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Standpunkt

Schulter an Schulter gegen Kürzungen

Die Kürzungen des Bezirks Neukölln treffen vor allem Heranwachsende, Obdachlose und Suchtkranke.

Foto: Fotostudio Charlottenburg

Dem Bezirksamt Neukölln fehlen pro Jahr knapp 23 Millionen Euro. Zahlreiche soziale Angebote sollen reduziert oder gestrichen werden, teilte die Behörde im Juni 2023 mit. Die geplante Zuweisung des Senats reiche nicht aus. Daher entfällt bereits seit diesem Schuljahr der Wachschutz an zwölf Neuköllner Schulen. Das Personal des Albert-Schweitzer-Gym­nasiums hat geschlossen in einem offenen Brief bereits auftretende Folgen dargestellt: Täglicher Besuch suchtkranker, betrunkener oder psychisch auffälliger Personen. Tägliches Zuparken der Feuerwehreinfahrt, mehrfacher Vandalismus sowie Brandstiftung durch externe Personen, Gewaltvorfälle rivalisierender Jugendgruppen, Gewaltandrohungen gegen Lehrkräfte oder Schulleitung durch Externe und sogar Waffenangriffe werden dort beschrieben. Andere betroffene Schulen schildern, dass die Klärung von Familienkonflikten in der Schule wieder aggressive Formen annimmt, die Zunahme von Polizeieinsätzen sowie von Diebstählen und Einbrüchen. Schuldistante Jugendliche, wovon es im Bezirk viele gibt, können nun jederzeit das Schulgelände verlassen. Einige sorgen nun auch tagsüber im Umfeld der Schulen für Stress.

In einem Bezirk, der nach den Silvesterkrawallen eigentlich mehr in die Kinder- und Jugendarbeit investieren wollte, soll es zur Schließung von drei Jugendfreizeit- und Familieneinrichtungen kommen. Das führt zu weniger Rückzugsräumen aus den sowieso überfüllten Wohnräumen und zu noch weniger Kulturangeboten von abgehängten Kindern und Jugendlichen. Für diese sind Jugendclubs oft »safe spaces«, wo sie mal nicht von Eltern, Lehrkräften oder anderen Erwachsenen angemeckert werden, sondern einen eigenen Ort für sich haben. Wohin sie sich auch mal retten können, wenn es Stress in der Schule oder zu Hause gibt.

Zudem wird die Finanzierung von Jugendreisen stark eingeschränkt in einem Bezirk, in dem viele Familien von staatlichen Transferleistungen abhängig sind und viele sich Familienurlaube nicht leisten können. Viele meiner Schüler*innen waren noch nie im Urlaub. Erholung, oft ein Fremdwort. Beim Bezirksausschuss für das Pädagogische Personal kam dann raus: auch die Schüler*innenbeförderung, namentlich bei Förderzentren, sei von Kürzungen betroffen. Das ist super für die Inklusion. Das Alles frustriert und macht wütend. Schon Anfang Juli demonstrierten hunderte Neuköllner*innen vor dem Rathaus. Geschlossen protestierten dort Schulen mit Familien- und Jugendzentren. Ende August gab es dort eine weitere Demo und Proteste in der BVV, wo Schulen ihre Meinung zur Abschaffung des Wachschutzes deutlich gemacht haben. Ein »Besuch« des Fachausschusses für Sport fand am 5. September statt, zwei Tage später gab es Proteste gegen die Sparmaßnahmen vor dem Abgeordnetenhaus. Trotz der Nachbesserungen durch den Senat errechnet Neukölln für den Doppelhaushalt einen jährlichen Fehlbetrag von fast zehn Millionen Euro. Am 19. September verhängte das Bezirksamt eine Haushaltssperre.

Bildung, Jugend,- Familien- und Obdachlosenhilfe sollten aufgestockt und nicht gekürzt werden. Nicht nur bei uns in Neukölln. Auch andere Berliner Bezirke sind betroffen. Hoffen wir, dass es nicht still wird. Protestieren wir laut und gemeinsam weiter für ein soziales Berlin.

Kontakt
Markus Hanisch
Geschäftsführer und Pressesprecher
Telefon:  030 / 219993-46