Zum Inhalt springen

Schwerpunkt "Hochschulen gestalten Zukunft"

Einen Weg zum Abschluss ebnen

Lennart Dürheide studiert Lehramt, ist Deutschlandstipendiat und unterrichtet bereits an einer Schule. Er berichtet davon, welche Unterstützung er sich in Zukunft von dem Berliner Senat und den Hochschulen wünscht.

Foto: Nikolaus Brade/Grundschule der Künste der UDK Berlin

bbz: Lieber Lennart, wieso willst du eigentlich Lehrer werden?

Dürheide:  Ich studiere an der Humboldt-Universität zu Berlin Grundschullehramt für die Fächer Deutsch, Mathe und islamische Theologie. Ich habe mich damals für den Studiengang aus zwei Gründen entschieden. Zum einen komme ich ursprünglich aus Marokko und wollte hier in Deutschland meinen Platz finden. Zum anderen will ich wie meine Grundschullehrerin werden. Stell dir vor, jedes Mal, wenn es mir nicht so gut geht, denke ich an sie und daran, was sie mir sagte. Das will ich den Kindern auch mitgeben können.

 

Wie hast du allgemein die Betreuung durch Hochschulprofessor*innen und Lehrende empfunden?

Dürheide: Das hängt sehr stark vom Fach ab. In der islamischen Theologie sind wir nur mit zehn Leuten gestartet. In Mathe oder Deutsch saß ich teilweise mit über 200 Menschen in einer Vorlesung, aber auch hier findet in den Seminaren in der Regel eine gute Betreuung statt. Bisher waren es auch höchstens 30 Leute in einem Seminar. Manchmal wäre es gut, wenn wir weniger wären, um noch besser betreut zu werden, aber irgendwann ist der Rahmen der Möglichkeiten im Hinblick auf die zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten und personellen Ressourcen auch ausgeschöpft, was ich durchaus verstehen kann.

 

Einige Studierende entscheiden sich ja, das Lehramtsstudium abzubrechen oder zu wechseln. Was meinst du, woran das liegt?

Dürheide:  Von dem, was ich mitbekomme, hängt das oft mit finanziellen Gründen zusammen. Einige Studierende können sich das Studium wahrscheinlich wegen steigender Miet- und Unterhaltskosten einfach nicht mehr leisten. Hinzu kommt, dass das Studium ziemlich zeitintensiv ist und nicht alle die Möglichkeit haben, noch nebenbei zu arbeiten. Dann hast du noch die Sache mit der Familienfreundlichkeit. Das Online-Studium erwies sich als besonders familienfreundlich und barrierearm. Inzwischen finden die meisten Veranstaltungen aber zum Bedauern vieler in Präsenz statt und das erschwert es jenen, die Kinder betreuen oder eben nebenbei arbeiten müssen, das Studium in der Regelstudienzeit oder überhaupt abzuschließen. Denn manche fahren eine Stunde lang zur Uni und eine Stunde zurück. Dann hast du noch den Konflikt zwischen dem Anspruch der Unis, Forscher*innen auszubilden und dem Wunsch nach einer beziehungsweise der Erwartungshaltung an eine möglichst praxisorientierten Lehramtsausbildung. Denn wer auf Lehramt studiert, möchte überraschenderweise meist nicht in die Forschung gehen, sondern mit Kindern arbeiten und unterrichten. Nun, wenn aber nach mehreren Semestern immer noch nicht klar ist, wie eine Unterrichtsstunde geplant wird, schmeißt man auch mal hin, wenn einem das Gefühl von Sinnlosigkeit des Gelehrten und Gelernten aufgrund fehlenden Praxisbezugs überkommt.

 

Hast du Ideen, wie man diese Probleme lösen könnte?

