blz 06 / 2015
Altersarmut garantiert
Auf zwei »Rentenabenden« haben Berliner VolkshochschuldozentInnen, MusikschuldozentInnen und die AG der Lehrbeauftragten der GEW BERLIN über ihre Altersversorgung diskutiert.
Bei der ersten Veranstaltung klärten wir die Frage, welche Merkmale genau eine selbständige Tätigkeit aufweist. Zuerst ging es um die Abgrenzung von Selbstständigkeit und Beschäftigungsverhältnis nach dem Sozialgesetzbuch. Das liegt vor, wenn die Tätigkeit nach Weisungen erfolgt und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers geschieht. Wie einige KollegInnen sofort bemerkt haben, trifft diese Beschreibung auf unsere Arbeit als VHS-DozentInnen und Sprachlehrbeauftragte voll zu. Leider haben Gerichtsurteile seit Jahrzehnten festgelegt, dass die Arbeit in der Weiterbildung »freiberuflich« ist. Das scheint uns absurd, da wir einer ganzen Reihe von Weisungen unterliegen.
Nachdem der Referent Richard Rath erklärt hatte, was eine Statusfeststellung ist, berichteten mehrere KollegInnen, dass die meisten Statusfeststellungen trotz Unterstützung der Gewerkschaften keinen Erfolg gehabt haben. Zudem war die Erfahrung eines Feststellungsverfahrens, über das eine Musikdozentin berichtete, extrem deprimierend, da das Gericht offensichtlich das Problem nicht erkennen wollte. Auf die Frage, ob die Beitragspflicht für alle Honorarlehrkräfte gelte, antwortete Rath, dass es Ausnahmen gebe:
Wer weniger als 450 Euro im Monat (geringfügig) verdiene, wer eine versicherungspflichtige ArbeitenehmerIn beschäftige, wer das Alter der Regelrente erreicht habe oder wer ein Praktikum während des Studiums absolviere.
Rath legte eine Rechnung darüber vor, wie viele Jahre eine DozentIn bei dem gegenwärtigen Rentensystem unterrichten muss, bis sie eine Rente über dem Minimum erreicht. Nach seiner Berechnung wären 728 Euro (= Grundsicherungsniveau) erreicht, wenn rund 2.000 Euro brutto im Monat für 35 Arbeitsjahre verdient wurden. Nicht nur dies, sondern auch die Höhe der Versicherungsbeiträge für die Rente und die Krankenkasse ist für die Honorarlehrkräfte besorgniserregend: Bei Einnahmen in Höhe von 2.000 Euro brutto im Monat betragen die Kosten der Sozialversicherung etwa 700 Euro (18,9 Prozent gesetzlicher Rentenversicherung, 14,6 Prozent gesetzlicher Krankenversicherung). Zudem wird die Krankenversicherung nicht auf der Basis der realen Einnahmen, sondern auf einer angenommenen Mindestbeitragsbemessungs-grundlage von 2.126,25 Euro berechnet, die auf 1.417,50 Euro für diejenigen reduziert wird, die Hartz-IV-berechtigt sind.
Das Rentenniveau ist seit 1992 ständig gesunken
Im Mittelpunkt des Abends mit Markus Kurth, MdB und Rentenpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, stand zunächst ein Überblick über die Entwicklung der Rentenreformen: Seit 1992 hätten diese dazu geführt, dass das Rentenniveau gesunken sei und nunmehr nur noch bei etwa 44 Prozent des Nettoeinkommens liege. Die Einführung der Riesterrente ab 2001 sollte diese Abwärts-Entwicklung durch private Vorsorge abfedern. Das ist aber nach Darstellung von Kurth nicht gelungen. Die politisch erhoffte breite Inanspruchnahme fand nicht statt und die Riesterrente sei kein Erfolgsmodell gegen Altersarmut.
Die Grundsicherung beträgt laut Kurth in teuren Städten etwa 780 Euro, in Berlin etwa 680 Euro. Bei der Grundsicherung wird die Bedürftigkeit geprüft, sodass man sie nur dann bekommt, wenn man fast kein Vermögen hat und keine gut verdienende LebenspartnerIn. Zudem haben viele Honorarlehrkräfte – und auch andere GeringverdienerInnen – als Rente nach einem langen Arbeitsleben weniger zu erwarten als die Grundsicherung. Damit gerate die Rentenversicherung unter politischen Legitimationsdruck und müsse verbessert werden, so Kurth.
Die von der Bundesregierung ab 2017 geplante »solidarische Lebensleistungsrente« solle erst ab 40 Beitragsjahren für GeringverdienerInnen (mit weniger als 30 Rentenentgeltpunkten) gelten und betreffe damit nur 1 Prozent aller RentnerInnen. Voraussetzung dafür ist zudem eine zusätzliche private Altersvorsorge. Unser Fazit ist, dass sie auf die meisten Honorarlehrkräfte nicht zutrifft.
Viele offene Fragen bei der Altersversorgung
Das Konzept der Grünen sieht eine Garantierente von 850 Euro pro Monat für Menschen mit 30 Jahren Rentenversicherungszeit (nicht Beitragszeit), die Anerkennung von bis zu zehn Jahren für Kindererziehung sowie faire und flexible Übergänge in die Rente zwischen 60 und 67 Jahren vor. Wichtig für die Honorarlehrkräfte wäre, dass auch die Selbständigen einbezogen würden und dass die Arbeitgeber/Auftraggeber ihren Anteil zahlen würden.
Nach diesen zwei Abenden bleiben für uns OrganisatorInnen viele Fragen offen: Wir haben viel über das Rentensystem gelernt, aber unsere Lage scheint uns unter den gegenwärtigen Umständen hoffnungslos. Daher wundert es nicht, dass viele KollegInnen die Rentenbeiträge nicht bezahlen, obwohl sie wissen, dass sie beitragspflichtig sind, und außerdem in einer gesetzwidrigen Lage ungern leben. Aber sie haben weder gegenwärtig das Geld für die Rentenbeiträge noch eine Erwartung auf eine angemessene Rente.
Es bestätigt sich, dass unser Hauptproblem die niedrigen Honorare sind, die knapp zum Leben reichen, aber in der Regel keine Vorsorge für das Alter ermöglichen. In den kommenden Monaten wollen wir mit einer Reihe von Aktionen dieses Thema in die öffentliche Diskussion einbringen.