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Schwerpunkt „Vom Papier zum Pixel – Digitalisierung in Kita und Sozialer Arbeit“

Eine Zukunft für die Kitas

Welchen Einfluss wird der Einzug der Digitalisierung in die Kitas haben? Eine einheitliche Position ist schwer auszumachen, es zeichnen sich verschiedene Möglichkeiten ab.

Foto: Adobe Stock

Die Forderung, Bildungsinstitutionen zu digitalisieren, ruft nach wie vor meist gegensätzliche Reaktionen hervor. Erhoffen sich die einen eine positive Veränderung bis hin zu revolutionären Umgestaltungsprozessen, fürchten die anderen Medien-Sucht, überforderte Pädagog*innen, Verhinderung von Lernprozessen und Durchkapitalisierung. Im schulischen Kontext wird die Digitalisierungsdebatte schon seit längerem kontrovers geführt, neu ist aber, dass sich auch die Kitas diesem Thema stellen. In diesem Artikel wird den Ursachen, Gefahren und auch den realen Chancen von Digitalisierungsprozessen nachgegangen.

 

Sinnvolle Unterstützung

 

Derzeit stehen meistens Aspekte der Organisationsentwicklung und der Arbeitsorganisation im Vordergrund der Veränderungsprozesse. In Zeiten von Fachkräftemangel zählt jede Minute, die am und mit dem Kind statt an Formularen gearbeitet werden kann. Dienstplangestaltungen, Krankheits- und Vertretungsmeldungen, Fortbildungsplanungen oder Online-Tools zur Weiterbildung und Qualifizierung, beispielsweise von Quereinsteiger*innen, könnten digitalisiert eine Zeitersparnis bringen. Auch die Nutzung von Übersetzungs-Tools oder die Chancen der digitalen Gestaltung von Prozessen, die bisher mühsam mit Zetteln, Boards und einzelnen E-Mails erledigt und organisiert wurden, bergen große Hoffnungen auf Erleichterungen. Kita-Träger sehen hier auch ein Potenzial, einige Ursachen der Arbeitsüberlastung der Mitarbeiter*innen anzugehen und auf diese Weise qualifiziertes Personal zu halten.

In Bezug auf die Kinder erhofft man sich durch eine papierlose Beobachtung der jeweiligen Bildungsprozesse, Lernstände oder der Entwicklung des Sprachstandes, eine Ablösung der bisherigen zeitintensiven Verschriftlichung. Erste Versuche mit der Software-Lösung Beokiz wurden umgesetzt, und die Ergebnisse sind veröffentlicht. Weitere Hoffnungen liegen in einer Vereinfachung des Zugangs zu relevanten, auf das Kind bezogenen Informationen: Was können oder dürfen die Kinder essen, welche Medikamente brauchen sie, welche Personen sind abholberechtigt? Statt wie derzeit mit Papier, Zetteln, Anrufen oder einer Nachfrage über den Flurfunk, soll in Zukunft jede Fachkraft mit einem Blick auf das Tablet, einen schnellen Überblick erhalten. Schließlich kommen auch die Eltern mit Anforderungen auf die Kitas zu: Sie möchten gern per Handy-App eine Vertretung zum Abholen ermächtigen, Eindrücke zu bestimmten Ereignissen aus der Kita kommuniziert bekommen und partizipativ eigene Vorschläge zur Verbesserung der Abläufe anbieten.

Viele Kitas, die auf die Digitalisierungsbedarfe eingehen, nutzen bisher ein Sammelsurium an Software, wobei vieles, wie zum Beispiel WhatsApp, nicht datenschutzkonform ist. Seit einiger Zeit gibt es aber zunehmend mehr Kita-Software-Lösungen, die versprechen, durch verschiedene Module den skizzierten Gesamtbedarf datenschutzkonform zu bedienen.

