bbz 06 / 2019
Absurde Vorwürfe
Eine Veranstaltung zur Ausstellung »Vergessene« Geschichte – Berufsverbote und politische Disziplinierung verdeutlicht die Brisanz der Berufsverbote noch bis heute
Zu den Berufsverboten fand an der Freien Universität (FU) eine von der AG Berufsverbote initiierte und gut besuchte Veranstaltung der Hochschulgruppe der GEW BERLIN und des FU-Asta statt. Eingangs hielt der GEW-Vorsitzende Tom Erdmann eine schwungvolle Begrüßungsrede, in der er den aktuellen Bezug zu den dreisten Schnüffel-Aktivitäten der AfD herstellte. In der anschließenden Präsentation beschrieb Ewald Leppin den historischen Kontext der Ausstellung und betonte die bisher noch ausstehende Aufarbeitung durch die politisch Verantwortlichen. Die Besonderheiten der Berufsverbotepraxis in Berlin (West) und an der FU, wie zum Beispiel die »Notgemeinschaft für eine Freie Universität«, stellten Lore Nareyek und Eva Besler dar. In einer szenischen Lesung machten Studierende die Absurdität der Behördenvorwürfe gegenüber Lehramtsbewerber*innen hör- und sichtbar, indem sie aus Gedächtnisprotokollen von Verhören lasen. Mit den Spielszenen wurde sehr eindrucksvoll dargestellt, wie peinlich und in die Privatsphäre eindringend die Befragungen durch Oberschulräte durchgeführt und mitprotokolliert wurden. Die jungen Anwesenden waren erstaunt, mit welcher Verunsicherungs- und Verfolgungstaktik gegen kritische Geister in der BRD und West-Berlin in den 1970er Jahren vorgegangen wurde.
In seinem Vortrag arbeitete der Staats- und Verwaltungsrechtler Martin Kutscha heraus, dass die zehntausendfache Anwendung des »Radikalenerlasses« durch die Behörden einen massiven Verstoß gegen die im Grundgesetz dargelegte freiheitlich demokratische Grundordnung darstellte. Dominik Rigoll ging anschließend auf die Rolle des Staatsschutzes und die Bedingungen für die Berufsverbote und ihre Abschaffung ein. Er betonte dabei verschiedene Aspekte für die letztendliche Beseitigung in den 80er Jahren, besonders den breiten Widerstand gegen die Berufsverbotspraxis. In der nachfolgenden Diskussion wurde deutlich, wie wichtig diese Widerstandsbewegung war.
Mobilisierung der Öffentlichkeit ist unerlässlich
Besonders anschaulich wurde es am Fall Hans Apel geschildert, für den in der Deutschlandhalle eine Solidaritätsveranstaltung mit 10.000 Protestierenden organisiert wurde. Jutta Rübke, niedersächsische Landesbeauftragte für die Aufarbeitung, sowie Jutta Martens-Hinzelin, Zeitzeugin aus Hamburg, erläuterten, wie sie in ihren Bundesländern die demokratische Öffentlichkeit und die Parlamente mobilisiert haben. Dies sei dringend nötig um die Aufarbeitung der »vergessenen« Geschichte der Berufsverbote staatlich zu gewährleisten und ein Bedauern über geschehenes Unrecht auszusprechen.
Bereits während einer ähnlichen Veranstaltung im GEW-Haus am 20. März hatte die Diskussion gezeigt, wie unterschiedlich damals in den Kollegien auf die Handhabung des Radikalenerlasses reagiert wurde: Das Spektrum reichte von breiter Solidarität bis hin zu Einschüchterung und Spitzelwesen.
Am Ende der Veranstaltung an der FU gab es Konsens darüber, dass es gerade in Berlin noch viel zu tun gibt. Die Forderungen der Betroffenen nach Aufarbeitung, Rehabilitierung und Wiedergutmachung sind unerfüllt. Wie schon auf der Veranstaltung in der GEW wurde auch an der FU der Vorschlag konkretisiert, Schüler*innen durch das Auftreten von Zeitzeug*innen die Aktualität des Themas zu vermitteln. Betroffene selbst sind nicht mehr an den Schulen und die derzeitigen Lehrkräfte über das Thema oft nur oberflächig informiert. Projekte zur Zeitzeug-*innen-Befragung können eine gute Lösung sein.
Um auch die FU auf Trab zu bringen, setzt der Asta im laufenden Semester eine Veranstaltungsreihe zur kritischen Aufarbeitung der FU-Geschichte fort. Den Auftakt dafür bildete unsere in Kooperation entstandene Veranstaltung.