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bbz 07-08 / 2019

Dem selbstwirksamen Handeln auf der Spur

In einer Jugendfreizeiteinrichtung erfahren Kinder und Jugendliche auf vielfältige Art und Weise, Freiheiten zu erkennen und wahrzunehmen

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, das Thema Freiheit in einer Jugendfreizeiteinrichtung (JFE) als Besucher*in zu suchen, zu finden, zu erkämpfen oder überhaupt damit konfrontiert zu werden.

Kinder und Jugendliche, die nach einer Eingewöhnungsphase in einem Jugendzentrum Ideen zur inhaltlichen Gestaltung des Cluballtags einbringen, sind für die Pädagog*innen leicht zu handhaben. Einem 16-jährigen Besucher, der einen Raum sucht, um mit seinen Freund*innen Breakdance zu üben, kann man seinen Wunsch nach Freiheit schnell und problemlos erfüllen. Es ist wahrscheinlich, dass der beispielhafte Breakdancer schon seit der Kindheit Selbstwirksamkeit und lebensweltbezogene Teilhabe in seinem Umfeld erfahren hat und deshalb die Fähigkeit besitzt, sich kontinuierlich einem Hobby zu widmen und für sich einzustehen.

Freiräume gewähren und gemeinsam gestalten

In vielen Jugendzentren, die sich mit eher marginalisierten Jugendlichen auseinandersetzen, sieht die Arbeit oft anders aus. Nicht selten hat die Suche nach Freiheit einen deutlich pragmatischeren Anspruch, beispielsweise dem beengenden Zuhause zu entfliehen, Ruhe vor Geschwistern und Eltern zu suchen und in Ruhe mit dem Handy zu spielen. Beide Gruppen können für die Mitarbeiter*innen »pflegeleicht« sein. Indem man dem Kohärenzgefühl des Breakdancers auf ein neues Level verhilft und ihn dabei unterstützt, einen Raum für sein Hobby zu finden und der womöglich gestressten Jugendlichen ihren Freiraum, neben schulischen und familiären Verpflichtungen, gewährt. Zu hinterfragen wäre, ob Zweitgenannte, bei dauerhafter Flucht ins Handy, das gleiche Maß an Freiheit erfährt wie der Breakdancer. Einerseits sollten die Pädagog*innen hier nicht zu normativ, sondern lebensweltorientiert herangehen, andererseits sollten sie aber auch versuchen, herauszufinden, ob das gelebte Maß der Freiheit gesellschaftlich limitiert wurde oder tatsächlich dem Willen der Jugendlichen entspricht. Bestenfalls wird dies nach intensiverer Beziehungsarbeit deutlich. Mit den Erkenntnissen aus vielen Gesprächen können dann vielfältige Angebote geschaffen werden, die den Jugendlichen Handlungsoptionen geben.

Je weniger Teilhabe die Kinder und Jugendlichen in ihren Familien erfahren haben, desto schwieriger gestaltet sich der Prozess der Partizipation auch im späteren Lebensverlauf. Nicht selten werden Pädagog*innen mit jungen Menschen konfrontiert, die nur wenig Einfluss auf die Gestaltung ihres Leben zu haben scheinen. Diese Teilnahmslosigkeit kann daraus resultieren, dass Kinder wenig Fragen nach ihrem Empfinden oder ihrer Meinung zu den verschiedensten Themen erhalten und sie folglich nicht lernen, eigene Emotionen und Bedürfnisse zu erkennen, einzuordnen, zu benennen, zu artikulieren und letztendlich dafür einzustehen. Die Möglichkeiten von Jugendclubs können nur als Beitrag begriffen werden. Nichtsdestotrotz können die Pädagog*innen mit ihren Angeboten und dem Anspruch, die Jugendlichen so viel wie möglich selbst entscheiden zu lassen, einen relevanten Anteil zur Steigerung des Selbstwirksamkeitsgefühls beitragen.

Freiheiten innerhalb starrer Strukturen

Neben dieser Freiheit fördernden Aufgabe nimmt das Jugendzentrum jedoch auch eine restriktive Rolle ein. Letztendlich existiert jene einschränkende Rolle, wie auch außerhalb dieses Mikrokosmos, vor allem, um die Freiheit aller Beteiligten zu wahren. Gleichwohl wird durch ein Hausregelwerk die Freiheit der Einzelnen eingeschränkt. Es ist davon auszugehen, dass solche Hausregeln in Verbindung mit augenscheinlich starren Strukturen viele Freiheit suchende Jugendliche abschreckt und von JFE fernhält. Die Jugendlichen, die trotzdem kommen und sich mehr oder weniger den Strukturen unterwerfen müssen, sollten regelmäßig in die Gestaltung ebendieser Strukturen eingebunden werden. Jugendliche, die in diesem Kontext erfahren, dass die Rahmenbedingungen ihres Jugendzentrums formbar sind, können sich diese Erfahrung auch in anderen Lebenssituationen zu Nutze machen. Gleichzeitig werden bei der Aushandlung von Hausregeln soziale Fähigkeiten gefördert und gefordert sowie Erlebnisse mit demokratischen Werkzeugen forciert. Im Idealfall bleibt das gemeinsame Arbeiten an dem Thema Freiheit keine bereichernde individuelle Erfahrung, sondern wird ein gelebter Dauerzustand mit nachhaltiger Wirkung auf die gesamte Gesellschaft.