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Nr. 38/2023

Jede Woche fallen an Berlins Schulen 23.000 Unterrichtsstunden aus

Die GEW BERLIN hat den Berliner Senat zu Beginn des Schuljahres 2023/24 aufgerufen, umfassende Maßnahmen zur Bekämpfung der Bildungskatastrophe zu ergreifen. Bei ihrer Schuljahresauftakt-Pressekonferenz machten die GEW-Landesvorsitzenden Tom Erdmann und Martina Regulin eine Reihe von Vorschlägen, an welchen Stellschrauben Politik und Verwaltung drehen müssten, um eine Kehrtwende einzuleiten und dem gravierenden Personalmangel in Berlins Schulen zu begegnen.

Zu Beginn des Schuljahres fehlen mindestens 2.000 Lehrkräfte, deren Stellen nicht besetzt werden können. Von den 3.255 eingestellten Lehrkräften auf 2.444 Vollzeitstellen haben mit 1.214 Lehrkräften lediglich 37 Prozent eine volle Lehramtsausbildung. 543 sind Quereinsteigende. 1.458 der neu Eingestellten sind befristet eingestellt (45 Prozent). Sie haben in der Regel kein Fach der Berliner Schule studiert. Die Konsequenzen des Personalmangels auf die Unterrichtsversorgung sind dramatisch: 93.000 Unterrichtsstunden waren im vergangenen Schuljahr in den öffentlichen Berliner Schulen zu vertreten, jede Woche. Davon fielen 23.000 Unterrichtsstunden aus, da es an der nötigen Vertretung fehlt.

Um Unterrichtausfall zu vermeiden, heben die Schulen meistens zunächst ihre Teilungsstunden auf. Hierunter fällt auch die sonderpädagogische Förderung, was insbesondere für Schüler*innen mit Unterstützungsbedarf große Nachteile mit sich bringt. Die Schwächsten leiden also am meisten unter dieser Bildungskrise“, erläuterte Tom Erdmann. Der Vorsitzende der GEW BERLIN warnte vor einer Verengung der Bildungsanstrengungen auf bestimmte „Kernbereiche“ aufgrund des Fachkräftemangels. „Es darf nicht nur noch um Mathe und Deutsch gehen, sondern die Schule muss die Kinder in ihrer Persönlichkeitsentwicklung fördern. Bei allen politischen Anstrengungen muss es vor allem darum gehen, dass alle Kinder unter gleichwertigen Bedingungen lernen und aufwachsen können“, so Erdmann. Er verwies auf die Akutmaßnahmen, die die GEW BERLIN dem Berliner Senat empfiehlt: „Damit sich Pädagog*innen auf ihre Kernaufgaben konzentrieren können, müssen sie von nicht-pädagogischen Aufgaben entlastet und bei den pädagogischen Aufgaben besser unterstützt werden. Wir brauchen an den Schulen mehr Sekretariatsstellen und IT-Administrator*innen, wir brauchen aber auch Pädagogische Assistenzen, Bibliothekar*innen, Laborassistenzen, Werkstattleiter*innen und Hausmeister*innen. Es muss eine echte Einstellungsoffensive geben.“

Martina Regulin richtet den Fokus auf den Ganztag: „Spätestens seit der Reform vor gut 20 Jahren sind alle Berliner Grundschulen Ganztagsschulen. Die Grundlage für den Personalschlüssel stammt aber aus den 1980er Jahren. Wir brauchen endlich einen besseren Personalschlüssel und für jede Schule eine Fachkraft für Inklusion, damit die Berliner Ganztagsgrundschule funktioniert.“

Sie rief den Senat zudem auf, mehr dafür zu tun, dass endlich mehr Lehrkräfte ausgebildet werden. „Wir wissen schon heute, dass der Bedarf an Lehrkräften und anderen Pädagog*innen in den nächsten Jahren noch wachsen wird. Die Berliner Universitäten bilden aber weiterhin Lehrkräfte unter Bedarf aus. So wird uns der Lehrkräftemangel noch lange begleiten. Es fehlt an Studienplätzen und am nötigen Personal zur Verbesserung der Studienbedingungen. Zu viele interessierte Lehramtsstudierende entscheiden sich dagegen, ihr Lehramtsstudium zu beenden. In den Hochschulverträgen müssen verbindliche Vereinbarungen der Universitäten für die Lehrkräftebildung verankert werden. Hierzu gehört auch ein Kulturwandel der Universitäten, in dessen Zuge die Lehrkräftebildung oberste Priorität hat und strukturell aufgewertet wird“, so Regulin. Auch die Plätze für den Quereinstieg müssten ausgebaut und die Bedingungen des Quereinstiegs dringend verbessert werden. Die GEW BERLIN hat eine ganze Reihe von weiteren Forderungen für eine Ausbildungsoffensive aufgestellt.

Nuri Kiefer, Vorsitzender der Schulleitungsvereinigung in der GEW BERLIN, wies darauf hin, dass die Kluft zwischen den Schulen auf Grund der Mangellage immer größer wird. „Die Schulleitungen an den stark unterversorgten Schulen leiden extrem unter der Personalsituation. Sie wissen nicht mehr, wie sie die Löcher noch stopfen sollen. Kindern den Förderunterricht oder Fachunterricht zu streichen, weil die Lehrkräfte fehlen, belastet eine verantwortungsbewusste Schulleitung und macht krank. Zahlreiche Schulleiter*innen landen im Burnout oder stehen kurz davor. Auch, weil die Unterstützungsangebote seitens der Senatsverwaltung nur unzureichend sind. Im Grunde werden die Schulen alleine gelassen und sollen unter dem Deckmantel der "Eigenverantwortung" selbst zwischen Pest und Cholera wählen. Die Senatorin hat sich weggeduckt.“ Kiefer forderte für die stark belasteten Schulen dringend eine Unterstützung der Schulleitungen in Form eines zusätzlichen Finanzbudgets, eine Erhöhung der Vertretungsreserve und zusätzlicher Unterstützung in der Verwaltung durch mehr Stunden für das Leitungsteam, die Verwaltungsleitung und die Sekretariate. Zudem müsse eine zentrale Steuerung der Lehrkräfteverteilung für die nächste Einstellungsrunde wieder aufgenommen werden.

Kontakt
Markus Hanisch
Geschäftsführer und Pressesprecher
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