Zum Inhalt springen

Rahmenbedingungen für Lerngruppen für Neuzugänge ohne Deutschkenntnisse verbessern

Letzte Aktualisierung: 10.06.2014

Die GEW BERLIN fordert die Senatsbildungsverwaltung auf, die aktuellen Erfahrungen in den Lerngruppen für Neuzugänge ohne Deutschkenntnisse zu nutzen, um die Verbesserung der Situation der Lehrkräfte in den Lerngruppen zu erreichen und eine verlässliche Einbeziehung der Kinder und Jugendlichen in die Ganztagsbetreuung sicher zu stellen. In Berlin existieren derzeit etwa 250 Lerngruppen an Grund- und weiterführenden Schulen und in Förderzentren.

Im Einzelnen fordert die GEW BERLIN:

  1. Die SchülerInnen der Lerngruppen sind Kinder und Jugendliche, die Sprache besonders gut und nachhaltig von Gleichaltrigen im Alltag erlernen. Deswegen müssen sie unbürokratisch und ohne zusätzliche Anträge von Seiten der Eltern oder Anderer in der Verantwortung von Erziehungsberechtigten in die Berechnung des Personalschlüssels für den Ganztag an Grundschulen für die Zeit von 7:30 Uhr bis 16.00 Uhr einbezogen werden. An Integrierten Sekundarschulen (ISS) werden sie pro SchülerIn mit einem Wert von 0,00375 im offenen Ganztag und bis zu 0,00875 im gebundenen Ganztag berechnet, was für eine Lerngruppe bei einer Zumessungsfrequenz von 12 SchülerInnen, die der Leitfaden vorsieht, ein Stellenvolumen von 0,045 bis 0,105 Stellen zu bedeutet. Für diese Stellenanteile wird in der Regel kein zusätzliches sozialpädagogisches Personal eingestellt. Verschärft wird die Situation durch die Möglichkeit der Schulen, das errechnete Stellenvolumen der Schule durch anderes als sozialpädagogisches Personal zur Abdeckung des Ganztags und der Freizeitbereiche zu nutzen, Stichwort: Kapitalisierung. Die GEW BERLIN fordert eine verlässliche Regelung für zusätzliches sozialpädagogisches Personal, insbesondere für Kinder und Jugendliche an den Schulen, die aus Krisengebieten oder unbegleitet kommen. Die Einbeziehung in den Ganztagsbetrieb ist auch deshalb notwendig, weil die häufig in Sammelunterkünften lebenden Kinder und Jugendliche starken räumlichen Beschränkungen unterliegen und in den Unterkünften oft keine ausreichende pädagogische Betreuung gewährleistet ist. Die Schüler_innen müssen deswegen darüber hinaus auch Zugang zur Ferienbetreuung erhalten.
  2. Die Schüler_innen müssen möglichst umgehend nach ihrer Ankunft in den Schulen aufgenommen werden, da sich schon eine zeitliche Distanz von 14 Tagen nach der Ankunft - in der Regel ist diese länger - negativ auf die Haltungen der Kinder und Jugendlichen zum  Schulbesuch auswirkt. Dies betrifft vor allem Kinder, die unbegleitet kommen oder deren Eltern selbst nur über eine geringe Schulbildung verfügen.
  3.  Im Sinne der Gleichbehandlung und um weitere Abläufe nicht (unnötig) zu gefährden müssen deswegen alle Kinder schnellstmöglich einen Termin beim Jugendgesundheitsdienst wahrnehmen können. Diese Untersuchungen stellen keine Diskriminierung dar, da sie für alle Kinder vor dem erstmaligen Besuch einer Schule verpflichtend sind. So können auch frühzeitig mögliche Probleme zum Beispiel beim Sehen oder Hören festgestellt und es kann diesen zielgerichtet entgegengewirkt werden.
  4. Für die Lerngruppen müssen Lern – und Lehrmaterialien zur Verfügung gestellt werden.
  5. Zur Erleichterung der Kommunikation zwischen Eltern und Schule müssen Mittel für Sprachmittler bereitgestellt werden.
  6. Neben der Begegnung mit „deutschsprachigen“ Kindern und Jugendlichen im Ganztag und bei den zusätzlichen Angeboten sollte ein fließender Übergang der Schülerinnen von der Lerngruppe in die Regelklasse durch frühzeitige Beteiligung am Unterricht - zum Beispiel in den Fächern Sport, Kunst, Musik - vorbereitet werden. Die Schulen müssen hierfür schulinterne Konzepte entwickeln und bei Bedarf darin unterstützt werden. Das dient darüber hinaus der besseren Einbindung und Integration der Lerngruppen und Lehrkräfte in das Kollegium.
