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Gewerkschaft

Arbeitszeiterfassung ist Arbeitsschutz

… und Arbeitsschutz gilt auch für Lehrkräfte. Zum Stand der Umsetzung der Zeiterfassungspflicht für Lehrkräfte und der Rolle der Berliner Arbeitszeitstudie.

Foto: Adobe Stock

Auf der bundesweiten GEW-Arbeitszeitkonferenz im September 2023 haben wir von allen Vertreter*innen große Hoffnungen auf die zukünftigen Zahlen der Berliner Arbeitszeitstudie vernommen. Die Ergebnisse werden die Debatte um die Arbeitszeiterfassung beleben und für alle Kolleg*innen im gesamten Bundesgebiet von Bedeutung sein. Daher ermutigen wir euch, die Zeiterfassung das ganze Jahr über fortzuführen. Die Einführung der Arbeitszeiterfassung durch den Arbeitgeber ist unumgänglich. Bezüglich des politisch umstrittenen »Wie« bieten wir mit unserer Studie die grundlegende Basis.

 

Arbeitsministerium lehnt Ausnahme für Bildung ab

 

In diesem Sommer hat unsere Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) in ihrer Rolle als Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK) einen Brief an den Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) gerichtet. In diesem Schreiben fordert sie gesetzliche Ausnahmeregelungen für Lehrkräfte und Wissenschaftler*innen hinsichtlich der Zeiterfassung. Die Begründung lautet, dass die Tätigkeiten dieser Berufsgruppen nicht im Voraus prognostizierbar seien. Zudem argumentiert sie, dass eine obligatorische Zeiterfassung die Attraktivität der Berufe mindern würde, da die selbstständige Ausübung eingeschränkt werde. Diese Gründe sind allesamt sachlich falsch. Das Arbeitsministerium hat umgehend mit einer deutlichen Absage reagiert: Mit Verweis auf den Arbeitsschutz und bereits geltende Ruhezeiten kann es bei der Pflicht zur Zeiterfassung keine grundsätzliche Ausnahme geben. Eine nachträgliche Dokumentation der Arbeitszeit ist auch dann möglich, wenn ihr Umfang nicht im Voraus feststeht, auch Beamt*innen sind gemeint.

 

Aktuelle Daten als Schlüssel zur Debatte

 

Die Studien von Frank Mußmann und seinem Team haben bewiesen: Es braucht keine Stechuhr am Schultor, weil die Tätigkeiten von Lehrpersonen wissenschaftlich fundiert und verlässlich per App oder Zeiterfassungsbogen gemessen werden können. Die Zeiterfassung ist aus rechtlicher Sicht gefordert, und mit dem Blick in die schulische Realität dringend notwendig. Im September 2023 hat eine sächsische Kurzstudie gezeigt: Auch in Sachsen leisten Lehrkräfte systematisch Mehrarbeit und können die Überstunden in den Ferien nicht mehr abbauen. Wenn jede Berliner Lehrkraft nur eine unbezahlte Überstunde wöchentlich leistet, würde das Land uns nach einem Jahr bereits mehr als eine Million Unterrichtsstunden schulden. Nach der ersten einjährigen Messstudie in Niedersachsen im Jahr 2016 wird die Berliner Arbeitszeitstudie künftig aktuelle und umfassende Daten hierzu liefern. Mit diesen Daten werden wir in der Lage sein, juristische und politische Auseinandersetzungen zu führen. Zudem sind Schulleitungen und Kolleg*innen an Berufsschulen erstmals mit eigenen Tätigkeitsmodellen einbezogen, und die subjektiv wahrgenommene Belastung wird mittels eines speziell entwickelten Fragebogens mit den Ergebnissen der täglichen Zeitmessung in Verbindung gebracht. Weil es den Arbeitgebern trotz Ausschreibung noch immer nicht gelungen ist, eine eigene Studie zu beauftragen, werden wir mit unseren Berliner Ergebnissen den einzigen fundierten und aktuellen Debattenbeitrag liefern. Die Kurzstudie in Sachsen gab einen Vorgeschmack, die einjährige Berliner Studie wird ein umfassendes Bild zeigen.

 

Erfassungsinstrumente müssen leicht zugänglich sein

 

Die GEW hat sich längst auf den Weg gemacht, eine umfassende Position zur praktischen Handhabung der Arbeitszeit­erfassung zu finden. Bereits 2019 hat die erste Arbeitszeitkonferenz in Eisenach stattgefunden, und seitdem besteht eine ständige Arbeitsgruppe der Landesvorsitzenden. Nach der Veröffentlichung der Urteilsbegründung des Bundesarbeitsgerichts zur Arbeitszeiterfassung Ende 2022 wird die Konkretisierung im Bereich Arbeitsschutz deutlicher. Auf der GEW-Arbeitszeitkonferenz Ende September in Kassel sind erste gemeinsame Linien zur Umsetzung der Erfassung sichtbar geworden: Ein leicht zugängliches Erfassungsinstrument muss eingesetzt werden. Die Zeiterfassung darf keine Leistungs- und Verhaltenskontrolle ermöglichen und muss datenschutzkonform sein. Alle Tätigkeiten und Arbeitszeiten von Lehrkräften müssen erfasst werden, zu allen Zeiten, auch mobile Arbeit, Arbeit am Wochenende und in den Ferien gehören dazu. Ein empirisch fundiertes Jahresarbeitszeitmodell, möglicherweise differenziert nach schulspezifischen Anforderungen, kann der Verwaltung als nützliches Instrument für die Planung der Zumessung von Lehrkräftestunden dienen. Aber die Erfassung der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit kann dadurch nicht ersetzt werden, denn nur durch sie wird dem Arbeitsschutzanspruch Genüge getan. Und es muss eine »Nachsorge« der Erfassung erfolgen, Überstunden müssen ausgeglichen und zu hohe Belastungen für die Zukunft vermieden werden. Hier sind die Beschäftigtenvertretungen zur Durchsetzung von Arbeitsschutznormen ins Boot zu holen. Nur so kann Arbeitszeiterfassung als Teil des Arbeitsschutzes an Schulen wirksam umgesetzt und gesunde Lehrkräftearbeit möglich werden.

Kontakt
Markus Hanisch
Geschäftsführer und Pressesprecher
Privat:  030 / 219993-46