Nr. 57/2023
Vor Kita-Gipfel: Zwei Drittel der Kita-Erzieher*innen haben keine Zeit für Vor- und Nachbereitung
Zwei Drittel der Berliner Kita-Erzieher*innen haben keine oder fast keine Zeit für die Vor- und Nachbereitung ihrer Tätigkeit. Das geht aus einer Umfrage der GEW BERLIN unter Kita-Erzieher*innen hervor, an der sich 458 Beschäftigte beteiligt haben und deren Ergebnisse die GEW mit Blick auf den heute stattfindenden Kita-Gipfel veröffentlicht. 28 Prozent der pädagogischen Fachkräfte in den Kitas gaben an, überhaupt keine Zeit für die Vor- und Nachbereitung zu haben, weitere 39 Prozent können aktuell nur eine Stunde pro Woche realisieren.
„Ohne die Vor- und Nachbereitung der pädagogischen Arbeit mit den Kindern stehen sowohl die Qualität als auch die Arbeitszufriedenheit auf dem Spiel. Gute Bildung fällt nicht vom Himmel. Bildung von Kindern bedarf der gezielten Planung, Vorbereitung und Reflexion“, erklärte Martina Regulin, Vorsitzende der GEW BERLIN. Zu den elementaren pädagogischen Tätigkeiten gehören zum Beispiel die Beobachtung und Dokumentation der kindlichen Bildungsprozesse, die regelmäßigen Entwicklungsgespräche mit den Eltern, Teamzeiten, Kooperationen mit anderen Institutionen und die fachliche Qualifizierung.
„Für diese mittelbaren pädagogischen Arbeiten brauchen Erzieher*innen verbindliche Zeiten für eine gute Bildungsarbeit“, erklärte Regulin mit Blick auf die Befragung. Es überrascht daher kaum, dass drei Viertel der befragten Kolleg*innen die Frage „Reicht dir deine wöchentliche Vor- und Nachbereitungszeit aus?“ mit einem klaren Nein beantwortet haben. Die GEW BERLIN fordert eine wöchentliche Vor-und Nachbereitungszeit von neun Stunden. „Vor dem Hintergrund des heute stattfindenden Kita-Gipfels darf die Senatsbildungsverwaltung diese Zahlen nicht ignorieren“, forderte die GEW-Landesvorsitzende.
Etliche Befragte gaben an, die fehlende Zeit für die Vor- und Nachbereitung in ihrer Freizeit nachzuholen. Das ist nicht hinnehmbar. „Es muss den Erzieher*innen möglich sein, die Mittelbare pädagogische Arbeit auch im Home-Office zu erledigen, als Teil ihrer Arbeitszeit“, forderte Ayodele Olowolafe, selbst Kita-Erzieher und einer der Initiator*innen der Umfrage.
Gefragt nach den wichtigsten Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitssituation in den Kitas fordern fast vier von fünf der Befragten eine bessere Fachkraft-Kind-Relation (78 Prozent) sowie einen festen Vertretungspool ohne Anrechnung auf den Personalschlüssel (71 Prozent). 82 Prozent sehen zudem das geplante Qualitätsentwicklungsgesetz auf Bundesebene als den wichtigsten Ansatzpunkt, um die Fachkraft-Kind-Relation gemäß den wissenschaftlichen Empfehlungen bundesweit verbindlich zu regeln. Zur Gewährleistung eines kindgerechten und pädagogisch sinnvollen Betreuungsverhältnisses empfiehlt die Bertelsmann Stiftung, dass drei Kinder im Alter von null bis unter drei Jahren von einer Fachkraft betreut werden sollen, also ein Verhältnis von 1:3; ab drei Jahren bis zur Einschulung ein Verhältnis von 1:7,5. Berlin hat laut Bertelsmann-Stiftung einen Betreuungsschlüssel von 1 bis 5,1, bei den unter Dreijährigen und von 1 zu 7,7 bei den über dreijährigen Kindern (Erhebung aus dem Jahr 2021).
„Für uns Erzieherinnen ist die Ausbildung ein wichtiges Thema“, erklärte Karin Letz, ebenfalls Erzieherin und Mit-Initiatorin der Umfrage. „Die Anrechnung der Quereinsteigenden auf den Personalschlüssel wird von circa der Hälfte der Befragten abgelehnt. Verbesserungen der Ausbildungsqualität, eine einfachere Umsetzung der Anleitung in der Praxis und klarere Einsatzbereiche der verschiedenen Ausbildungen in der Kita wären notwendige Schritte zu einer Verbesserung der Ausbildung.“
Knapp 43 Prozent der Umfrage-Teilnehmenden fordern darüber hinaus ein besseres betriebliches Gesundheitsmanagement, gefolgt von regelmäßigen Supervisionen (41 Prozent), Teamfortbildungen (39 Prozent) und Kitasozialarbeit (33,3 Prozent).
Die GEW BERLIN veröffentlicht die Ergebnisse der Kita-Umfrage mit Blick auf den in Kürze beginnenden Kita-Gipfel, zu dem die Senatsbildungsverwaltung am 27. November Vertreter*innen von Verbänden, Trägern und Kitas, Elternvertretungen, Fachschulen, Gewerkschaften und Wissenschaft, Bündnisse und Fachgruppen einlädt. Ausgehend von der aktualisierten Kita-Entwicklungsplanung für die Jahre 2024-2027/2028 werden die Entwicklungen und künftigen Herausforderungen der frühkindlichen Bildung in Berlin Inhalt der Veranstaltung sein. „Wir erwarten neben diesen wichtigen Themen, dass es beim Kita-Gipfel auch um die Bedürfnisse der Beschäftigten und deren schwierige Arbeitsbedingungen gehen wird“, stellten die beiden Erzieher*innen Olowolafe und Letz klar.
Kontakt für Rückfragen:
Ronny Fehler, Referent im Vorstandsbereich Kinder-, Jugendhilfe und Sozialarbeit: 0177-7802152
Ayodele Olowolafe: aolowolafe(at)googlemail(dot)com
Karin Letz: karin(at)frauloeffel(dot)de