Dürheide:  Vor allem sollte der Senat den Studierenden finanziell unter die Arme greifen. Unsere Mitstudierenden im Quereinstiegsmaster können beispielsweise das Berliner Lehramt-Stipendium in Höhe von 500 Euro pro Monat erhalten und verpflichten sich damit, drei Jahre lang in Berlin als Lehrkraft zu arbeiten und das Studium in der Regelstudienzeit abzuschließen. Dieses Stipendienprogramm könnte die Politik auf Landesebene doch einfach für alle Grundschullehramtsstudierenden öffnen. Ich glaube, das wäre eine günstige Option, um Studierende finanziell zu entlasten und gleichzeitig Anreize zu schaffen, das Studium zu beginnen, zu beenden und in Berlin zu arbeiten.

Dann die Anzahl der Studienplätze ausbauen und den NC abschaffen, denn die besten Abi-Noten machen noch lange nicht die besten Lehrkräfte. Stattdessen vielleicht einen Eignungstest vor dem Studium verpflichtend einführen.

Seitens der Hochschule würde ich mir wünschen, die Benotung für weitere für den Beruf irrelevante Module abzuschaffen. Denn wer die Qualifikationsziele erreicht hat, hat sie eben erreicht, ob mit einer vier oder einer eins. Wie bereits gesagt, nicht die Noten sind es, die eine kompetente Lehrkraft ausmachen, sondern das sind nur kleine Bruchteile im Kompetenzerwerb.

Außerdem sollte die Anrechnung von Praxiszeiten außerhalb des Studiums deutlich erleichtert werden. Viele Studierende arbeiten bereits während des Studiums in einem hohen Maß an Schulen. Die Unis sollten nicht mehr allein darüber entscheiden, was gute und genügende Praxiserfahrung ist, sondern auch die Schulleitungen, die diese Studierenden beschäftigen.

 

Das finde ich sehr einleuchtend. Gerade im Lehramt ist es ja wichtig, sich schon früh mit dem Arbeitsfeld auseinander zu setzen.

Dürheide:  Ich bin aktuell an einer Grundschule tätig und ich habe seit kurzem auch die Verantwortung für eine sechste Klasse im Fach Deutsch. Die Arbeit an Schulen ist für Lehramtsstudierende immer eine herausfordernde Erfahrung. Als ich das erste Mal Unterrichtsverantwortung für eine Klasse übernahm, war es im Fach Mathematik in einer dritten Klasse. Ich stand mehrmals kurz davor zu sagen: »Nein, das kann ich nicht machen«. Ich stand mehrmals vor der Tür der Schulleitung, um meine Kündigung einzureichen, aber irgendwas in mir hat mich dazu gebracht, doch dranzubleiben. Und das war bisher wirklich die schönste Erfahrung in meinem Leben überhaupt. Ich stellte fest, dass nichts Anderes im Leben mich je mit so viel Glück und Freude erfüllt hat, wie die Arbeit mit Kindern und für Kinder. Und seitdem weiß ich, dass eine Brennpunktschule zum Beispiel für mich the-place-to-be sein wird, wenn ich fertig bin. Es darf nie langweilig werden!

 

Was sollten Senat und Hochschulen noch verändern, damit sich die Qualität der Ausbildung verbessert und mehr Studierende eine positive Studienerfahrung haben?

Dürheide:  Ich denke Betreuung ist das Wichtigste und es sollte alles dafür getan werden, dass Studierende bei der Organisation des Studiums, bei der Arbeit im Seminar und bei Prüfungen eine ausreichende personelle Betreuung erhalten. Das Thema Betreuung war auch ein großes Thema bei dem Kick-Off zum Leitbild Lehre an der HU. Es leuchtet mir ein, dass auch die Mitarbeitenden der Universitäten Unterstützung dabei brauchen, qualitativ hochwertige Seminar- und Prüfungsangebote zu entwickeln. Ich finde die Politik sollte den Hochschulen ausreichende Mittel zur Verfügung stellen, damit sie mehr Menschen für Betreuungsaufgaben einstellen und gleichzeitig diese Menschen auch entsprechend qualifizieren können.    

Kontakt
Markus Hanisch
Geschäftsführer und Pressesprecher
Privat:  030 / 219993-46