet verbeamtete Lehrkräfte zu „Mäßigung und Zurückhaltung“, die sich aus ihrer Stellung gegenüber der Allgemeinheit und aus der Rücksicht auf die Pflichten ihres Amtes ergibt. Für angestellte Lehrkräfte gilt im Wesentlichen das Gleiche. (Wieland 2019)
Das Berliner Neutralitätsgesetz bezieht sich lediglich auf religiöse, welanstchauliche Bekenntnisse.
Grundsätze der politischen Bildung
Demokratie- und Menschenrechtserziehung ist eine Querschnittsaufgabe, an der sich alle Fächer beteiligen sollten. Dabei gelten die Grundsätze der politischen Bildung, die im sogenannten Beutelsbacher Konsens festgehalten sind: das Überwältigungs- bzw. Indoktrinationsverbot, das Kontroversitätsgebot und die Teilnehmendenorientierung.
Lehrkräfte müssen nicht neutral sein - Aktiver Einsatz für die Demokratie gefordert
Auf Basis des rechtlichen Rahmens lässt sich folgende Einordnung vornehmen: Die Tätigkeit als Lehrkraft muss „aus dem Geist der Verfassung heraus“ ausgeübt werden. Es reicht dabei nicht, die grundgesetzliche Werteordnung bloß zu bejahen. (Wieland 2019) Lehrkräfte sind also nicht „neutral“, sie müssen sich aktiv für die Verfassung und deren Werte einsetzen und sind verpflichtet, die demokratische Grundord- nung gegen Angriffe zu verteidigen.
„Der Beutelsbacher Konsens steht nicht für Beliebigkeit, sondern wurde in dem Geist verfasst, Demokratie stärken zu wollen. Er bedeutet insofern kein politisches "Neutralitätsgebot" in dem Sinne, dass auch demokratiefeindliche Meinungen gleichrangig wären – insbesondere nicht im Umgang mit jungen Menschen. Die Wertgebundenheit sowie die gesellschaftlichen und politischen Herausforderungen machen ein entschiedenes Eintreten für Demokratie, Menschenrechte und die verfassungsmäßige Ordnung der Bundesrepublik Deutschland unverzichtbar.“ (Wieland 2019)
Schutzauftrag
Die Schule muss ganz konkret auch Grenzen ziehen. Nach § 4 Abs. 2 SchulG sind Schulen verpflichtet, Schüler*innen vor Diskriminierungen zu schützen. Der besondere Schutzcharakter von Schulen und Ju- gendeinrichtungen wurde auch im Jahr 2016 durch den Berliner Konsens bereits von allen demokrati- schen Parteien erklärt: „Wir verstehen Schulen und Jugendeinrichtungen als Räume, in denen den beson- deren Schutzbedürfnissen junger Menschen wäh- rend ihrer Orientierungsphase Rechnung getragen werden muss. Deswegen darf insbesondere hier kein Platz für rechtsextreme oder rechtspopulistische Po- sitionen und Propaganda sein.“ Als weiterer rechtli- cher Rahmen ist Artikel 6 der Verfassung von Berlin zu nennen: „Die Würde des Menschen ist unantast- bar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“, und natürlich das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland und die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte.
Keine Parteienwerbung
Parteienwerbung ist laut Verwaltungsvorschrift Werbung an Schulen explizit verboten: „Für und durch Parteien, andere politische oder parteigebundene beziehungsweise -nahe Organisationen, Bürgerinitiativen, vergleichbare Einrichtungen, politisch agierende Einzelpersonen und deren Veranstaltungen darf keine Werbung oder Propaganda betrieben wer- den. Dies betrifft insbesondere den Verkauf, die Verteilung, Anbringung oder Auslage von Werbe- und Informationsmaterial sowie die Plakatierung von Druck- oder handschriftlichen Erzeugnissen. Eine Vermischung von politischer Betätigung mit Aktivitäten der Berliner Verwaltung ist nicht statthaft.“ (VV Werbung Nr.8)
Durchführung von politischen Veranstaltungen
Bei der Durchführung von politischen Veranstaltungn in der Schule entsteht oft die Annahme, es müssten Vertreter*innen aller (gewählten) Parteien eingeladen werden. Natürlich muss bei Diskussionsrunden und Podiumsgespräche dafür gesorgt werden, dass die Themen ausgewogen und auch kontrovers diskutiert werden. Auch der erwähnte Schutzauftrag muss beachtet werden.
Wie eine Schule den Bildungs- und Erziehungsauftrag umsetzt, kann sie weitestgehend selbst bestimmen. (§ 4 Abs.6 SchulG) Die Schulen können selbst ent- scheiden, wen sie einladen. Wichtig ist vor allem, dass bei dieser Frage die schulischen Gremien und die gesamte Schulgemeinschaft einbezogen werden.
