Kinder-, Jugendhilfe und Sozialarbeit
Das neue Kinder- und Jugendstärkungsgesetz
Die Bedeutung der Kinder- und Jugendhilfe wächst und dementsprechend nehmen ihre Aufgaben zu. Eine Gesamtstrategie zur Weiterentwicklung der gesetzlichen Grundlagen sowie zur Personalentwicklung ist längst überfällig.
Eine besondere Bedeutung für die Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe kommt der Novellierung des Achten Sozialgesetzbuches (SGB VIII) zu. Die Kinder- und Jugendhilfe hat den Auftrag, alle jungen Menschen zu stärken. Im SGB VIII ist dieses umfassende Verständnis von Kinder- und Jugendhilfe formuliert. Ziel des Gesetzes zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen (KJSG) ist es, Kinder und Jugendliche in den Bereichen Beteiligung, Kinderschutz, Aufenthalt in Pflegefamilien oder Einrichtungen der Erziehungshilfe sowie durch eine bedarfsgerechte Ausgestaltung der Leistungen und Angebote der inklusiven Kinder- und Jugendhilfe zu unterstützen.
Mehr Hilfe für benachteiligte junge Menschen
Die in die Gesetzesnovelle aufgenommenen Vorschläge für eine schrittweise Weiterentwicklung hin zu einer inklusiven Kinder- und Jugendhilfe, die Bemühungen um mehr Beteiligungschancen, einen verbesserten Kinder- und Jugendschutz und die Stärkung von Kindern und Jugendlichen, die in Pflegefamilien oder in Einrichtungen der Erziehungshilfe aufwachsen, sind wichtige Schritte. Wesentlich ist auch die Aufnahme einer verlässlichen systematischen Überprüfung der Regelungen.
Das neue Kinder- und Jugendstärkungsgesetz steht für Verbesserungen vor allem für diejenigen jungen Menschen, die benachteiligt sind, die unter belastenden Lebensbedingungen aufwachsen oder die Gefahr laufen, von der sozialen Teilhabe ausgeschlossen zu werden.
Das vom Bundestag verabschiedete Gesetz sieht Änderungen in fünf Bereichen vor: Ziel ist ein besserer Kinder- und Jugendschutz, die Stärkung von Kindern und Jugendlichen, die in Pflegefamilien oder in Einrichtungen der Erziehungshilfe aufwachsen. Anvisiert sind auch Hilfen aus einer Hand für Kinder und Jugendliche mit und ohne Behinderungen, mehr Prävention vor Ort und mehr Beteiligung von jungen Menschen, Eltern und Familien.
Kinder und Jugendliche und ihre Familien sollen mehr Gehör erhalten und darin unterstützt werden, ihre Rechte wahrzunehmen. Hierzu sieht das Gesetz beispielsweise die Verankerung von Ombudsstellen als externe und unabhängige Anlaufstellen für Kinder, Jugendliche und ihre Eltern vor. Beschwerdemöglichkeiten für Kinder und Jugendliche in Einrichtungen und in Pflegefamilien werden erweitert.
Volle Finanzierung der Veränderungen
Das Gesetz stärkt organisierte Formen der Selbstvertretung. Kinder und Jugendliche erhalten außerdem einen uneingeschränkten eigenen Beratungsanspruch – ohne ihre Eltern.
So zumindest die Theorie. Jedoch ist die entscheidende Frage noch unbeantwortet: Werden die neuen Änderungen auch vollumfänglich ausfinanziert?
Weite Teile des Gesetzes scheinen sich eher an der Wirtschaftlichkeit und nicht am Wohl von jungen Menschen und Familien zu orientieren. Dies wird zum Beispiel durch die Möglichkeit, Eingliederungsmaßnahmen als Gruppenangebote und am Ort Schule durchzuführen, deutlich. Dadurch kann das Wunsch- und Wahlrecht von Betroffenen eingeschränkt werden, obwohl es eigentlich gestärkt werden sollte. Auch der erschwerte, vor allem defizitorientierte Zugang zu Hilfen für junge Volljährige deutet darauf hin. Kinder und Jugendliche brauchen insbesondere in Krisensituationen Vertrauenspersonen und individuelle Hilfsangebote. Diese persönliche Begleitung erfordert eine Sozialarbeit, die gegebenenfalls über längere Zeiträume umfassend ausfinanziert ist und ständige Neuanträge entbehrlich macht.
Ebenso stehen Befürchtungen im Raum, dass beispielsweise durch die umfangreiche Einbeziehung des Sozialraumes eine Deprofessionalisierung von Angeboten bewirkt wird. Hier muss eine Qualitätskontrolle wirksam implementiert werden.
Das Gesetz mit seinen Änderungen muss sich in der Praxis beweisen. Die notwendige Ausfinanzierung von Maßnahmen in den Bereichen der Kinder- und Jugendhilfe ist der Gradmesser, ob das Gesetz seinem Namen Kinder- und Jugendstärkungsgesetz gerecht wird oder ob es eine leere Worthülse der Großen Koalition und der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Franziska Giffey, ist.