Gewerkschaft
Da geht noch was
In einer repräsentativen Umfrage wurden die Mitglieder der GEW BERLIN zu ihrer Haltung gegenüber ihrer Gewerkschaft und den Möglichkeiten des Engagements befragt. Eine spannende Erkenntnis: Die GEW BERLIN macht es ihren Mitgliedern nicht leicht genug, aktiv zu werden.
Die »Mitmachgewerkschaft« GEW lebt von ehrenamtlichem Engagement. Was hindert unsere Mitglieder daran, sich zu engagieren und wie können wir diese Hindernisse aus dem Weg räumen? Diese und andere Fragen stellte sich die vom Landesvorstand im Herbst 2020 einberufene ehrenamtliche AG »Teilhabe in der GEW BERLIN ermöglichen«, an der Mitglieder aus allen Organisationsbereichen der GEW BERLIN teilnahmen. Gemeinsam mit dem Vorstandsbereich Öffentlichkeitsarbeit entwickelte die AG eine Mitgliederbefragung, um Antworten zu bekommen. Zwischen November 2021 und Januar 2022 beteiligten sich 2.806 Personen an der repräsentativen Umfrage.
Inhalte der Befragung waren die bisherigen Erfahrungen mit der GEW BERLIN, inklusive möglicher Diskriminierungserfahrungen, die Art des individuellen Engagements, Möglichkeiten und Grenzen des Engagements sowie die Erfahrungen mit dem Seminarangebot der GEW BERLIN. Negative Erfahrungen mit der GEW BERLIN nannte erfreulicherweise nur ein sehr geringer Anteil der Befragten. Handlungs- beziehungsweise Verbesserungsbedarf sehen die Befragten vor allem darin, dass sie nicht wissen, wie sie selbst in der GEW aktiv werden können. Auch die Arbeit in den Gremien wird durchaus kritisiert: nicht immer werde die Sitzungszeit gut genutzt, um die wirklich relevanten Themen zielgerichtet zu besprechen.
Arbeitstreffen liegen ungünstig
Viele Mitglieder berichten von positiven Erfahrungen mit der Gewerkschaft. Besonders hervorgehoben wird, dass die GEW BERLIN relevante Themen aufgreift, eine ausgeprägte Willkommenskultur hat und einen diskriminierungsfreien Raum bietet. Deutlicher Handlungsbedarf zeigt sich bei der Aussage, dass Arbeitstreffen so liegen, dass die jeweilige Person gut teilnehmen kann – hier überwiegt die Ablehnung.
Nur wenige Gewerkschaftsmitglieder berichten von Diskriminierungserfahrungen: Je nach Frage sind es zwischen null und drei Prozent. Am ehesten wird von Diskriminierungen aufgrund der Schicht beziehungsweise des Einkommens, aufgrund des Alters oder von Sexismus berichtet. Zum Alter lässt sich sagen: sowohl jüngere Mitglieder fühlen sich von älteren diskriminiert als auch genau umgekehrt. Mehr als die Hälfte der Befragten geben an, dass sie mit den angegebenen Diskriminierungsformen in der GEW BERLIN bisher keine Erfahrungen gemacht haben. Bei den offenen Antwortmöglichkeiten auf die Diskriminierungsfrage wurden unter anderem der fehlende Fahrstuhl im GEW-Haus und eine Neigung zu akademischer Sprache genannt. Einige Mitglieder fühlen sich diskriminiert, weil Lehrkräfte und Lehrkräftethemen die GEW dominierten.
Insgesamt engagieren sich etwa zwei Drittel der Befragten in der GEW BERLIN – wobei Engagement in diesem Zusammenhang sehr breit definiert wurde. Mehr als die Hälfte der Befragten nimmt an Demonstrationen, Streiks oder anderen Aktionen teil. Knapp ein Fünftel engagiert sich durch die Teilnahme an Diskussionsveranstaltungen, Fachtagungen oder Seminaren. Sehr viel weniger Befragte sind Mitglied einer Beschäftigtenvertretung, eines Gremiums oder Vertrauensperson im eigenen Betrieb.
Viele sind an mehr Engagement interessiert
Besonders spannend: Die Hälfte der Befragten hat grundsätzlich Interesse an mehr Engagement in der GEW BERLIN. In anderen Worten: mindestens 1.400 Kolleg*innen können für mehr Engagement gewonnen werden! Gehen wir von der Repräsentativität der Befragung aus, sind es noch weit mehr.
