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Maßnahmen gegen den Lehrkräftemangel

GEW fordert Ausbildungsoffensive

Der Lehrkräftemangel spitzt sich immer weiter zu und nimmt inzwischen dramatische Ausmaße an. Rund 60 Prozent der neu eingestellten Lehrkräfte haben kein Lehramtsstudium absolviert. Berlin bleibt bei der Ausbildung meilenweit hinter dem Bedarf zurück. Die Berliner Universitäten haben sich in den Hochschulverträgen verpflichtet: Bis 2022 sollen jährlich insgesamt 2.000 Absolvent*innen mit Lehramtsabschluss (Master of Education) die Unis verlassen. Auch der Koalitionsvertrag der zu Ende gehenden Legislaturperiode sah das vor. Dieses Ziel wird deutlich verfehlt: 2018 waren es gerade einmal 910 Absolvent*innen. 2019: 878. Zahlen für 2020 liegen noch nicht vor. In Anbetracht dieses massiven Fachkräftemangels fordert die GEW BERLIN ein Paket aus Akut- und langfristigen Maßnahmen, um die Attraktivität des Berufs zu steigern.

Akutmaßnahmen:

 

  • Alle als Lehrkräfte eingestellten Personen müssen zeitnah Angebote zur Weiterqualifikation mit dem Ziel der vollen Lehrbefähigung erhalten. Lehrkräfte ohne volle Lehrbefähigung sind nach einem Jahr befristeter Beschäftigung und bei Vorliegen eines wissenschaftlichen Hochschulabschlusses unbefristet weiter zu beschäftigen.
  • Die Aufnahme eines Studiums in den Quereinstiegs-Masterstudiengängen (Q-Masters) muss durch Anrechnungsstunden gefördert werden. Zu prüfen ist, ob der Quereinstieg in den Berliner Schuldienst für weitere Studienfächer geöffnet wird.
  • Das Stipendium für Studierende in den Quereinstiegs-Masterstudiengängen Lehramt in MINT-Fächern muss erhöht, fortgeführt und auf alle Masterstudiengänge Lehramt ausgedehnt werden.
  • Die Ausbildungskapazitäten der Senatsverwaltung im StEPS für Quereinsteiger*innen sind deutlich auszubauen, damit die Quereinsteigenden nicht wie bisher erst ein Jahr nach der Einstellung mit ihren „Studien“ beginnen können. Unis müssen in diese Ausbildung einbezogen werden.
  • Wir brauchen auch endlich flächendeckend schulische Konten, damit sich Lehrkräfte vor und nach Schulausflüge nicht mit Buchhaltung befassen müssen, sondern ihre pädagogische Arbeit im Vordergrund steht.
  • Damit junge Eltern nach der Elternzeit nahtlos in die Beschäftigung zurückkehren können, brauchen sie einen Kita-Platz. Die Senatsbildungsverwaltung sollte deshalb für die Beschäftigten an Schulen Kooperationsverträge mit Kindertagesstätten abschließen.
  • gute und solide ausfinanzierte Coaching-Angebote und Supervision für pädagogisches Personal
  • Absolvent*innen im Lehramt ISS/Gymnasium müssen die Möglichkeit erhalten, ihr Referendariat (Vorbereitungsdienst) auf Wunsch im Grundschullehramt zu absolvieren. Zahlreiche Bundesländer haben dazu Sondermodelle aufgelegt (z. B. Hessen).
  • Die Beantragung von Teilzeit aus familiären Gründen muss im Umfang von 75 Prozent auch während des Referendariats ermöglicht werden.
  • Schulwünsche von Bewerber*innen zum Referendariat sollten stärker berücksichtigt werden, insbesondere bei familiären Verpflichtungen. Seminarzeiten sind familienfreundlicher zu gestalten.
  • Es benötigt eine Erhöhung der Bezüge im Referendariat über die reguläre Besoldungserhöhung hinaus. Weiterhin ist eine Sonderzulage mit befristeter Bindungsverpflichtung für Berliner Schuldienst nach Abschluss des Referendariats einzurichten.

Langfristige Maßnahmen:

 

  • Die Zugangs- und Erfolgsquote im Lehramt muss erhöht werden. Dafür benötigt es studiengangs- und lehramtsspezifische Evaluationen, beispielsweise zu Abbruchgründen. Realistische Prognosen zum Bedarf an Lehrkräften müssen den Blick auf mögliche künftige Entwicklungen weiten, beispielsweise den erhöhten Lehrkräftemangel aufgrund kleinerer Klassen oder externer Krisen.
  • Das Land Berlin muss die Studienplätze im Bereich Lehrkräftebildung ausreichend und dauerhaft finanzieren. Der Senat muss sicherstellen, dass die Gelder zweckgebunden zum Ausbau der Lehrkräftebildung genutzt werden.
  • In den künftigen Hochschulverträgen (jetzt ab 2024) müssen verbindliche Vereinbarungen der Universitäten für die Lehrkräfteausbildung verankert werden. Hierzu gehört auch ein Kulturwandel der Universitäten, in dessen Zuge die Lehrkräfteausbildung als ein prioritäres Ziel gekennzeichnet und die Schools of Education strukturell aufgewertet werden.
  • Die Erhöhung der Erfolgsquote im Lehramt muss durch quantitative und qualitative Verbesserung der Betreuungsbedingungen erfolgen und zwar durch die gezielte Unterstützung der Studierenden, der Schaffung von Anreizen für ein erfolgreiches Absolvieren des Lehramtsstudiums und auch der Flexibilisierung des Praxissemesters. Die Zahl der Studienplätze im Lehramt wurde zwar seit 2015 schrittweise ausgebaut; der Aufwuchs beim Hochschul-Personal ist aber noch unzureichend. Betreuung und Beratung der Studierenden müssen verbessert werden. Dafür braucht es mehr Personal mit geringerer Lehrverpflichtung und zusätzliche Tutorien, besonders auch in den Fachwissenschaften.
  • Insbesondere das Praxissemester im Masterstudium ist inzwischen ein Flaschenhals. Masterstudierende müssen ohne Verzögerung in das Praxissemester gehen können. Lehramtsstudierende im Praxissemester und im gesamten Masterstudium benötigen zudem finanzielle Unterstützung, wenn wir sie an Berlin binden wollen.
  • Auch der Übergang in das Referendariat muss verbessert werden, damit Lehramtsabsolvierende keine Zeitverzögerungen haben. Die Universitäten müssen ihre Abläufe bei der Erfassung und Ausstellung der Studien- und Prüfungsleistungen verbessern und die Fristen mit der Senatsverwaltung koordiniert werden.
  • Hürden bei der Anerkennung von Lehramtsabschlüssen ausländischer Lehrkräfte sind abzubauen, durch einen leichteren Zugang zum Studium für ein zweites Fach, durch Sprachpraxiskurse, finanzielle Unterstützung und eine Begleitung bis zur vollständigen Anerkennung.
  • Die Plätze für die Quereinstiegs-Masterstudiengänge müssten bedarfsgerecht ausgebaut werden, vor allem für das Grundschullehramt und die MINT-Fächer. Auch an der Freien Universität brauchen wir einen Q-Master Grundschullehramt. Interesse ist da – es fehlt an Plätzen. An der Humboldt Universität gab es 2020/21 für 90 Studienplätze 400 Bewerbungen.
  • Alle Maßnahmen zur Bindung von Lehramtsabsolvent*innen in den Phasen Masterstudium, Übergang ins Referendariat und Übergang in den Schuldienst sollten durch eine Taskforce des Berliner Senats mit den Unis zusammen begleitet werden.