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Schwerpunkt "Tariflohn für alle!"

Mit offensiver Gewerkschaftsarbeit zum Erfolg

Tarifverträge sind ein wichtiges Instrument, um die Rechte von Arbeitnehmer*innen zu wahren und die Arbeitsbedingungen zu verbessern – ein Blick auf die Geschichte der Tarifpolitik.

Foto: IMAGO

Der Abschluss von Tarifverträgen ist ein zentrales Handlungsfeld der Gewerkschaften. Mit Tarifverträgen schützt die GEW die materiellen, sozialen und rechtlichen Interessen ihrer Mitglieder; trägt sie dazu bei, dass die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen verbessert werden. Tarifvereinbarungen schreiben vertraglich und rechtsverbindlich fest, was die Kampfbereitschaft der Mitglieder durchsetzen konnte. Sowohl die Durchsetzung neuer Tarifverträge wie die Weiterentwicklung bestehender verlangt die gesicherte Durchsetzungsbereitschaft der betroffenen Mitglieder.« Somit ist laut Satzung der GEW diese als Gesamtorganisation zuständig oder ein Landesverband, wenn ihm der Koordinierungsvorstand die Zuständigkeit übertragen hat. Es bedarf immer eines aktiven Handelns des zuständigen Vorstandsbereiches und eines Beschlusses des geschäftsführenden Vorstandes der zuständigen Gliederungsebene, um Tarifverhandlungen aufnehmen zu können. Die GEW BERLIN stellt sich dieser Aufgabe schon lange, aber nicht jeder Landesverband bearbeitet dieses Feld gleich intensiv.

Bis Anfang der 2000er Jahre wurden bei den meisten freien Trägern der Sozialen Arbeit Arbeitsverträge geschlossen, die direkt auf den Bundes-Angestellten-Tarifvertrag (BAT) verwiesen. Der Druck für die Beschäftigten, unter eine tarif­liche Bindung zu fallen, war deshalb entsprechend gering. Es verwundert daher nicht, dass die Tarifverträge des Landesverbandes in den 80er und 90er Jahren zunächst kaum freie Träger betrafen. So wurde 1986 der Tarifvertrag für studentische Beschäftigte, der TV Stud II, geschlossen und 1993 gemeinsam mit der Gewerkschaft Kirche und Diakonie, der Deutschen Angestellten Gewerkschaft und der ÖTV der kirchliche Manteltarifvertrag mit der Evangelischen Kirche Berlin Brandenburg. 1999 wurde nach langjährigen Tarifauseinandersetzungen und Streiks ein Tarifvertrag mit der Private Kant-Schule, Grundschule Grunewaldstraße, abgeschlossen – der erste Tarifvertrag für eine private Grundschule in der Bundesrepublik. 2003 wurde ein Manteltarifvertrag für den Humanistischen Verband (HVD) abgeschlossen.

 

Ausschluss aus der TdL und die Folgen

 

Durch den Ausschluss des Landes Berlin aus der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) und dem Verband kommunaler Arbeitgeber (VKA) 1994 war es notwendig, für die Beschäftigten des Landes Berlin den Tarifvertrag zur Übernahme von Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes abzuschließen. Im Rahmen der »Solidarpaktverhandlungen« 2003 wurde der Anwendungstarifvertrag Land Berlin geschlossen. Der Tarifvertrag beinhaltete die Kürzung der Gehälter der Landesbeschäftigten um acht, zehn, zwölf Prozent bei gleichzeitiger Absenkung der Arbeitszeit. Für Lehrkräfte hätte diese Absenkung des Gehalts um zehn oder zwölf Prozent aber bedeutet, dass es im Gegenzug keine Absenkung der Unterrichtsverpflichtung gibt. Die GEW BERLIN unterschrieb als einzige Gewerkschaft des öffentlichen Dienstes daher den Anwendungstarifvertrag für die Lehrkräfte nicht, weil der Arbeitgeber nicht bereit war, auf eine Erhöhung der Pflichtstundenzahl zu verzichten. Notgedrungen musste der Tarifvertrag aber für die anderen Organisationsbereiche unterschrieben werden. In der Folge kam es zu einer ganzen Palette von Anwendungstarifverträgen mit Hochschulen, dem Pestalozzi-Fröbel-Haus und dem Lette Verein.

Nachdem 2008 die Regelungen des Tarifvertrages der Länder auf die Lehrkräfte mit dem Übergangs-Tarifvertrag Lehrkräfte von der GEW abgeschlossen wurde, war das Tor aufgestoßen zur Rückkehr in den Flächentarifvertrag der TdL. Der erste Schritt dorthin war der Abschluss des Angleichungstarifvertrags, mit dem ab November 2010 für Berlin wieder der TV-L – allerdings mit Sonderregelungen wie zum Beispiel einem abgesenkten Gehaltsniveau bis November 2017 – galt. Damit endete auch die seit Mai 2004 weitgehend bestehende Gehaltsstagnation für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst des Landes Berlin.