Links:
Auch lesenswert: Wie politisch dürfen Lehrkräfte sein? (Michale Wrase, Aus Politik und Zeitgeschichte 2020);„Mythos Neutralität in Schule und Unterricht“(Joachim Wieland, Bundeszentrale für politische Bil- dung 2019)
Sollten Sie mit Anfeindungen oder Dienstaufsichtsbeschwerden konfrontiert sein, wenden Sie sich an den Rechtsschutz der GEW BERLIN: https://www.gew-berlin.de/rechtsschutz
Die Handreichung der Amadeu-Antonio-Stiftung gibt einen guten Überblick über zu bedenkende Aspekte im Zusammenhang mit politischen Veranstaltungen im Schulkontext: https://www.amadeu-antonio-stif-tung.de/wp-content/uploads/2019/08/AFD_Hand- reichung_web.pdf
Hilfreiche Hinweise für die Vorbereitung einer Schulveranstaltung mit politischen Parteien: https://akti-onsbuendnis-brandenburg.de/parteien-an-der- schule/
Positionen für eine kritisch-emanzipatorische politischer Bildung: FRANKFURTER ERKLÄRUNG. Für eine kritisch-emanzipatorische Politische Bildung
Schulgesetz für das Land Berlin
§ 1 Auftrag der Schule
Auftrag der Schule ist es, alle wertvollen Anlagen der Schüle- rinnen und Schüler zur vollen Entfaltung zu bringen und ihnen ein Höchstmaß an Urteilskraft, gründliches Wissen und Können zu vermitteln. Ziel muss die Heranbildung von Persönlichkeiten sein, welche fähig sind, der Ideologie des Nationalsozialismus und allen anderen zur Gewaltherrschaft strebenden politi- schen Lehren entschieden entgegenzutreten sowie das staatliche und gesellschaftliche Leben auf der Grundlage der Demokratie, des Friedens, der Freiheit, der Menschenwürde, der Gleichstellung der Geschlechter und im Einklang mit Natur und Umwelt zu gestalten. Diese Persönlichkeiten müssen sich der Verantwortung gegenüber der Allgemeinheit bewusst sein, und ihre Haltung muss bestimmt werden von der Anerkennung der Gleichberechtigung aller Menschen, von der Achtung vor jeder ehrlichen Überzeugung und von der Anerkennung der Notwendigkeit einer fortschrittlichen Gestaltung der gesellschaftlichen Verhältnisse sowie einer friedlichen Verständigung der Völker. Dabei sollen die Antike, das Christentum sowie weitere Weltreligionen und Weltanschauungen und die für die Entwicklung zum Humanismus, zur Freiheit und zur Demokratie wesentlichen gesellschaftlichen Bewegungen ihren Platz finden.
§ 2 Recht auf Bildung und Erziehung
- Jeder junge Mensch hat ein Recht auf zukunftsfähige, dis- kriminierungsfreie schulische Bildung und Erziehung ungeach- tet insbesondere einer möglichen Behinderung, der ethni- schen Herkunft, einer rassistischen oder antisemitischen Zuschreibung, des Geschlechts, der Geschlechtsidentität, der se- xuellen Orientierung, des Glauben, der religiösen oder politi- schen Anschauungen, der Sprache, der Nationalität, der sozia- len und familiären Herkunft seiner selbst und seiner Erziehungsberechtigten oder aus vergleichbaren Gründen.
§ 3 Bildungs- und Erziehungsziele
(1) Die Schule soll Kenntnisse, Fähigkeiten, Fertigkeiten und Werthaltungen vermitteln, die die Schülerinnen und Schüler in die Lage versetzen, ihre Entscheidungen selbständig zu treffen und selbständig weiterzulernen, um berufliche und persönliche Entwicklungsaufgaben zu bewältigen, das eigene Leben ak- tiv zu gestalten, verantwortlich am sozialen, gesellschaftlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Leben teilzunehmen und die Zukunft der Gesellschaft mitzuformen.