Die Kolleg*innen, die sich nicht engagieren wollen, wurden nach ihren Gründen gefragt. Drei Viertel derjenigen, die sich nicht mehr engagieren wollen, nennen vor allem zeitliche Gründe: Sie haben zu wenig Zeit wegen familiärer Anforderungen, weil die Veranstaltungen der GEW BERLIN nicht kompatibel mit den eigenen Arbeitszeiten sind oder aus anderen Gründen. Mehr als ein Viertel gibt an, mit ihrem jetzigen Engagement zufrieden zu sein und sich deshalb nicht für noch mehr Engagement zu interessieren. 15 Prozent spricht Gremienarbeit grundsätzlich nicht an. Nur fünf Prozent derjenigen, die sich nicht engagieren wollen, tun dies aus negativen Erfahrungen mit der GEW.
Mehr Infos über Möglichkeiten der Beteiligung
Mögliche Anreize zu mehr Engagement sehen ungefähr die Hälfte aller Befragten darin, mehr Informationen über Möglichkeiten der Beteiligung zu erhalten oder dass mehr Veranstaltungen oder Aktionen im eigenen Betrieb stattfinden. Wenn nur diejenigen betrachtet werden, die sich mehr engagieren wollen, erhöht sich der Wunsch nach mehr Informationen über Möglichkeiten der Beteiligung auf 75 Prozent und der Wunsch nach mehr Aktionen im Betrieb auf 62 Prozent. Eine direkte Ansprache vor Ort oder mehr informelle Angebote werden von etwa zwei Fünftel aller Befragten als Anreize zu mehr Engagement gesehen.
Etwas mehr als die Hälfte der Befragten kennt das Seminarangebot der GEW BERLIN, wobei 44 Prozent der Befragten das Seminarangebot als relevant einstufen. Die Zustimmung zum Seminarprogramm ist unter denjenigen, die es kennen, allerdings deutlich höher. Etwa die Hälfte der Befragten wünscht sich mehr digitale Seminarangebote – auch nach der Pandemie. Das Angebot ist überdurchschnittlich bei langjährigen Mitgliedern bekannt.
Die Bereitschaft zur Weiterempfehlung der GEW-Mitgliedschaft ist ein Indikator für die Verbundenheit mit der GEW BERLIN. Die Befragten gaben mit Werten zwischen 10 (höchst wahrscheinlich) und null (absolut unwahrscheinlich) an, wie wahrscheinlich es ist, dass sie die GEW weiterempfehlen. 39,6 Prozent gaben mit Werten von neun oder zehn an und gelten als »Promotor*innen.« 26,4 Prozent gaben Werte zwischen eins und sechs an und gelten als »Kritiker*innen«.
Es gibt Verbesserungspotenzial
Die Studie zeigt Ansatzpunkte für Verbesserungen und die große Ressource, dass 50 Prozent der Befragten sich noch mehr Engagement vorstellen könnten. Möglichkeiten des Engagements müssen geschaffen, besser bekannt gemacht werden und zeitlich ermöglicht werden. Leider ist das bestehende Angebot der Website »Aktiv werden!« auch weitgehend unbekannt. Hierüber können an Engagement Interessierte ihre Interessen angeben und bekommen danach ein passgenaues Angebot an GEW-Gruppen, sowie eine Ansprechperson im GEW-Haus bei weiteren Fragen. Aus der Befragung ging außerdem der Wunsch nach Möglichkeiten des Aktivwerdens vor Ort in den Betrieben hervor. Hierzu bietet die GEW zwar Schulungen an, aber diese sind auf Schule ausgerichtet und eventuell noch zu wenig bekannt.
Darüber hinaus ist die terminliche Lage von Arbeitstreffen ein Kritikpunkt, der deutlich angesprochen wurde. Andere Landesverbände tagen häufiger am Wochenende als die GEW BERLIN, die eine deutliche Vorliebe für Treffen abends unter der Woche hat. Eventuell seien hier auch kürzere Sitzungen, Sitzungen deutlich nach dem Ende des Arbeitstages für Nichtlehrkräfte (also nicht vor 18.30 Uhr) und mehr Werbung für die Übernahme der Kinderbetreuungskosten eine Lösung. Digitale Konferenzen haben sich auch als familienfreundlicher erwiesen. Leider ist das Angebot der GEW BERLIN, Kinderbetreuungskosten zu übernehmen bei Zweidrittel der Befragten mit Kinderbetreuungsaufgaben unbekannt. Es empfiehlt sich also, bei Einladungen immer auf dieses Angebot hinzuweisen. Auch dass nur knapp über die Hälfte der Befragten das Seminarangebot kennen, zeigt "einfaches" Verbesserungspotenzial.
Die GEW BERLIN ist grundsätzlich offen für konstruktive Verbesserungsvorschläge, damit die Kultur des Ehrenamts weiter und breiter gelebt werden kann. In einer Zukunftswerkstatt haben wir uns mit Maßnahmen befasst, wie die GEW BERLIN zur echten Mitmachgewerkschaft werden kann. Hierüber werden wir in der nächsten bbz informieren.
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