Schwerpunkt „Vom Papier zum Pixel – Digitalisierung in Kita und Sozialer Arbeit“
Auf dem Weg zu einer digitalen Kindheitspädagogik
Das Projekt PoDiZ unterstützt die Entwicklung von digitalen Kompetenzen bei pädagogischen Fachkräften und trägt dazu bei, dass sie den Anforderungen einer zunehmend digitalisierten Gesellschaft gewachsen sind.
Die Kindheitspädagogik erlebt eine fortschreitende Digitalisierung, die neue Arbeitsformen entstehen lässt. Obwohl der Diskurs erst seit wenigen Jahren Einzug gehalten hat, hat die COVID-19-Pandemie zu einem beschleunigten Einsatz digitaler Formate geführt. Bereits musikpädagogische Angebote in Kitas sowie Elterngespräche finden vermehrt digital über Videokonferenztools statt. Dies verdeutlicht, dass Kinder nicht nur dann mit digitalen Prozessen in Berührung kommen, wenn sie direkten Kontakt zu Medien haben, sondern auch in Situationen, in denen digitale Medien als Hilfsmittel eingesetzt werden, wie Helen Knauf betont. Diese Bereiche betreffen sowohl die pädagogische Arbeit als auch Aufgaben wie Organisation und Management, Vor- und Nachbereitung sowie die Kommunikation der Fachkräfte mit den Eltern. Es ist nun wichtig, dies aufzugreifen und zukunftsorientiert in das Studium der Kindheitspädagogik an der Evangelischen Hochschule Berlin zu integrieren. Dabei stellen sich folgende Fragen: Welche digitalen Formate für die mittelbare pädagogische Arbeit gibt es? Welche Kompetenzen benötigen pädagogische Fachkräfte und Eltern, um diese einzusetzen? Das Teilprojekt »DigiKipäd« im Rahmen des Projekts »PoDiZ – Potentiale der Digitalisierung nutzen. Zukunftsfähige EHB« unter der Leitung von Melita Grieshop, Professorin an der Evangelischen Hochschule Berlin, widmet sich genau diesen Fragen. Das Projekt wird durch die Stiftung »Innovation in der Hochschullehre« gefördert und zielt darauf ab, die Möglichkeiten der Digitalisierung in der Kindheitspädagogik zu erkunden und umzusetzen.
Barrieren überwinden durch positive Erfahrungen
Kerstin Nitsche und Lydia Ostermann untersuchen im Teilprojekt »Digitalisierte kindheitspädagogische Praxis« (DigiKiPäd) die Einstellung der Fachkräfte zur Digitalisierung und zu digitalen Medien in der kindheitspädagogischen Praxis. Eine gegenseitige Beeinflussung der Faktoren Haltung gegenüber digitalen Medien und Kompetenzen sowie Fortbildung zu neuen Medien ist dabei deutlich zu erkennen. Positive Erfahrungen durch Anwendung digitaler Werkzeuge lassen Barrieren und Ängste kleiner werden. Die Reflektion über Einstellungsmuster wird flankierend angestoßen. Marci-Boehncke und Rath schreiben in einer Studie zu Medienkompetenz: »Projekte mit Interventionscharakter zeigen auf, dass sich der mediale Habitus durch regelmäßige Reflexionen und Konfrontation mit der eigenen Einstellung anpassen lässt«. So könnte die digitalisierte mittelbare Arbeit ein Türöffner für weitere Schritte der Digitalisierung im Bereich Kita und Ganztagsschule sowie anderer kindheitspädagogischer Arbeitsfelder sein. In der regelmäßig stattfindenden DigiKiPäd-AG wurde eine große Unsicherheit deutlich, welche Angebote es bezogen auf digitale Formate für die mittelbare pädagogische Arbeit gibt und wie sich diese unterscheiden. Ohne diese Kenntnisse ließe sich auch nicht über Digitalisierung diskutieren, so die AG-Mitglieder.