(2) Die Schülerinnen und Schüler sollen insbesondere lernen,
- für sich und gemeinsam mit anderen zu lernen und Leistun- gen zu erbringen sowie ein aktives soziales Handeln zu entwickeln,
- sich Informationen selbständig zu verschaffen und sich ihrer kritisch zu bedienen, eine eigenständige Meinung zu vertreten und sich mit den Meinungen anderer vorurteilsfrei auseinander zu setzen,
- aufrichtig und selbstkritisch zu sein und das als richtig und notwendig Erkannte selbstbewusst zu tun,
- die eigenen Wahrnehmungs-, Empfindungs- und Ausdrucks- fähigkeiten sowie musisch-künstlerischen Fähigkeiten zu entfalten und mit Medien sachgerecht, kritisch und produktiv umzugehen,
- logisches Denken, Kreativität und Eigeninitiative zu entwickeln,
- Konflikte zu erkennen, vernünftig und gewaltfrei zu lösen, sie aber auch zu ertragen,
- Freude an der Bewegung und am gemeinsamen Sporttreiben zu entwickeln.
(3) Schulische Bildung und Erziehung sollen die Schülerinnen und Schüler insbesondere befähigen,
- die Beziehungen zu anderen Menschen in Respekt, Gleichberechtigung und gewaltfreier Verständigung zu gestalten sowie allen Menschen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen,
- die Gleichstellung aller Geschlechter auch über die Anerkennung der Leistungen der Frauen in Geschichte, Wissenschaft, Wirtschaft, Technik, Kultur und Gesellschaft zu erfahren,
- die eigene Kultur sowie andere Kulturen und Sprachen kennen zu lernen und zu verstehen, Menschen anderer Herkunft, Religion und Weltanschauung vorurteilsfrei zu begegnen, zum friedlichen Zusammenleben der Kulturen durch die Entwicklung von interkultureller Kompetenz beizutragen und für das Lebensrecht und die Würde aller Menschen einzutreten,
- ihre Aufgaben als Bürgerinnen und Bürger in einem gemeinsamen Europa wahrzunehmen,
- die Auswirkungen des eigenen und gesellschaftlichen Handelns auf die natürlichen lokalen und globalen Lebensgrundlagen zu erkennen, für ihren Schutz Mitverantwortung zu übernehmen und sie für die folgenden Generationen zu erhalten,
- ein Verständnis für Ursachen und Auswirkungen des Klimawandels sowie die notwendigen Anpassungen an dessen Folgen zu entwickeln, Maßnahmen zum Klimaschutz zu erfahren und die eigenständige und verantwortungsbewusste Umsetzung solcher Maßnahmen im Alltag zu erlernen,
- die Folgen technischer, rechtlicher, politischer und ökonomischer Entwicklungen abzuschätzen sowie die wachsenden Anforderungen des gesellschaftlichen Wandels und der internationalen Dimension aller Lebensbezüge zu bewältigen,
- ihre körperliche, soziale und geistige Entwicklung durch kontinuierliches Sporttreiben und eine gesunde Lebensführung positiv zu gestalten sowie Fairness, Toleranz, Teamgeist und Leistungsbereitschaft zu entwickeln,
- ihr zukünftiges privates, berufliches und öffentliches Leben in Verantwortung für die eigene Gesundheit und die ihrer Mitmenschen auszugestalten, Freude am Leben und am Lernen zu entwickeln sowie die Freizeit sinnvoll zu nutzen.
§ 4 Grundsätze für die Verwirklichung
(1) Die Schule, die Erziehungsberechtigten und die Jugendhilfe wirken bei der Erfüllung des Rechts der Schülerinnen und Schü- ler auf größtmögliche Entfaltung ihrer Persönlichkeit und Fähigkeiten zusammen. Die Schuleachtet das verfassungsmäßige Recht der Erziehungsberechtigten auf die Erziehung ihrer Kin- der und nimmt Rücksicht auf die Empfindungen und Überzeu- gungen Andersdenkender. Sie ermöglicht den Schülerinnen und Schülern gemäß ihrem Alter und ihrer Entwicklung ein Höchstmaß an Mitwirkung in Unterricht und Erziehung, damit sie ihren Bildungsweg individuell und eigenverantwortlich ge- stalten und zur Selbständigkeit gelangen können.
(2) Jede Schule trägt die Verantwortung dafür, dass die Schüle- rinnen und Schüler, unabhängig von ihren Lernausgangslagen, an ihrer Schule zu ihrem bestmöglichen Schulabschluss geführt werden. Die Schule ist inklusiv zu gestalten, so dass die ge- meinsame Unterrichtung und Erziehung sowie das gemein- same Lernen der Schülerinnen und Schüler verwirklicht, Be- nachteiligungen ausgeglichen und Chancengleichheit herge- stellt werden. Dabei ist das Prinzip des Gender Mainstreaming und die interkulturelle Ausrichtung der Schulgestaltung zu berücksichtigen, wonach alle erziehungs- und bildungsrelevanten Maßnahmen und Strukturen unter Einbeziehung der Ge- schlechterperspektive und der interkulturellen Perspektive zu entwickeln sind. Schulen sind verpflichtet, Schülerinnen und Schüler vor Diskriminierungen wegen der in § 2 Absatz 1 genannten Gründe zu schützen. Der Unterricht ist nach Inhalt und Organisation so zu differenzieren, dass alle Schülerinnen und Schüler Lern- und Leistungsfortschritte machen können.
