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Recht & Tarif

Die Sache mit der Verbeamtung

Kritik am Beamtenrecht muss von den Tatsachen ausgehen.

Foto: GEW

Welchen Status Lehrkräfte durch ihren Arbeitgeber – nicht durch ihre Gewerkschaft, wie einige glauben machen möchten – erhalten, ist Diskussionsstoff, seit politische Parteien Mitte der 1970er Jahre den öffentlichen Dienst als unerschöpfliche Quelle von Sparmaßnahmen ausgemacht haben. Nie ging es in den Debatten darum, welcher Status für die Pädagogik oder gar für die Schüler*innen der bessere sei. Es ging immer nur um Geld, auch wenn es durchaus Journalist*innen gab, die gerne erklärten, tarifbeschäftigte Lehrkräfte könne man einfach so mal schnell rausschmeißen, wenn sie einem leistungs- oder meinungsmäßig nicht mehr passten und nur der Beamtenstatus sei dafür verantwortlich, wenn Eltern Grund hätten, sich zu beschweren.

Die öffentliche Schule wurde nur in zwei Ländern diesbezüglich zum ungeschützten Experimentierfeld: in Schleswig-Holstein und Berlin. Während Heide Simonis, Ministerpräsidentin in Schleswig-Holstein, den Feldversuch nach wenigen Jahren wegen des sich deutlich abzeichnenden Standortnachteils aufgab, entwickelte sich in Berlin über 40 Jahre eine unheilvolle Wechselstrategie zwischen Nichtverbeamtung und Wiederverbeamtung. SPD, Linke und Grüne glaubten vermutlich ernsthaft, dass Berlin als leuchtendes Beispiel alle anderen Länder auf den Weg zur richtigen Erkenntnis bringen würde. Bayern? Baden-Württemberg? Nordrhein-Westfalen? Niedersachsen? – alles Verblendete in den Augen des 2004 Regierenden Bürgermeisters Wowereit.

 

Statuswechsel in Berlin

 

Insgesamt viermal wechselte Berlin die Richtung, um nun 2023 nach 19 Jahren wieder zu dem Status für Lehrkräfte zurückzukehren, der in allen anderen Bundesländern galt und gilt. Spätestens seit 1996 wussten wir: dieser Weg kommt den öffentlichen Haushalt am teuersten zu stehen. Um die langfristigen Finanzfolgen für das Land Berlin abzumildern, wurde aktuell bei der Wiedereinführung der Verbeamtung die durch das Beamtenversorgungsrecht garantierte Anrechnung gleicher Tätigkeit auf die Beamtenversorgung kurzerhand auf fünf Jahre verkürzt. Dies gibt es zwar in zwei, drei anderen Bundesländern seit wenigen Jahren auch, dort wurde aber immer verbeamtet, so dass es keine negativen Folgen für die Altersversorgung geben konnte wie nun in Berlin.

Seit dem Stopp der Verbeamtungen durch Wowereit und Sarrazin 2004 wurden in Berlin mehr als 20.000 Lehrkräfte nicht verbeamtet. Viele verließen deshalb Berlin, über die Zahlen wird weiterhin gestritten. Fakt ist, dass derzeit etwa 17.000 Lehrkräfte »verbeamtungsfähig« sind, bisher aber nur knappe 10.000 einen Antrag gestellt haben.

 

Lehrkräfte blieben an Beamtenrecht gebunden

 

Wenn man sich mit der Statusfrage von Lehrkräften beschäftigt, ist man gut beraten, zwischen der real-bürokratischen Erscheinungsform und der idealtypischen zu unterscheiden. Als Arbeitgeber und Gewerkschaften sich aufmachten, den Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) durch ein modernes Tarifrecht abzulösen, haben sie Eckpunkte vereinbart. Ein ganz wesentlicher war, dass künftig die tarifautomatische Geltung beamtenrechtlicher Regelungen entfallen sollte. Das ging gründlich schief, besonders für Lehrkräfte sind die meisten Bindungen an das Beamtenrecht geblieben. Das soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass es gravierende Unterschiede zwischen den beiden Statusgruppen gibt, die insbesondere das Lebenseinkommen, die Alters- und die Gesundheitsvorsorge betreffen.

