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Recht & Tarif

Im Kern gelungen, aber nicht das Ende der Fastenzeit

GEW und ver.di haben der Tarifeinigung im öffentlichen Dienst der Länder zugestimmt. Diese Zustimmung hat die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) am 16. Januar erhalten. Welche Lehren gibt es aus diesem Arbeitskampf?

Foto: Christian von Polentz

Erst nach drei Verhandlungsrunden wurde am 9. Dezember eine Einigung in der Tarifauseinandersetzung zu den Entgelten im TV-L erzielt. Mit dem Abschluss erhalten mehr als eine Million Beschäftigte eine solide Entgelterhöhung. Wie jedes Tarifergebnis ist auch dieses ein Kompromiss mit Licht und Schatten. Die Tarifauseinandersetzung war hart und vom scharfen Ton der Arbeitgeber geprägt, die kaum gewillt waren, vor Runde 3 überhaupt ein Angebot vorzulegen. In der Tarifeinigung sind nun einige Erfolge enthalten. Die Entgelterhöhung beträgt mit dem letzten Schritt durchschnittlich 11,11 Prozent.

Der Anschluss zum TVöD wird mit diesem Ergebnis zwar gehalten, die Differenz zwischen TVöD und TV-L bleibt jedoch bestehen. Mit der Inflationsausgleichszahlung wird der gesetzliche Rahmen ausgeschöpft, die Gewerkschaften haben bereits bei Gesetzesänderung die fehlende Rentenwirksamkeit kritisiert. Zwar fließt so schnell Geld, aber die ratierlichen Einmalzahlungen bis Herbst 2024 trösten nicht darüber hinweg, dass nur eine tabellenwirksame Erhöhung dauerhaft besteht. Wir haben dafür gekämpft, dass auch Beschäftigte in Elternzeit vollständig bei der Inflationsprämie berücksichtigt werden, die Arbeitgeber haben sich jedoch geweigert. Der Mix aus einer steuer- und abgabenfreien Inflationsausgleichszahlung und einer Entgelt­erhöhung wurde im TVöD ähnlich abgeschlossen, allerdings erst nach einer schwierigen Schlichtung. Mehr Volumen war angesichts der Großwetterlage nicht rauszuholen. Die politische Ermöglichung der Einmalzahlungen und der TVöD-Abschluss haben einen starren Rahmen gesetzt, auf den sich die Arbeitgeber immer wieder berufen haben.

 

Erfolge im Bildungsbereich

 

Insbesondere für Beschäftigte im Bereich der GEW und in Berlin gibt es jedoch Erfolge: Für den Sozial- und Erziehungsdienst konnte eine Angleichung der Stufenlaufzeiten ab Oktober 2024 erreicht werden, eine zentrale Forderung der GEW. Eine Öffnungsklausel ermöglicht eine tarifliche Zulage in Berlin, die die Hauptstadtzulage ‚legalisiert‘. Hier werden wir als GEW BERLIN versuchen durchzusetzen, dass die bisherige Kappung oberhalb der EG 13 aufgegeben wird. Als GEW BERLIN hatten wir die Forderung nach einer Praxisanleiterzulage aufgestellt, eine solche Regelung wird nun im Zuge der Redaktionsverhandlungen geprüft.

Im Kleingedruckten finden sich zudem Regelungen, die uns argumentativ für die Durchsetzung unserer Forderungen hilfreich sind. Für den Straßenbau wurde die Möglichkeit zur stufengleichen Höhergruppierung auf Antrag vereinbart, eine alte Forderung der GEW Berlin. Wir werden uns in kommenden Verhandlungen darauf beziehen. Wir haben immerhin eine Gesprächszusage für den TV EntgO-L von der TdL erhalten, die seit 2020 bestehende Blockade der Arbeitgeber wurde also aufgebrochen. Dorthin gehört unsere Forderung nach der EG 10 für alle Lehrkräfte.