(3) Schülerinnen und Schüler mit besonderen Begabungen, ho- hen kognitiven Fähigkeiten oder mit erheblichen Lernschwie- rigkeiten sind besonders zu fördern. Drohendem Leistungsver- sagen und anderen Beeinträchtigungen des Lernens, der sprachlichen, körperlichen, sozialen und emotionalen Entwicklung soll mit Maßnahmen der Prävention, der Früherkennung und der rechtzeitigen Einleitung von zusätzlicher Förderung begegnet werden. Die Förderung von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf soll vorrangig im gemeinsamen Unterricht erfolgen.
(4) Unterricht und Erziehung sind als langfristige, systematisch geplante und kumulativ angelegte Lernprozesse in der Vielfalt von Lernformen, Lernmethoden und Lernorten zu gestalten. Unterricht und Erziehung erfolgen fachgebunden und fächer- übergreifend. Die intellektuellen, körperlichen, emotionalen, kulturellen und sozialen Fähigkeiten, Begabungen, Interessen und Neigungen der Schülerinnen und Schüler sowie die Bereitschaft zur Anstrengung, zur Leistung und zum Weiterlernen sollen bis zu ihrer vollen Entfaltung gefördert und gefordert werden. Die Erfüllung des Bildungs- und Erziehungsauftrages erfolgt auch an Orten außerhalb von Schule.
(5) Die Schule ist zum Schutz der seelischen und körperlichen Unversehrtheit, der geistigen Freiheit und der Entfaltungsmöglichkeiten der Schülerinnen und Schüler so zu gestalten, dass die Anforderungen und die Belastungen durch Schulwege, Unterricht und dessen Organisation, Leistungsnachweise, Hausaufgaben und sonstige Schulveranstaltungen altersgemäß und zumutbar sind und ausreichend Zeit für eigene Aktivitäten bleibt.
(6) Jede Schule ist für die Erfüllung des Bildungs- und Erziehungsauftrags verantwortlich und gestaltet Unterricht und die außerunterrichtliche und ergänzende Förderung und Betreu- ung und deren zweckmäßige Organisation selbständig und eigenverantwortlich. Dazu entwickelt sie ihr pädagogisches Konzept in einem Schulprogramm. Das Schulpersonal, Erziehungsberechtigte sowie Schülerinnen und Schüler wirken dabei zusammen.
(7) Die allgemein bildende Schule führt in die Arbeits- und Berufswelt ein und trägt in Zusammenarbeit mit den anderen Stellen zur Vorbereitung der Schülerinnen und Schüler auf Berufswahl und Berufsausübung sowie auf die Arbeit in der Familie und in anderen sozialen Zusammenhängen bei.
(8) Zur Sicherung des Bildungs- und Erziehungsauftrags, der Leistungsfähigkeit und der Qualitätsstandards überprüft jede Schule regelmäßig und systematisch die Qualität ihrer pädagogischen Arbeit, die Ergebnisse sind regelmäßig schulöffentlich bekannt zu geben. Sie leitet daraus qualitätssteigernde Maß- nahmen ab und überprüft deren Wirkung. Die Schulaufsicht unterstützt die Schulen bei der Sicherung der Standards, der Qualität und ihrer Weiterentwicklung.
(9) In den Schulen werden Schülerinnen und Schüler gemeinsam unterrichtet und erzogen (Koedukation). Sofern es päda- gogisch sinnvoll ist und einer zielgerichteten Förderung dient, können Schülerinnen und Schüler zeitweise nach Geschlech- tern getrennt unterrichtet und erzogen werden.
(10) Schülerinnen und Schüler nichtdeutscher Herkunftssprache sollen unter Achtung ihrer ethnischen und kulturellen Identität durch den Erwerb und sicheren Gebrauch der deutschen Sprache sowie durch besondere Angebote so gefördert werden, dass sie mit Schülerinnen und Schülern deutscher Sprache gemeinsam unterrichtet und zu den gleichen Abschlüssen geführt werden sowie aktiv am Schulleben teilnehmen können.
