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Nr. 38 / 2016

GEW BERLIN befürchtet Qualitätsverlust an Berliner Schulen

Die GEW BERLIN blickt zum Start des neuen Schuljahres 2016/17 mit Besorgnis auf die Personalpolitik der Senatsverwaltung. Zwar ist es gelungen kurz vor Schulstart noch einen Großteil der offenen Stellen zu besetzen, allerdings greifen die Berliner Schulen immer stärker auf Quereinsteiger*innen zurück. Mehr als ein Drittel der neu eingestellten Lehrkräfte, 667 von 1.900, startet ohne pädagogische Ausbildung in den Schuldienst. Besonders dramatisch ist die Lage an den Grundschulen: Nur noch 18 Prozent der neu eingestellten Lehrkräfte haben das Grundschullehramt studiert.

Die GEW BERLIN befürchtet, dass die Personalpolitik der Senatsverwaltung die pädagogische Qualität gefährden wird. „Die Quereinsteiger*innen bereichern mit ihren vielfältigen Erfahrungen und ihrem Fachwissen unsere Schulen ungemein. Aber wir dürfen den Bogen nicht überspannen. Es muss die Regel bleiben, dass Lehrkräfte ein Lehramtsstudium absolvieren“, betonte Tom Erdmann, Vorsitzender der GEW BERLIN auf der Pressekonferenz zum Schuljahresauftakt am 7. September.

Erdmann warf Bildungssenatorin Sandra Scheeres vor, die Lage zu beschönigen. „Frau Scheeres kann nicht erwarten, dass Quereinsteiger*innen nach 18 Monaten berufsbegleitender Ausbildung so gut ausgebildet sind wie ihre Kolleg*innen mit siebenjähriger Lehramtsausbildung.“ Die vielen Quereinsteiger*innen bräuchten mehr Unterstützung durch ihre Kolleg*innen. Dafür sei im schulischen Alltag jedoch viel zu wenig Zeit vorgesehen. Dies belaste sowohl die Quereinsteiger*innen als auch die voll ausgebildeten Lehrkräfte.

„Wenn inzwischen mehr als jede dritte neue Lehrkraft nur unzureichend pädagogisch ausgebildet ist, muss die Senatsverwaltung mehr für deren Qualifizierung tun – beispielswiese durch Mentoringstunden und eine angemessene Unterrichtsentlastung“, so Erdmann. „Viele Kolleginnen und Kollegen fragen sich inzwischen, welchen Stellenwert eine qualifizierte pädagogische Ausbildung für die Bildungssenatorin hat“, sagte der GEW-Vorsitzende. Denn es sei bedenklich, dass die Senatsverwaltung nach wie vor nur wenig für einen Ausbau der Ausbildungskapazitäten tue, um den Lehrkräftebedarf wenigstens für die Zukunft zu sichern.

Bei den Erzieher*innen an den Ganztagsschulen zeigt sich ein ähnlich schwieriges Bild. Nach Auskunft der Personalräte sind allein in zehn Bezirken 150 Stellen offen. Im Bezirk Lichtenberg gibt es demnach noch 39, in Marzahn-Hellersdorf 30 unbesetzte Stellen. „Es ist unwahrscheinlich, dass bei der knappen Bewerber*innenlage und dem vergleichsweise schlechten Berliner Gehalt alle Stellen besetzt werden können“, bilanzierte Doreen Siebernik, Vorsitzende der GEW BERLIN.

Die Schulen konkurrieren mit den freien Trägern und den Kitas um das wenige Fachpersonal und stellen auch bei den Erzieher*innen vermehrt Quereinsteiger*innen ein. Siebernik kritisierte, dass es für Menschen in berufsbegleitender Erzieher*innenausbildung in den Schulen keinerlei Unterstützung gibt. Die GEW-Vorsitzende machte zudem darauf aufmerksam, dass die zu dünne Personaldecke in der Berliner Schule einer gelingenden professionsübergreifenden Zusammenarbeit im Wege steht.

Große Probleme sieht die GEW BERLIN auch beim sogenannten dritten Pädagogen: dem Raum. „Der Anstieg der Schüler*innenzahl führt zur Vergrößerung der Klassen auf ein ungesundes Maß“, bemängelte Nuri Kiefer, Leiter des Vorstandsbereichs Schule in der GEW BERLIN. Bereits in 14 Grundschulen in Charlottenburg-Wilmersdorf und Marzahn-Hellersdorf wurden die Klassenfrequenzen auf über 26 Schüler*innen angehoben. Auch von Grundschulen in anderen Bezirken ist bekannt, dass sie mehr als 26 Kinder in die Klassen aufnehmen mussten. „Dabei wissen wir, wie wichtig kleinere Klassen für den Lernerfolg sind“, so Kiefer, der selbst Schulleiter einer Gemeinschaftsschule ist.

Kiefer wusste zu berichten, dass in Lichtenberg, Friedrichshain-Kreuzberg, Pankow, Charlottenburg-Wilmersdorf, Tempelhof-Schöneberg und Neukölln die Aufnahmekapazitäten erreicht und teilweise bereits überschritten sind. „Die Konsequenz ist“, so Kiefer, „dass der letzte Kartenraum zum Unterrichtsraum umfunktioniert wird. Die Schulen platzen aus allen Nähten. Unsere pädagogischen Konzepte sind so nicht mehr umsetzbar“. Ganztagsschule sei ohne Freizeiträume genau wie Binnendifferenzierung ohne Teilungsräume nicht möglich. „Es ist ungemein belastend für Kinder wie Pädagog*innen, wenn sie keinerlei Rückzugsräume mehr haben“, betonte der Schulexperte.

Kontakt
Markus Hanisch
Geschäftsführer und Pressesprecher
Privat:  030 / 219993-46