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Nr. 7/2024

Hochschulen sind keine Gerichte – GEW befürchtet Kriminalisierung studentischer Proteste durch Änderung des Berliner Hochschulgesetzes

Die GEW BERLIN warnt davor, die schändliche Gewalttat gegen einen jüdischen Studenten der Freien Universität Berlin als Vorwand zu benutzen, politische Aktivitäten von Studierenden zu behindern und mit dem Generalverdacht von Ordnungsverstößen zu belegen. „Wir verurteilen den antisemitischen Angriff auf einen Studenten der Freien Universität und sind tief besorgt über den zunehmenden Antisemitismus in der Gesellschaft und in Berliner Hochschulen. Die GEW BERLIN steht geschlossen gegen Antisemitismus und erwartet von allen Hochschulmitgliedern entschiedenes Eintreten gegen jede Form von Antisemitismus, Rassismus und Diskriminierung. Die aktuellen Probleme sind aus unserer Sicht aber nicht mit der geplanten Änderung des Berliner Hochschulgesetzes und der Wiedereinführung des Ordnungsrechts zu lösen“, erklärte Martina Regulin, Vorsitzende der GEW BERLIN.

Antisemitische, rassistische, sexistische und alle anderen die Würde des Menschen verletzende Taten und Verhaltensweisen müssen präventiv verhindert werden. Notwendig ist ein Klima in den Hochschulen, das ein diskriminierungsfreies Studieren und Arbeiten ermöglicht. Dazu sind entsprechende Strukturen, wie Antidiskriminierungsbeauftragte, Diversitätsbeauftragte, Gleichstellungsbeauftragte zu stärken und auszubauen. Der vom Berliner Senat in einem Schnellverfahren und ohne Anhörung der Gewerkschaften vorgelegte Entwurf der Änderung des Berliner Hochschulgesetzes ist nach Auffassung der GEW BERLIN nicht geeignet, angemessen auf entsprechende Vorfälle zu reagieren.

Für die Bestrafung von Studierenden ist wie für alle Teile der Gesellschaft die Strafgerichtsbarkeit zuständig. Eine Sonderstrafgewalt an den Hochschulen lehnen wir strikt ab. Die vorgeschlagenen Regelungen würden zudem die Hochschulen vor schier unlösbare Aufgaben stellen und in Konflikte stürzen, weil die Tatbestände, die bis zu einer Exmatrikulation führen können, kaum objektiv und rechtssicher überprüfbar sind“, so Regulin weiter.

Die GEW BERLIN kritisiert, dass der vorgelegte Gesetzentwurf so weitgehend ist, dass auch legitime Proteste, die zur demokratischen Protestkultur an den Hochschulen gehören, von dem Ordnungsrecht betroffen sein werden. Das würde unter anderem Klimaproteste, Proteste für bessere Studien- und Arbeitsbedingungen, gegen Kürzungen im Hochschulbereich oder Umstrukturierungen betreffen. „Über jedem studentischen Protest hängt dann die implizite Drohung der Anwendung von Ordnungsmaßnahmen bis hin zur Exmatrikulation als tiefgreifendem Grundrechtseingriff“, betonte Regulin.

Einen gravierenden Verstoß gegen rechtsstaatliche Prinzipien stellt zudem die Nichtöffentlichkeit der Arbeit der geplanten Ordnungsausschüsse da. Geheim tagende Gerichte sind aus den Erfahrungen der Nazizeit in Deutschland verboten. Ein Grundprinzip des Strafrechts ist die Öffentlichkeit der Verfahren. Die GEW BERLIN plädiert dafür, die vorhandenen Maßnahmen zur Abwehr von Gefahren für Hochschulmitglieder (wie z. B. Hausverbote) konsequent zu nutzen und ggf. auf einen längeren Zeitraum auszudehnen.

Kontakt
Markus Hanisch
Geschäftsführer und Pressesprecher
Privat:  030 / 219993-46