§ 67 Aufgaben und Stellung der Lehrkräfte
(1) Lehrerin oder Lehrer (Lehrkraft) ist, wer an einer Schule selbständig Unterricht erteilt. Als Lehrkraft gilt auch, wer an ei- ner Schule mit dem sonderpädagogischen Förderschwerpunkt "Geistige Entwicklung" als Pädagogische Unterrichtshilfe selb- ständig tätig ist; dies gilt auch für die selbständige Tätigkeit im gemeinsamen Unterricht an der allgemeinen Schule.
(2) Die Lehrkräfte fördern die persönliche Entwicklung, das ei- genständige Lernen und das eigenverantwortliche Handeln der Schülerinnen und Schüler. Sie unterrichten, erziehen, beurteilen und bewerten, beraten und betreuen in eigener pädagogi- scher Verantwortung im Rahmen der Bildungs- und Erziehungsziele und der sonstigen Rechts- und Verwaltungsvor- schriften sowie der Beschlüsse der schulischen Gremien. Die unterrichtliche Tätigkeit der in Absatz 1 genannten Lehrkräfte erfolgt in gemeinsamer Abstimmung mit anderen Lehrkräften und den sonstigen schulischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Die eigene pädagogische Verantwortung darf durch Konferenzbeschlüsse nicht unzumutbar eingeschränkt werden.
(3) Die Lehrkräfte müssen unbeschadet ihres Rechts, im Unterricht die eigene Meinung zu äußern, dafür sorgen, dass auch andere Auffassungen, die für den Unterrichtsgegenstand im Rahmen des Bildungsauftrags der Schule erheblich sind, zur Geltung kommen. Jede einseitige Beeinflussung der Schülerinnen und Schüler ist unzulässig.
(4) Die Lehrkräfte arbeiten und gestalten den Unterricht auf der Basis der Werte des Grundgesetzes und entsprechend dem in § 1 dieses Gesetzes formulierten Auftrag und den in den §§ 2 und 3 formulierten Bildungs- und Erziehungszielen der demokratischen Schule.
(5) Die Lehrkräfte wirken an der eigenverantwortlichen Organisation und Selbstgestaltung der Schule, an der Erstellung des Schulprogramms und der Qualitätssicherung sowie an der Gestaltung des Schullebens aktiv mit. Sie kooperieren und stim- men sich in den Erziehungszielen und in der Unterrichtsgestaltung miteinander ab.
(6) Die Lehrkräfte nehmen ihre Verantwortung für die Organisation und Gestaltung des Schullebens unter anderem durch ihre stimmberechtigte Mitarbeit an den Lehrerkonferenzen und anderen schulischen Gremien wahr.
(7) Die Lehrkräfte sind verpflichtet, sich regelmäßig insbeson- dere in der unterrichtsfreien Zeit fortzubilden. Gegenstand der Fortbildung sind auch die für die Selbstgestaltung und Eigenverantwortung der Schule erforderlichen Kompetenzen. Die schulinterne Fortbildung hat dabei Vorrang. Die Fortbildung wird durch entsprechende Angebote der Schulbehörden ergänzt.
(8) Lehrkräfte an den öffentlichen Schulen des Landes sind in der Regel Beamtinnen und Beamte, wenn sie die für ihre Laufbahn erforderliche Befähigung besitzen und die sonstigen beamtenrechtlichen Voraussetzungen erfüllen.
Gesetz zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern (Beamtenstatusgesetz - BeamtStG)
§ 33 Grundpflichten
(1) Beamtinnen und Beamte dienen dem ganzen Volk, nicht einer Partei. Sie haben ihre Aufgaben unparteiisch und gerecht zu erfüllen und ihr Amt zum Wohl der Allgemeinheit zu führen. Beamtinnen und Beamte müssen sich durch ihr gesamtes Ver- halten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für deren Erhaltung eintreten.
(2) Beamtinnen und Beamte haben bei politischer Betätigung diejenige Mäßigung und Zurückhaltung zu wahren, die sich aus ihrer Stellung gegenüber der Allgemeinheit und aus der Rücksicht auf die Pflichten ihres Amtes ergibt.
Artikel 29 der Verfassung von Berlin (Neutralitätsgesetz)
Präambel
Alle Beschäftigten genießen Glaubens- und Gewissensfreiheit und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses. Keine Beschäftigte und kein Beschäftigter darf wegen ihres oder seines Glaubens oder ihres oder seines weltanschaulichen Bekenntnisses diskriminiert werden. Gleichzeitig ist das Land Berlin zu weltanschaulich-religiöser Neutralität verpflichtet. Deshalb müssen sich Beschäftigte des Landes Berlin in den Bereichen, in denen die Bürgerin oder der Bürger in besonderer Weise dem staatlichen Einfluss unterworfen ist, in ihrem religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnis zurückhalten.