Schule
Ein Handy macht noch keine Medienkompetenz
Das Zusammenwirken von traditionellem Präsenzlernen und E-Learning, also Blended Learning, muss auch über den Corona-Lockdown hinaus ausgebaut werden.
Meine Berufsschule hat gerade vor dem Lockdown einen neuen Server, samt E-Mail-Adressen für Lehrer*innen und Schüler*innen, sowie Chat- und Datenaustauschfunktionen eingerichtet. Dadurch wurde die notwendige Infrastruktur für die digitale Kommunikation geschaffen. Trotzdem scheitern zahlreiche Schüler*innen am Lernen in der Corona-Zeit.
Die meisten Schüler*innen haben ein Handy, aber nur wenige besitzen ein Tablet, einen Laptop oder einen Drucker. Viele der Schulaufgaben müssen aber ausgedruckt, ausgefüllt und als Foto oder PDF-Datei eingereicht werden. Auch Aufgaben, die mithilfe von Lern-Apps gestellt werden, können manchmal aufgrund von inkompatiblen Geräten oder fehlendem Guthaben auf dem Handy nicht genutzt werden.
Die Hürde der technischen Ausstattung ließe sich aber schnell lösen, indem die Schulen den betroffenen Jugendlichen Endgeräte zur Verfügung stellen oder für sie ausgedruckte Lernpakete vorbereiten würden. Das Hauptproblem liegt nicht bei dem Zugang zum technischen Equipment, sondern bei der Lern-, Kommunikations- und Medienkompetenz zahlreicher Schüler*innen.
Selbstorganisiertes Lernen können nur wenige
In Zeiten des Lockdowns wird aber selbst-organisiertes Lernen gefordert. Die Schüler*innen müssen selbständig Arbeitsblätter sortieren, Zeitrahmen zum Lernen festlegen, sich mit Materialien bekannt machen, Aufgaben lösen und diese als Anhang zur Mail verschicken.
Schon dieser scheinbar einfache Vorgang setzt sich aus zahlreichen Teilkompetenzen zusammen und setzt voraus, dass die Schüler*innen ihren Lernprozess koordinieren können. Nun sind aber viele nicht in der Lage, sich mit den Aufgaben allein und aus eigenem Antrieb, zu beschäftigen. Schon während des regulären Unterrichts brauchen sie besondere Aufmunterung und Feedback. Wenn das nicht gegeben ist, scheitern sie bereits bei dem Sortieren der Arbeitsblätter und geben auf.
Handys in der Schule sind ein ewiges Thema. Digitale Kommunikationskanäle müssten den Schüler*innen also gut bekannt sein.
Auf meine regelmäßigen Mails erhalte ich aber nur selten eine Rückmeldung. Die Mails, die mich erreichen, überraschen mich oft in der Form und im Ton. Es herrschen die Prinzipien der Chat-Kommunikation: nur so viele Worte wie nötig und der Verzicht auf die Rechtschreibregeln. Nun erfordert der digitale Kommunikationsvorgang auch vielfältige Teilkompetenzen, wie das Verfassen einer Antwort zum angemessenen Zeitpunkt, die richtige Ansprache, Höflichkeitsfloskeln oder die Groß- und Kleinschreibung.
Die Tatsache, dass Jugendliche sich schnell bei der Handynutzung zurechtfinden, ist noch kein ausreichendes Zeichen dafür, dass sie über umfangreiche Medienkompetenz verfügen. Mit Medienkompetenz meine ich hier die reine Nutzung von Online-Materialien.
Beim Üben mit Online-Apps scheiterte ein Teil meiner Schüler*innen bereits dabei, sich mit einem erkennbaren Namen auf dem Lernportal anzumelden. Die Nutzung von Lern-Apps passiert nicht instinktiv. Ob Lückentext, Multiple-Choice, freie Textangabe oder ein Anmeldevorgang – all das muss erstmal gelernt werden, damit die Schüler*innen nicht bereits beim Eintritt in den digitalen Lernraum scheitern.
Die Aufgaben liegen klar vor uns
Blended Learning wird in der Zukunft den Unterricht und die Lernprozesse sicherlich bereichern. Der Corona-Lockdown hat uns die Defizite offenbart, die wir beseitigen müssen, wenn wir ernsthaft digitale Lernangebote in die schulische Bildung integrieren wollen.
Die Schüler*innen müssen auf das neue Lernen mit entsprechenden Kompetenzen ausgestattet werden. Zum einen muss das selbstgesteuerte Lernen stärker gefördert und konsequenter angeleitet werden, damit die Schüler*innen in der Lage sind, digitale, asynchrone Lernangebote in Anspruch zu nehmen. Zugleich muss die Nutzung von Apps, Lernportalen und gängigen Computerprogrammen erlernt und geübt werden. Auch die Kommunikationsregeln für die digitalen Kanäle müssen vereinbart und eingeführt werden, so dass alle Beteiligten in passender Form mitmachen können. Jetzt müssen sinnvolle und umsetzbare Konzepte her.