Kenntnisse über das Beamten- und Versorgungsrecht sind in den Jahren seit 2004 in Personalräten und GEW-Kreisen immer mehr in den Hintergrund getreten. Aber nicht nur das, in der bbz tauchten hin und wieder falsche Aussagen über Beamt*innen, ihren Status und ihre Rechte auf, wie zuletzt in dem Artikel von Lore Nareyek »Unruhestifter*innen und die veränderte Gesetzeslage« (bbz 9/10 2023). Eine Gewerkschaft hat die Aufgabe, die Interessen ihrer Mitglieder bestmöglich unabhängig von ihrem Beschäftigungsstatus zu vertreten. Um gleich Missverständnissen vorzubeugen: Kritik am Beamtenrecht ist nicht nur zulässig, sondern bitter nötig. Dazu bedarf es aber nicht der Verbreitung von falschen Behauptungen.

 

Fundamentalkritik führt in die Irre

 

Lore Nareyek leitet ihren Artikel mit einer Fundamentalkritik am Beamtenrecht ein, in dem sie als traditionelle Wurzel desselben das Nazigesetz »zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums« heranzieht, das im 3. Reich vor allem zur Säuberung des öffentlichen Dienstes von Angehörigen jüdischen Glaubens genutzt wurde. Schon der Begriff »Wiederherstellung« weist darauf hin, dass es davor schon irgendwas gegeben haben muss. Und in der Tat: das Beamtenrecht hat seine Wurzeln in allen Hochkulturen wie Ägypten, China, Sumer, Griechenland, Römisches Reich, Inkareich und vielen mehr. Wer kennt nicht den ranghöchsten ägyptischen Beamten unter Pharao Djoser – Imhotep –, der die Stufenpyramide von Sakkara erbaute? Bekannt wurde er allerdings vermutlich eher in seiner Titelrolle in »Die Mumie« von 1999.

Keine dieser Kulturen ist ohne einen funktionierenden Beamtenapparat ausgekommen, im Gegenteil, Forschung und Wissenschaft weisen darauf hin, dass die Entwicklung zu Hochkulturen sich unter anderem daraus erklärt. Dabei wurden die Angehörigen dieses »öffentlichen Dienstes« in der Regel auf König oder Pharao, im späteren Griechenland und im Römischen Reich aber bereits auf den demokratischen Staat und das Volk vereidigt.

Die Auswahl geeigneter Amtsträger im kaiserlichen China erfolgte bereits im 7. Jahrhundert auf der Grundlage von Examina, bei denen Kenntnisse aus Philosophie und Religion gefragt waren. Je höher das zu vergebende politische Amt war, desto mehr stiegen auch die Anforderungen an die Kandidaten – ein System, dass unserem heutigen Laufbahnprinzip weitgehend entspricht.

 

Demokratische Wurzeln des Beamtenrechts

 

Vom Mittelalter bis zur frühen Neuzeit lässt sich die Entwicklung des Beamtenrechts wie wir es heute kennen nachweisen. Als Vater des modernen Beamtentums in Preußen gilt Friedrich Wilhelm I., der die Ausbildung mit Staatsexamina für Berufsbeamte einführte. Friedrich der Große nennt schließlich das Wohl des Staates und die Einhaltung der Gesetze als Grundlage des Beamtenrechts. Das Allgemeine Landrecht für die preußischen Staaten von 1794 bezeichnet die »Beamten« als »Diener des Staates.« Als traditionelle Wurzeln des Berufsbeamtentums wird auch in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes auf demokratische Verfassungen vor dem Dritten Reich, nie auf das Nazi-Gesetz »zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums« Bezug genommen. Gleichwohl hatten die Beamtenapparate zu allen Zeiten konservative, staatstragende Funktionen, die es den Nazis leicht machten, Beamt­*innen zu willfährigen Instrumenten eines menschenverachtenden Systems zu missbrauchen.

Ich halte es für falsch, das heutige Beamtenrecht auf eine faschistische Ideologie zu reduzieren und die demokratischen Wurzeln unter den Tisch fallen zu lassen. Es ist nicht gleichzusetzen, wenn Beamt*innen auf »den Führer« oder auf die freiheitlich-demokratische Grundordnung vereidigt werden. Auch die Satzung der GEW bezieht sich in Paragraf 6 auf die Grundrechte des Grundgesetzes. Konsequent streitet die GEW deshalb auch für die volle Geltung des Artikels 9 für Beamt*innen und will das Streikrecht auch für diese aktuell vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte durchsetzen.

Kontakt
Markus Hanisch
Geschäftsführer und Pressesprecher
Privat:  030 / 219993-46