Die erfolgreiche Organisation der Tarifrunde ist nur unter großer Beteiligung der ehrenamtlich Aktiven möglich. Die Tarifkommissionen haben sich frühzeitig getroffen, um die Forderungen aufzustellen. Diese wurden am 10. Oktober in der Bundestarifkommission der Länder (BTK-L) diskutiert. Ein angemessenes Gehalt, das der Inflation Rechnung trägt, sowie ein Tarifvertrag für studentische Beschäftigte im Bund waren für uns die wichtigsten Forderungen. Die Verhandlungen in Potsdam vom 7.-9. Dezember wurden von den Ehrenamtlichen in der BTK-L eng begleitet. Wir haben mehrere Male getagt, den aktuellen Verhandlungsstand bewertet und unseren Verhandlungsführer Daniel Merbitz mit unserem Rückenwind zurück an den Verhandlungstisch geschickt. Beim Tarifergebnis fällt auf, dass es trotz der Blockadehaltung der Arbeitgeber gelungen ist, das TVöD-Ergebnis im Kern zu reproduzieren und weitere gute Regelungen in unseren Bereichen zu vereinbaren.

 

Streikbeteiligung entscheidend

 

Wir Berliner*innen hatten eine solide Streikbereitschaft. Angesichts der Blockadehaltung der Arbeitgeber zu unseren Forderungen in der 2. Verhandlungsrunde haben wir noch in den Herbstferien gemeinsam mit den anderen DGB-Gewerkschaften zu Streiks aufgerufen. Mit eurer Beteiligung habt ihr deutlich gemacht, dass sich die Gewerkschaften mit Aussagen wie »überzogene Forderungen« nicht abspeisen lassen. Die Streiktage wurden mit großem Engagement zahlreicher Ehrenamtlicher in den Tarifkommissionen gemeinsam mit den Bezirks- und Abteilungsleitungen sowie Vertrauensleuten organisiert und von Hauptamtlichen unterstützt. Besonders freuen wir uns über mehr als 1300 neue Mitglieder in der GEW BERLIN. Euer Eintritt zeigt, dass der Wille zur Veränderung in der Bildungslandschaft lebendig ist. Herzlich willkommen!

Insgesamt hatten wir sieben Streiktage, vier davon im gesamten TV-L-Bereich. Wir haben am 20.11. an den Hochschulen und am 22.11. für eine Stadtstaatenzulage gestreikt. Am 28.11. fand unser bundesweiter Bildungsstreiktag statt, der mit gut 6000 Streikenden in Berlin und 20.000 bundesweit ein voller Erfolg war. Dieser Tag war nicht nur ein starkes Signal an die Arbeitgeber, sondern auch eine Demonstration für dringend notwendige strukturelle Verbesserungen im Bildungsbereich. Zahlreiche Kitas, Schulen und Hochschulen wurden bestreikt, viele Bildungseinrichtungen mussten sogar vollständig schließen. Eltern traten teils verständnislos an uns heran, andere erklärten ihre Solidarität und boten Unterstützung an. Die vielen Erklärungen in Gesprächen und Mails, sowie unsere Eltern-E-Mail-Aktion zum Protest an den Senat kamen sehr gut an.

In dieser Tarifrunde haben wir gemeinsam gekämpft und ein Ergebnis erreicht, das uns zumindest angesichts der Großwetterlage vorerst zufrieden stimmen kann. Mehr geht immer, und vor der Tarifrunde ist nach der Tarifrunde. Bereiten wir uns jetzt schon darauf vor, im Winter 2025 noch stärker für bessere Entgelte zu kämpfen!