 

Die Gefahren erkennen

 

Bei den didaktischen Möglichkeiten gibt es ein interessantes Auseinanderfallen der Prioritäten. Kommt diese Perspektive aus Sicht der Kita-Träger oft erst am Ende, steht sie bei Institutionen wie der Kultusministerkonferenz (KMK) oder den einschlägigen Stiftungen oft ganz oben auf der Liste. Hier gibt es Auffassungen, die mit Hilfe von digitalen Techniken in Kitas den Fachkräftemangel auf Ingenieursebene ausgleichen wollen. Diese Auffassung wird hier nicht geteilt, aber es gibt eine prinzipielle Herausforderung aller pädagogischen Institutionen, die Kinder von heute zu befähigen, sich mündig in der Welt von morgen zu bewegen. Und hier kommt keine*r mehr an dem Stichwort der Digitalisierung vorbei.

Vor dem Hintergrund der bisher geschilderten Anforderungen bestehen erhebliche Risiken für Kitas und Kitaträger. Zum einen gibt es einige Software-Anbieter, die mehr versprechen als sie einhalten. Auch werden die Mitarbeiter*innen nicht immer partizipativ eingebunden. Es geht ja schließlich auch um ihre Daten. Ein weiteres Risiko sind vorschnelle Fehlinvestitionen. Wenn Geräte, WLAN-Infrastrukturen und Apps gekauft werden, ohne dass vorher geklärt wurde, was überhaupt in welchem Umfang nötig und auch gewünscht ist, liegen die teuren Geräte später einfach irgendwo herum. Dann entstehen doppelte Kosten und auch doppelte Belastungen, weil neben der nur halbwegs funktionierenden digitalen Infrastruktur immer noch die alten Papierzettel geschrieben und womöglich abfotografiert, eingescannt und wieder abgetippt werden müssen.

 

Aber auch die Chancen nutzen

 

Mithilfe von digitalen Techniken kann das Erzählen von Geschichten, die Gestaltung von Räumen, die Kommunikation mit Kindern der anderen Gruppen oder den Eltern, der Kontakt zu Kindern, die noch nicht gut eine bestimmte Sprache sprechen, sehr vielfältig unterstützt werden. Tablets haben große Potenziale was das Lernen in heterogenen Gruppen, altersgemischt, sprachvielfältig und inklusionsorientiert angeht. Niemand spricht derzeit ernsthaft davon, Bildungsprozesse der frühen Kindheit durch »Digitalisierung« oder »Tablets« zu ersetzen. Ein Stichwort, das eher ausdrückt worum es geht, könnte »Medienwechselkompetenz« sein: Die Kinder lernen, sich je nach Situation, Anlass, Gegenüber und eigenen Fähigkeiten kommunikativ zu äußern. Partizipation wird dabei mal mit diesem »Medium«, mal mit einem anderen erreicht. Körper, Stimme, Gestik, emotionale Nähe, Bilder, kleine Filme, mit Schere und Kleber Gebasteltes können jeweils unterschiedliche Erfolgserlebnisse mit sich bringen. Mit Hilfe von Collage-APPs auf Tablets kann daraus ein kreatives Gesamtergebnis werden.

Die heutige Medienwechselkompetenz zeigt sich also nicht in der Fähigkeit, ein bestimmtes Gerät zu bedienen, sondern verschiedene mediale Ausdrucksformen im Wechsel kompetent auszuwählen, um jeweils die Person gegenüber oder einen Sachverhalt zu verstehen und selber zu erreichen beziehungsweise zu begreifen. Chancen der Digitalisierung von Arbeits- und Bildungsprozessen liegen also in der möglichen Synthese der größeren Effizienz arbeitsorganisatorischer Prozesse, der Unterstützung einer nachhaltigen, vor Investitionsruinen bewahrten Organisationsentwicklung und dem vielfältigeren Potenzial in der Umsetzung zeitgemäßer Medienwechselkompetenz. Die Kitas, Kita-Träger und vor allem die Fachkräfte dürfen damit aber nicht alleine gelassen werden, die Fehler des Schulsystems sollten sich nicht wiederholen. Es gibt bereits Kitas, die sich auf den Weg gemacht haben, sie sollten unterstützt werden durch Beratung, Zeit für kollegialen Austausch innerhalb der Kitas, Träger-übergreifende Erfahrungsräume wie beispielsweise einen vom Senat einzurichtenden Runden Tisch »Digitalisierung in der Kita« und schließlich auch durch begleitende wissenschaftliche Expertise und Evaluation.

Kontakt
Markus Hanisch
Geschäftsführer und Pressesprecher
Telefon:  030 / 219993-46