 

Der Beratungsbedarf der Beschäftigtenvertretungen steigt

 

Da nach den radikalen Einschnitten 2003/2004 bei den freien Trägern der Sozialen Arbeit jahrelang ebenfalls keine Gehaltsentwicklung erfolgte, wurde die tarifliche Entwicklung im öffentlichen Dienst im Land Berlin aufmerksam von den Beschäftigten der freien Träger verfolgt. Die naheliegende Frage, die sich für sie stellte, war: Warum gilt das nicht auch für uns? Seit 2010/2011 stieg der Beratungsbedarf der Betriebsräte freier Träger deutlich an zu den Inhalten des TV-L und den Möglichkeiten, Strukturen des TV-L in einer Betriebsvereinbarung zu regeln. Dabei blieb es aber nicht. Zunehmend organisierten sich die Kolleg*innen freier Träger gewerkschaftlich mit dem Ziel, ebenfalls eine tarifliche Bindung zu erlangen. Deshalb widmete sich der VBBA intensiv den freien Trägern der Sozialen Arbeit und den Trägern von Kitas. Der Schlüssel für die Tarifarbeit war und ist auch heute noch die Betreuung der Betriebsräte, über die der Kontakt in die Kollegien erfolgt. Der VBBA stellt auf Betriebsversammlungen den Weg zu einem Tarifvertrag vor und organisiert Mitgliederversammlungen, um die auf den jeweiligen Träger bezogene Tarifarbeit zu besprechen. Für ein Tarifvorhaben werden auf Mitgliederversammlungen Tarifkommissionen gewählt und Vertrauensleute, um die Informationen zur Tarifarbeit bei den Trägern zu verbreiten. In vielen Sitzungen der gewählten Tarifkommissionen werden die Forderungen anhand von Tarifvertragsentwürfen diskutiert und dann der Arbeitgeber zu Verhandlungen aufgefordert. Die Verhandlungen dauern in der Regel über ein Jahr oder etwas länger. Selbst wenn man anfangs skeptischen Arbeitgeber*innen gegenübersitzt und Kompromisse nicht sofort in greifbarer Nähe sind, führt oft der Verhandlungsweg zum Ziel. Nicht immer kommt es zu Streiks, in einigen Fällen ging es aber nicht ohne.

Gab es 2010 nur einen solchen Tarifvertrag für die urban-consult gGmbH (TV urban-consult), wurden es in der Folge durch unsere offensive, an den Mitgliederinteressen orientierte Politik immer mehr. Mit der Lebenshilfe gGmbH konnte 2012 nach einer langen Tarifauseinandersetzung unter der Verhandlungsführung von Holger Dehring, die er 2011 von Klaus Schroeder übernommen hatte, ein Tarifvertrag ausgehandelt werden. Mittlerweile gibt es diverse Tarifverträge mit dem Unternehmen und Unternehmensteilen. Hier werden für mehrere Tausend Kolleg*innen in vier Unternehmensteilen die Arbeits- und Einkommensbedingungen tariflich geregelt. Mit weiteren Unternehmen unterschiedlicher Größe bestehen Tarifverträge, so der Vielfalt e.V. und dem Nachbarschaftsheim Neukölln. Weitere Tarifverträge sind fertig verhandelt, warten aber noch auf die Refinanzierung. In anderen Unternehmen starten Tarifvorhaben oder befinden sich im Stadium der Sondierung, bei einigen ist die GEW bereits in Tarifverhandlungen. Zurzeit verhandelt die GEW BERLIN einen Tarifvertrag mit der Paritätischen Tarifgemeinschaft. Der Flächentarifvertrag für Träger der Sozialen Arbeit in Berlin, der mit der PTG vereinbart werden soll, zielt darauf ab, gleich für mehrere Unternehmen zu gelten. Nach dem Tarifvertrag ist immer vor dem Tarifvertrag. Tarifverträge müssen gepflegt und verbessert werden, an geänderte Rechtslagen und nicht zuletzt die Entgelte angepasst werden. Dafür braucht es eine GEW BERLIN, die die Tarifpolitik bei freien Trägern als wichtige Aufgabe betrachtet und engagierte Kolleg*innen in den Betrieben, die bereit sind, sich für ihre Belange einzusetzen.

Kontakt
Markus Hanisch
Geschäftsführer und Pressesprecher
Telefon:  030 / 219993-46