 

Der Tarifabschluss im Überblick

 

  • Möglichst im Dezember 2023 wird eine steuer- und abgabenfreie Einmalzahlung in Höhe von 1.800 Euro gezahlt (für Vollzeitbeschäftigte), wenn zwischen dem 1.8. und 9.12.2023 mindestens an einem Tag Anspruch auf Entgelt bestand.
  • Januar bis Oktober 2024: 120 Euro monatliche Inflationsprämie für Vollzeitbeschäftigte, ebenfalls steuer- und abgabenfrei.
  • ab 1. November 2024: Erhöhung der Tabellenwerte um 200 Euro für alle Beschäftigte.
  • ab 1. Februar 2025: Erhöhung der Tabellenwerte um 5,5 Prozent.
  • Werden mit den beiden Erhöhungsschritten keine 340 Euro erreicht, wird die Gehaltssteigerung zum 1. Februar 2025 auf 340 Euro gesetzt.
  • Die Laufzeit beträgt 25 Monate.
  • Für studentische Beschäftigte werden ab Sommersemester 2024 Mindestentgelte in Höhe von 13,25 Euro/Stunde festgelegt, die ab Sommersemester 2025 auf 13,98 Euro/Stunde erhöht werden. Die Mindestvertragslaufzeiten betragen in der Regel zwölf Monate.

 

Weitere Informationen: www.gew.de/mehr/fragen-und-antworten

 

Statement der Berliner BTK-L-Mitglieder

 

Gemeinsam haben wir in den letzten Wochen über stimmungsvolle und auch von der Beteiligung überzeugende Streiks in Berlin und Potsdam deutlich gemacht, dass wir uns mit Almosen nicht abspeisen lassen. Freuen wird viele das Ergebnis zu den Inflationsausgleichzahlungen und Entgelterhöhungen. Ebenso ist der Wegfall der längeren Stufenlaufzeiten im Sozial- und Erziehungsdienst unser Erfolg, auch die Öffnung zur Verstetigung der Hauptstadtzulage ist für uns Berliner*innen positiv. Im Gesamtvolumen haben wir eine ordentliche Tarifeinigung erreicht, die zeitgleich auch für unsere verbeamteten Kolleginnen und Kollegen übertragen werden soll. Diese Einigung ist in jedem kleinen Detail hart errungen.

Und doch bleibt ein schaler Beigeschmack, denn der TV EntgO-L spielte erneut kaum eine Rolle in den Verhandlungen und die notwendigen Entlastungen für den Sozial- und Erziehungsdienst wurden von den Arbeitgebern brüsk abgelehnt. Unsere 14 Forderungen für Verbesserungen des TV EntgO-L, und damit auch die EG 10 für alle Lehrkräfte, werden wir im kommenden Jahr in verbindlich zugesagte Gespräche mit den Arbeitgebern tragen. Für studentische Beschäftigte konnten Mindestentgelte erreicht werden, das Ziel heißt aber klar Tarifvertrag. Auch wenn wir natürlich gern sofort einen TV Stud Bund gehabt hätten, ist auch dieses Ergebnis ein erster Erfolg.

Bildungsthemen waren in den Verhandlungen unterrepräsentiert. Aber 2025 beginnt die nächste Tarifrunde. Wir werden den Organisationsgrad erhöhen. Die GEW BERLIN zeigt schon jetzt mit ihrer Arbeitskampffähigkeit, dass die Interessen der Beschäftigten an guten Arbeitsbedingungen und fairer Entlohnung die zentralen Treiber einer Bildungsgewerkschaft sind. Die Rechnung ist einfach: Je größer die Streikbeteiligung, desto besser die Verhandlungsergebnisse!

 

Die Mitglieder der BTK-L für die GEW BERLIN:

Anne Albers, Robert Odarjuk, Dr. Ralf Schäfer, Matthias Schwartz, Jana Stampka, Kerstin Wappke, Christiane Weißhoff, Thomas Weiske, Sara Ziegler

Kontakt
Anne Albers
Leitung Vorstandsbereich Beamten-, Angestellten- und Tarifpolitik
Telefon:  030 / 219993-0
Kontakt
Sara Ziegler
Leitung Vorstandsbereich Beamten-, Angestellten- und Tarifpolitik
Telefon:  030 / 219993-0