  7. Die Lehrkräfte der Lerngruppen müssen gemäß den rechtlichen Grundlagen aus dem Schulgesetz wie alle anderen KollegInnen der Schule an den schulgesetzlichen Gremien beteiligt werden. Da in etlichen Regionen nur einzelne Klassen an den Schulen eingerichtet werden - im Beschluss der Landesdelegiertenversammlung vom Herbst 2012 werden pro Schule mindestens zwei Lerngruppen gefordert -  sind die Lehrkräfte ohne die Einbindung in die Gremien in der Praxis  häufig auf sich gestellt, stark vereinzelt und mit der Organisation ihrer Arbeit bis hin zu Vertretungen allein gelassen.
  8. In den Kollegien der betroffenen Schulen muss für den Einsatz in den Lerngruppen für Neuzugänge ohne Deutschkenntnisse geworben werden, damit kontinuierliches Arbeiten erfahrener KollegInnen möglich ist.
  9. Wichtig für die Umsetzung schulinterner Konzepte für die Lerngruppen für Neuzugänge ohne Deutschkenntnisse, eingebettet in die Sprachförderkonzepte der Schulen, ist eine längerfristige Planungssicherheit über den Bestand der Gruppen in den Schulen.
  10. Die Bezirke müssen vom Senat verpflichtet werden, Räume für Lerngruppen für Neuzugänge ohne Deutschkenntnisse auf  „Vorrat“ vorzuhalten. Der Senat muss die Bezirke dafür materiell ausstatten.
  11. Um den Übergang in eine Regelklasse abzusichern, müssen ausreichend Schulplätze in den Regelklassen bereitstehen. D.h. die Regelklassen sowohl in der Grundschule als auch im Bereich Sek I mit Lerngruppen für Neuzugänge ohne Deutschkenntnisse dürfen nicht bis zur Frequenzgrenze „gefüllt“ sein.
  12. Für den Übergang in die Regelklasse muss in der ersten Phase weiterhin Unterstützung ermöglicht werden.
  13. Für Schüler_innen aus den Lerngruppen für Neuzugänge muss das Anrecht bestehen, auch ohne Förderprognose einen Schulplatz in Klasse 7 zu erhalten.
  14. Kinder, die den Wohnort wechseln, müssen die Möglichkeit erhalten, in ihrer Lerngruppe bzw. Schule zu verweilen, wenn sie dies möchten.
  15. Das Modellprojekt zum Übergang in die Regelklasse nach bestandenem Deutschem Sprachdiplom auf der Niveaustufe B1 an den Oberschulen in den Regionen Mitte, Lichtenberg und Kreuzberg-Friedrichshain sowie an der ISS Ringstraße in Tempelhof-Schöneberg muss in Hinblick auf die Erreichbarkeit dieses Niveaus, Integrations- bzw. Selektionswirkungen und die Chancen für einen weiteren positiven Verlauf der Schullaufbahn evaluiert werden. Bei positivem Evaluationsergebnis sollte sichergestellt werden, dass das Deutsche Sprachdiplom auf möglichst viele Standorte ausgeweitet wird. Auch aus diesem Grunde ist es sinnvoll, die Vereinzelung von Klassen zu beenden und mehrere Lerngruppen an allen Standorten einzurichten. Unabhängig vom Sprachdiplom ist es für einen selbstbewussten Übergang wichtig, dass die Kinder und Jugendlichen eine offizielle Würdigung über ihren Sprachstand und ihre Leistungen erhalten.
  16.  Für die bereits in Regelklassen integrierten Schülerinnen und Schüler müssen zusätzliche Mittel zur Sprachförderung bereitgestellt werden.
  17. Die Lehrkräfte für die Lerngruppen für Neuzugänge ohne Deutschkenntnisse sind grundsätzlich unbefristet einzustellen, da nicht von einer temporären Beschäftigung, sondern von dauerndem Bedarf auszugehen ist.
  18. Lehrkräfte ohne volle Lehrbefähigung müssen die Möglichkeit zur Weiterbildung bis zur vollen Lehrbefähigung erhalten. Lehrende ohne Lehramtsausbildung müssen bei Bedarf die Möglichkeit einer begleitenden Ausbildung/Weiterbildung erhalten, da punktuelle Weiterbildungsangebote nicht ausreichen.
  19.  Für Einstellungen im laufenden Schuljahr müssen die rechtlichen Voraussetzungen für einen Zugriff auf die BEO-Liste auch bei befristeter Einstellung ( zentrale Nachsteuerung) geschaffen werden, damit die am besten qualifizierten Bewerber_innen mit Aussicht auf unbefristete Beschäftigung in die Auswahlgruppe einbezogen werden.
  20. Zusätzlich zu den überregionalen zwei Fortbildungstagen des LISUM müssen regionale Kommunikationsstrukturen für den regelmäßigen Austausch und die Qualifikation der Lehrkräfte der Lerngruppen geschaffen werden. Das erhöht insgesamt den Bedarf an MultiplikatorInnen.
  21. Das Berliner Angebot für ältere Jugendliche und junge Erwachsene, auf dem zweiten Bildungsweg Schulabschlüsse zu erwerben, muss angesichts der steigenden Zahlen von zuziehenden SchülerInnen ausgeweitet werden. Insbesondere für SchülerInnen mit geringen Schulerfahrungen bzw. Analphabeten sollten durchgängige Bildungswege eröffnet werden.