Hochschule
»Die Arbeit wurde auf den Kopf gestellt«
Die Hochschulen unterliegen seit Beginn der Corona-Pandemie strengen Infektionsschutzmaßnahmen. Jurik Stiller, Mitglied des Gesamtpersonalrats der Humboldt Universität zu Berlin, erzählt im Interview, was das für die Personalräte an den Universitäten bedeutet.
bbz: Wie hat sich die Arbeit der Personalräte durch die Corona-Pandemie verändert?
Stiller: Die Arbeit wurde auf den Kopf gestellt. Es gelten ja für wirksame Beschlüsse im Sinne des Personalvertretungsrechts bestimmte Maßgaben. Zum Beispiel muss der (analoge) Eingang von (papiergebundenen) Anträgen dokumentiert werden, weil damit der Ablauf bestimmter Fristen zusammenhängt. Aber auch das Durchführen von digitalen Sitzungen war bis dahin nicht geregelt, sodass viel Unklarheit entstanden ist.
Ganz unabhängig davon mussten wir natürlich mit dieser völlig unerwarteten Pandemie, dem plötzlichen Notbetrieb, den schrittweisen Lockerungen und Verschärfungen sowie der anfangs ungeeigneten technischen Ausstattung zurechtkommen. Alles das hat uns auch in der Beratung der Hochschulbeschäftigten sehr herausgefordert.
Eine weitere zentrale Aufgabe der Personalvertretung ist die Begleitung von Auswahlverfahren für Stellen im Mittelbau und bei den Mitarbeiter*innen für Technik, Service und Verwaltung. Auch dies verläuft mit den nun vorhandenen und breit genutzten technischen Möglichkeiten ganz anders – und die Vertretung der Interessen der Bewerber*innen wurde nicht leichter. Ebenso haben wir die Personalratswahlen Ende 2020 unter sehr besonderen Umständen absolvieren müssen.
Wie wurden Personalvertretungen in die Entwicklung der Hygiene-Maßnahmen und die Entscheidungen über Präsenz- und Digitalunterricht mit einbezogen?
Stiller: Ich kann da nur für die HU sprechen. Hier wurden AGs und Unter-AGs unter Einbezug des Personalrats gegründet. Die Konzepte wurden in der Regel auch mit uns abgestimmt. Im Zweifelsfall mussten wir die Mitsprache erst einfordern, was aber auch unter normalen Bedingungen nicht ungewöhnlich ist. Die Lehre, also etwa die Frage von Präsenz- oder Digitalunterricht, ist dagegen nur am Rande eine Angelegenheit für die Personalvertretung. Am ehesten liegt noch der Gesundheitsschutz und vielleicht auch die Arbeitsplatzergonomie im Home-Office in unserem Aufgabenbereich. Aber das haben wir nicht mit den Entscheidungen für Präsenz- und Digitalunterricht verknüpft. Ohnehin wurden diese Entscheidungen von Universitätsleitungen und der Senatskanzlei – Wissenschaft und Forschung koordiniert getroffen.
Wie hat sich eure persönliche Situation während des Lockdowns auf eure Arbeit als Personalräte ausgewirkt?
Stiller: Auch wir als Personalvertreter-*innen mussten vielfach im Home-Office arbeiten, hatten ebenfalls Kinder im Home-Schooling, haben uns um Angehörige Sorgen gemacht und unter social distancing beziehungsweise distant socialising gelitten. Diese mannigfaltigen Herausforderungen durch die Pandemie waren sicherlich ein Grund dafür, dass unsere Beratung etwas anders funktionierte. Insofern stellte und stellt die Pandemie eine erhebliche Herausforderung auch für die Arbeit als Personalvertretung dar.
Welche Veränderungen in der Personalvertretung sollten sich durch Corona auch langfristig ergeben?
Stiller: Auch hier ist zuvorderst die realisierte Anpassung unserer Arbeitsweisen zu nennen. Zwar noch ohne elektronische Akte, aber wir kommen nun auf einmal mit sehr viel weniger Papier aus und können trotzdem rechtssicher arbeiten. Unsere Sitzungen können im Einzelfall oder für Einzelne elektronisch absolviert werden. Wenn man so will, sind das positive Nebeneffekte der Pandemiemaßnahmen. Auch erleben wir eine Sensibilisierung für Datenschutzthemen und die Dienststellen machen sich da durchaus auf den Weg, um adäquate technische Lösungen für Kollaboration in der Kultur der Digitalität zu erarbeiten. Für eine Beratung muss zukünftig insofern niemand mehr zwingend zu uns in die Büros kommen. Das spart Fahrzeit und den Personalvertretungen verschafft es zugleich mehr »Präsenz«, auch in Teilen der Dienststelle, die wir mit einer regelmäßigen Sprechstunde vor Ort nicht mehr regelmäßig aufsuchen konnten.