Apps in der Kita – Entdecken und diskutieren
Aus diesem Grund hat das Teilprojekt DigiKiPäd im Januar 2023 an der EHB eine Tagung zum Thema »Kita-Apps« organisiert. Gemeinsam mit pädagogischen Fachkräften, Eltern, Trägervertreter*innen, Studierenden und Lehrenden der Kindheitspädagogik konnte sich dem Thema Apps angenähert werden. Den Auftakt machte Helen Knauf von der FH Bielefeld mit dem digitalen Vortrag »Digitalisierung in der Kita: Wie Apps die pädagogische Arbeit verändern (können)«. Der Vortrag führte zu ersten Diskussionen über den Einsatz von digitalen Tools in Kitas und stimmte alle Teilnehmer*innen auf den zweiten Tagungsteil ein. Dieser begann mit einem Marktplatz der digitalen Möglichkeiten. Namenhafte Firmen aus der Branche stellten ihre Apps vor. Die Teilnehmer*innen lernten unterschiedliche Programme kennen und konnten diese testen. Anschließend fanden zwei Workshops zu den Themen »Beobachtung und Dokumentation« und »Zusammenarbeit mit Eltern« statt. Hier konnten sich die Teilnehmer*innen mit den Erfahrungen und Erkenntnissen vom Vormittag kritisch auseinanderzusetzen und gemeinsam darüber diskutieren, worin ein Mehrwert von digitalen Tools in der kindheitspädagogischen Arbeit liegen kann. Dabei stand die Identifikation von Qualitätskriterien für die Auswahl einer App im Fokus. Die von den Teilnehmer*innen zusammengetragenen Kriterien, welche bei einer Kita-App relevant sind, lassen sich in drei Kategorien unterteilen: Pädagogischer Bezug, Technische Voraussetzungen und Individualität. Aus pädagogischer Perspektive war es den Teilnehmer*innen wichtig, dass sich die digitalen Formate ihrem Arbeitsalltag und den -aufgaben anpassen und diesen entlasten, statt zu erschweren. Bei den technischen Voraussetzungen stand im Fokus, dass es einen umfassenden Support geben muss sowie niedrigschwellige Unterstützungsangebote. Die Frage nach der Kompatibilität mit institutionellen landeseigenen Softwarelösungen stand ebenfalls im Raum, sowie die Problematik mangelnder Ausstattung und vielfältige Endgerät-Optionen für die Eltern.
Das Thema Individualität zeigt die meisten Facetten: Die Fachkräfte machten sich um eine möglichst hohe Barrierearmut und um Optionen für Mehrsprachigkeit bei den verschiedenen Softwarelösungen Gedanken und waren stets kindorientiert. Die Apps sollten die individuellen Beobachtungen und Besonderheiten von Kindern und Familien berücksichtigen können. Es zeigte sich, dass die Teilnehmer*innen nicht nur eine große Neugier gegenüber digitalen Formaten für die mittelbare Arbeit hatten, sondern ihre pädagogische Grundhaltung mit der Anwendung der Apps erhalten bleiben muss. Eine digitale ununterbrochene Beobachtung zugänglich für Eltern, welche sich stündlich digital über die Aktivitäten ihres Kindes in einer Kindertageseinrichtung informieren könnten, lehnten die pädagogische Fachkräfte mehrheitlich ab.
Digitalisierung nachhaltig etablieren
Keine der Softwarelösungen, die auf der Tagung präsentiert wurden, konnte in allen Funktionen überzeugen. Gleichwohl war die Bereitschaft der Firmen in den Austausch zu gehen und Bedürfnisse wahrzunehmen und umzusetzen, äußerst hoch. Die kritische Auseinandersetzung aller Beteiligten mit dem Thema der digitalen pädagogischen Praxis gelang im Rahmen der Tagung intensiv. Weiteren Entwicklungsbedarf für die Praxis sahen die Fachkräfte allerdings noch an den Schnittstellen von Kitas zu landeseigenen Kita-Verwaltungsapps sowie bei Digitalisierungsprozessen auf der Verwaltungsebene.
Im Zuge der aktuellen Reakkreditierung des Studiengangs wurde beschlossen, das Thema Digitalisierung an der EHB weiter zu fördern und zu festigen. Neben der bereits vorhandenen Bildung für nachhaltige Entwicklung wurden zusätzlich Lerninhalte zu Kita-Apps und der Entwicklung digitaler Kompetenzen in das Curriculum des Studiengangs integriert. Um den Studierenden eine praxisnahe Erfahrung zu ermöglichen, ist geplant, Anbieter von Kita-Apps zu den Lehrveranstaltungen im Bereich Kindheitspädagogik einzuladen. Dadurch erhalten die Studierenden die Möglichkeit, die Apps auszuprobieren, Fragen zu stellen und Diskussionen zu führen.